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THOMAE-Interview: Muss möglich sein, auf Versammlungen seine Meinung zu artikulieren
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae gab „WDR 5“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Judith Schulte-Loh:
Frage: Herr Thomae, sind härtere Strafen bei Verstößen gegen die Corona-Auflagen sinnvoll, müssen die her?
Thomae: Also ich denke, Prävention ist besser als Repression. Das heißt also, dafür Vorsorge zu treffen, dass Auflagen eingehalten werden. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass man den Zugang zu den Städten, wo Demos und Veranstaltungen stattfinden, auch kontrolliert. Das heißt, dass man also die Räume eingrenzt, auch mit Absperrgittern, zum Beispiel bei Demos nicht unüblich, und dass die Polizei dann kontrolliert, ob jemand, der diesen Ort betritt, dann auch eine Maske aufhat. Und zum Zweiten, dass man die Zahl kontrolliert. Also, wie viele gehen auf diesen Platz, sodass die Abstände eingehalten werden können. Das wäre eine wirksame Prävention. Das erscheint mir besser, als hinterher mühsam herauszufiltern, wer hat denn da genau gegen Abstandsregeln und Maskenpflicht verstoßen. Prävention ist immer besser als Repression.
Frage: Ist dies denn jetzt überhaupt schon der richtige Zeitpunkt, wieder Großdemonstrationen zu erlauben? Wenn wir uns mal erinnern: Bis vor einem Monat durfte man seine eigene Hochzeit nur mit zwölf Leuten feiern.
Thomae: Das hat mit der Zahl zunächst mal wenig zu tun, eher mit dem Verhältnis zwischen Menschenanzahl und dem Platz. Wenn wir mal an eine große Demo in Tel Aviv, Israel, im April uns erinnern, mit Tausenden von Demonstranten, da war es, weil der Platz groß genug war, weil Zugänge kontrolliert worden sind, die Veranstalter auch darauf geachtet haben, das gar kein Problem, Maskenpflicht und Abstände durchzuführen, hat also nichts mit der reinen Zahl der Menschen zu tun. Wenn der Platz klein ist, kann eben nur eine geringe Zahl von Menschen rauf. Ist der Platz aber groß, warum nicht auch eine große Zahl von Menschen? Aber das hat mit der Größe zunächst mal nichts zu tun, sondern einfach mit dem Verhältnis, wie groß ist der Platz und wie ernsthaft werden die Maßnahmen dann auch kontrolliert.
Frage: Okay, wenn Sie sagen, Prävention ist erst mal das Entscheidende, dann stellt sich natürlich aber im Anschluss auch die Frage, wie soll man denn diejenigen erreichen, die sagen, das schert uns nicht, also Markenpflicht und so weiter und so fort? Gehen da nicht doch nur Strafen?
Thomae: Es gibt ja auch Strafen. Wer gegen die Maskenpflicht, wer gegen die Abstandsflächen, wer allgemein gegen Auflagen verstößt, muss mit Bußgeldern rechnen. Es ist nun einmal sehr schwer herauszufinden, wer ist denn eigentlich die einzelne Person, die dagegen verstoßen hat. Deswegen ist, wie ich sage, Prävention oft das bessere Mittel, das zu kontrollieren. Aber ja, natürlich muss der Verstoß gegen Auflagen sanktioniert werden. Das hat, glaube ich, auch wenig mit der Höhe zu tun, man muss es überhaupt einmal tun. Und auch der Veranstalter muss zur Verantwortung gezogen werden, aber wie gesagt, das ist jetzt weniger eine Frage, wie hoch ist die Strafe, sondern wird sie überhaupt verhängt.
Frage: Weshalb halten sich Ihres Erachtens immer mehr Menschen nicht an die Regeln?
Thomae: Ja, das ist wirklich ein Problem. Und da muss man auch deutlich machen, wer mit gutem Recht dafür demonstriert, dass er seine Grundrechte gewahrt wissen will, muss aber auch klar machen, dass er auch die Grundrechte anderer wahrt und respektiert. Und wer nun dafür sorgt, indem er zum Beispiel unter Missachtung von Abstandregeln oder der Maske demonstriert, der gefährdet die Gesundheit anderer Menschen. Und nicht nur die Gesundheit anderer Menschen, sondern sollte es deswegen wieder zu Infektionsgeschehen kommen, Geschäfte geschlossen werden müssen, Taxifahrer ihren Betrieb einstellen, dann wird auch die berufliche Existenz vieler Menschen gefährdet und ruiniert. Und das ist eine hohe Verantwortung und deswegen muss man da schon darauf hinweisen, dass es eine ernste Angelegenheit, Corona ist nicht vorbei.
Frage: Und wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund und dem, was Sie gerade ausgeführt haben, die Demonstrationen vom letzten Wochenende in Berlin?
Thomae: Für mich ist das, was da geschehen ist, ein Irrwitz. Ich sage nochmals, ich bin nicht dagegen, dass Demos stattfinden können. Es muss möglich sein, auf Versammlungen und Veranstaltungen seine Meinung zu artikulieren. Aber dann müssen auch die Regeln eingehalten werden. Ist das nicht der Fall, dann muss die Polizei solche Veranstaltungen auflösen können oder noch besser, dann auch begrenzen. Jetzt ist sozusagen der Platz voll, noch mehr gehen nicht drauf. Und das muss mit dem Veranstalter ganz klar definiert abgesprochen sein und das ist in Berlin offensichtlich nicht gelungen.