Erster Parlamentarischer Geschäftsführer

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Johannes Vogel
Pressemitteilung

VOGEL-Interview: Lohnfindung den Experten überlassen

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Johannes Vogel gab der Rheinischen Post (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Birgit Marschall.

Frage: Herr Vogel, der Bundeskanzler hat sich gerade für eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns von derzeit noch 12,41 Euro auf dann 15 Euro ausgesprochen.Wie bewerten Sie die Intervention des Kanzlers?

Vogel: Die Höhe des Mindestlohnes wird in Deutschland von einer unabhängigen Kommission der Tarifpartner empfohlen – nicht von der Politik. Das ist gut, hat sich bewährt und sollte so bleiben. Die Politik kann aber etwas anderes tun, damit sich Arbeit stärker lohnt: Auch Menschen mit kleineren Einkommen entlasten, damit sie mehr Netto vom Brutto haben. Denn bereits bei Mindestlohnempfängern liegt die Steuer- und Abgabenlast bei rund 40 Prozent vom Arbeitgeberbrutto. Das Mindeste ist, ein weiteres Inflationsausgleichsgesetz zu beschließen, damit der Staat auch die nächsten Jahre nicht an der Kalten Progression durch faktische Steuererhöhungen verdient. Der Staat sollte keinen Hunger auf Einmischung in die Lohnfindung haben, sondern Appetit auf Leistung machen mit attraktiven Anreizen und weniger Belastungen.

Frage: Würde die FDP eine weitere gesetzliche Anpassung mitmachen?

Vogel: Deutschland hat unter Berücksichtigung der Kaufkraft bereits heute den höchsten Mindestlohn weltweit. Gleichzeitig sind negative Effekte für diejenigen, die es am Arbeitsmarkt schwer haben, ausgeblieben. Das ist doch Ausdruck eines Systems das funktioniert. Ein funktionierendes System sollte man nicht ändern. Der Kanzler macht hier Wahlkampf mit dem falschen Thema. Mit der FDP wird er diese Forderung nicht umsetzen können. Wir stehen für gute Einkommen. Dafür muss man stattdessen gucken, wo man den Menschen auf der Gehaltsabrechnung mehr übriglassen kann.

Frage: Kann die Intervention von Scholz die eigentlich unabhängige Mindestlohnkommission beeinflussen?

Vogel: Wir haben in Deutschland traditionell gut funktionierende Tarifpartnerschaften von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Das spiegelt sich auch in der Mindestlohnkommission wider. Ständige politische Interventionen sind ein Misstrauensvotum gegen diesen Grundpfeiler unserer erfolgreichen Sozialen Marktwirtschaft, führen den Sinn der Mindestlohnkommission ad absurdum und sind auch respektlos gegenüber ihren Mitgliedern. Die Politik hat explizit versprochen, die Unabhängigkeit der Kommission zu achten. Sie sollte ihr Wort halten.

Frage: Hat der Kanzler recht mit seiner Kritik an der Kommission?

Vogel: Nein. Entweder man ist für Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission oder gegen die Mindestlohnkommission. Die Kommission wendet in ihrer Arbeit genau die Regeln an, die SPD und Union ihr gesetzlich gegeben haben. Bisher wurde jede Entscheidung im Konsens getroffen, mit einer Ausnahme. Bei dieser wurde – genau wie im Gesetz für einen solchen Fall vorgesehen – mit der Stimme der Vorsitzenden entschieden, die ganz sicher nicht den Arbeitgebern näher steht als den Gewerkschaften. Die Politik sollte eine Politisierung der Lohnfindung nicht weiter befeuern. Die Menschen wären auf Dauer die Verlierer.

Frage: Welche Folgen hätte eine deutliche Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro?

Vogel: 15 Euro Mindestlohn würden in Vollzeit ein Arbeitgeberbrutto von über 3.100 Euro bedeuten. Über 40 Prozent davon kommen bei einem Arbeitnehmer, der Single ist, aber gar nicht an. Viel sozialer politische Lohnfindung wäre daher: Mehr Netto vom Brutto! Wir müssen die arbeitende Bevölkerung bei Steuern und Sozialabgaben entlasten. Man kann langfristig etwa fragen: Warum sollte man auf einen Mindestlohn überhaupt Steuern schon zahlen müssen? Ich wundere mich, dass die SPD als einst stolze Arbeiterpartei nicht genau solche Fragen stellt.

Frage: Welche Gruppen am Arbeitsmarkt wären besonders betroffen?

Vogel: Nahezu alle Branchen in Deutschland leiden an einem eklatanten Arbeitskräftemangel. Es geht hier längst nicht mehr nur um hochqualifizierte Fachkräfte, sondern auch um ungelerntes Hilfspersonal. Wenn hier der Lohn nicht mehr durch die Tarifpartner festgelegt werden würde, kann die Folge sein, dass sich manche Geschäftsmodelle gar nicht mehr lohnen – Menschen mit Qualifikationsdefiziten finden dann vielleicht gar keinen Einstieg mehr. Oder die Betriebe müssen es mit weiteren Preiserhöhungen an die Menschen weitergeben – nach den letzten Inflationsjahren ein echtes Problem, viele Familien fragen sich ohnehin, ob sie zum Beispiel mit ihren Kindern noch Essen gehen können. Daher gilt: Lohnfindung den Experten überlassen, die Menschen und die Betriebe entlasten und an der Wirtschaftswende für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit arbeiten – dann steigen auch künftig die Löhne kräftig!

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