LINK-Interview: Deutsche Interessen robust vertreten
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Link gab der „Welt am Sonntag“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jens Wiegmann.
Frage: Herr Link, ist Deutschland gut auf Donald Trumps zweite Präsidentschaft vorbereitet?
Link: Methodisch ja, inhaltlich nicht. Das hat man an Trumps Pressekonferenz in Mar-a-Lago gesehen. Nach einem Wahlkampf um Verbraucher- und Benzinpreise, Inflation und Migration hat er sich in seiner ersten großen Pressekonferenz nur an seinen Verbündeten abgearbeitet. Und selbst bei diesem außenpolitischen Schwerpunkt hat er das wichtigste Thema, nämlich China, gar nicht genannt. Er überrascht also immer wieder, Gegner wie Anhänger.
Frage: Elon Musk und J.D. Vance mischen sich in den deutschen Wahlkampf ein. Hat das eine neue Qualität?
Link: Ja, Einmischung findet statt. Aber statt zu lamentieren sollten wir an unserer Handlungsfähigkeit arbeiten, wirtschaftlich und militärisch. Je polarisierender Trump agiert, umso einiger müssten die EU und der europäische Pfeiler der Nato agieren. Da wäre jetzt eine Führungsrolle Deutschlands wichtig, aber mit einer zaudernden Außenpolitik à la Scholz wird das nicht funktionieren. Und auch nicht mit einer von Annalena Baerbock, da ist zu viel erhobener Zeigefinger.
Frage: Trump fordert eine Erhöhung des BIP-Anteils für Verteidigung von fünf Prozent. Hat er das zu hoch angesetzt, um bei Nichterfüllen einen Grund für einen Rückzug aus der Nato zu haben?
Link: Der britische Verteidigungsminister hat richtig reagiert: Er würde gern einen Finanzplan von Trump sehen, wie er das Fünf-Prozent-Ziel erreichen will. Gegenwärtig stehen die USA bei 3,4 Prozent. Es ist ganz wichtig, Gegenfragen zu stellen, Trump mit harten ökonomischen Realitäten zu konfrontieren. Wir brauchen in der Nato keinen Überbietungswettbewerb mit Prozentzahlen, es geht vielmehr um die Frage, wer bis wann welche Fähigkeiten erfüllt.
Frage: Besteht die Gefahr, dass sich die USA unter Trump aus der Nato zurückziehen oder gar austreten?
Link: Die Gefahr wird gesehen, auch im US-Senat. Als ich kurz vor Weihnachten in Washington war, habe ich in beiden Kammern mit vielen republikanischen Freunden der Nato gesprochen. Dass Trump wirklich aus der Nato austritt, bezweifle ich. Aber er wird mit allen möglichen Mitteln und Drohungen arbeiten, seine provokant formulierten Interessen voll ausreizen – „push the limits“. Er hasst bindende Regelwerke, die er vorfindet. Die will er auseinandernehmen, nach seinen Bedingungen wieder aufbauen und eigene Allianzen bilden. Ich setze fest darauf, dass ihm der Senat bei seinen extremsten Vorschlägen nicht folgen wird.
Frage: Wie passt Trumps Anspruch auf Grönland und den Panamakanal da hinein?
Link: Es wird viel von einer multipolaren Welt gesprochen, da sehe ich eine enorme Gefahr. Denn aus Trumps Sicht gibt es geopolitische Pole, die ihre eigenen Regeln für ihren eigenen Hinterhof schreiben. Trump denkt in Einflusszonen – amerikanische, russische, chinesische. Die von ihm ungeliebte EU kommt da nicht vor. Dass wir so viel miteinander machen, gefällt ihm gar nicht, dadurch sind wir handelspolitisch viel zu stark. Dabei sollten wir gemeinsam mit den USA überlegen, wie wir den chinesischen Einfluss begrenzen können. Wenn wir De-Risking von China wollen, gelingt uns das nur gemeinsam und transatlantisch. Dann dürfen wir uns aber nicht handelspolitisch Knüppel zwischen die Beine werfen.
Frage: Was würden die von Trump angedrohten drastischen Erhöhungen von Einfuhrzöllen für Deutschland bedeuten?
Link: In der aktuell sehr schwierigen Lage, ohne Wirtschaftswachstum, mit Abwanderung in vielen Bereichen, wäre das doppelt gefährlich. Für deutsche Unternehmen, die nicht in den USA produzieren, gilt: Der Export würde wesentlich sinken, oder sie müssten die Produktion dorthin verlegen – beides wäre schlecht für den Standort Deutschland. Zentral wäre es jetzt, Trump von seinen protektionistischen Zollplänen abzubringen, denn sie öffnen die Tore für einen fatalen Handelskrieg. In diesem Fall verlieren die USA und die EU gleichermaßen. China und Russland wären die Gewinner.
Frage: Es heißt, Trump handelt transactional, wie ein Geschäftsmann. Bietet das einen Ansatz?
Link: Beim De-Risking von China können wir Trump entgegenkommen. Das steht uns ohnehin bevor, und das gelingt transatlantisch gemeinsam am besten. Eine Möglichkeit wäre auch, mehr Energie von den USA zu kaufen. Wir müssen auch wieder über Handelsabkommen reden, zumindest sektorale Abkommen, zum Beispiel bei Industriezöllen und Seltene Erden.
Frage: Muss Deutschland außenpolitisch einen härteren Ton anschlagen?
Link: Der Balanceakt wird sein, deutsche Interessen robust zu vertreten, ohne zu moralisieren. Wir müssen Trump dort wo nötig klar und entschlossen widersprechen, ohne ins Überhebliche zu verfallen. Die deutsche Linke ist von SPD über Grüne bis links außen dafür sehr anfällig. BSW und AfD sind offen antiamerikanisch und biedern sich Putin und China an.
Frage: Trump hat Dutzende Präsidialerlasse angekündigt. Warum will er Politik ohne den Kongress machen, obwohl er in beiden Kammern eine Mehrheit hat?
Link: Momentan ist Trump auf dem Höhepunkt seiner persönlichen Macht. Viel davon wird anhalten bis zu den Midterm-Wahlen in knapp zwei Jahren, dann hat Trump ein letztes Mal Einfluss auf die Zusammensetzung des Kongresses. Aber spätestens dann werden mit Macht die Pläne derer sichtbar werden, die nach Trump eine entscheidende Rolle spielen wollen. Schon jetzt beginnen einige Senatoren, über Trumps Amtszeit hinaus zu denken. Auch Gouverneure, die haben ihre eigene Machtbasis und können deshalb von Trump nicht angegriffen werden. Oder sie wurden angegriffen und haben es überstanden.
Frage: Kommt der deutsche Wahlkampf angesichts der dynamischen Entwicklung in den USA zur Unzeit?
Link: Es wäre gefährlicher gewesen, wenn wir die Neuwahl bis nächsten September verzögert hätten. Es ist schon gut, dass wir jetzt neu wählen. Und die zweite Trump-Präsidentschaft sollte ein Weckruf sein, dass wir nun wirklich eine Wirtschaftswende brauchen.