DÜRR-Gastbeitrag: Wohlstand braucht Leistung
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr schrieb für das „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Am Montag hat Allianz-CEO Oliver Bäte im Handelsblatt eine wichtige Debatte angestoßen. Er sprach die auffällig hohe Zahl an Krankheitstagen von Arbeitnehmern in Deutschland an und schlug vor, den Karenztag ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung wieder einzuführen, der in den Siebzigerjahren abgeschafft worden ist. Die vielen Krankmeldungen sind aber, ebenso wie die im internationalen Vergleich geringe Zahl an Jahresarbeitsstunden in Deutschland, nur ein Symptom eines größeren gesellschaftlichen Problems. Auf den ersten Blick scheint es so, als greife eine Null-Bock-Mentalität um sich. Gerade hat eine weltweite Umfrage der Unternehmensberatung EY gezeigt, dass in Deutschland im Vergleich überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer bei der Arbeit mangels Motivation nicht ihr Bestes geben.
Woran liegt das? Sind die Deutschen einfach fauler als andere? Das Gegenteil ist richtig. In Deutschland leben unglaublich viele höchst motivierte, hervorragend qualifizierte Menschen, die nur darauf warten, sich endlich wieder voll einzubringen. Es sind die staatlichen Rahmenbedingungen, die es im vergangenen Jahrzehnt Stück für Stück immer unattraktiver gemacht haben, das eigene Potenzial voll auszuschöpfen. Viele Regeln sind leistungsfeindlich und bestrafen Engagement. Es ist in Deutschland inzwischen oft einfacher, eine Leistung zu beantragen, statt Leistung zu erbringen.
Gerade die leistungsbereite und leistungsfähige Mitte unserer Gesellschaft reagiert allergisch darauf, wenn sich Leistung nicht lohnt, wenn man trotz höchstem Einsatz und bester Ausbildung kaum schneller vorankommt als diejenigen, die den einfacheren Weg gewählt haben. Leistung muss sich lohnen – ansonsten erlahmt irgendwann auch die stärkste Motivation.
Hier ist die Politik gefragt. Wenn wir leistungsfeindliche Gesetze ändern, wird sich die Leidenschaft für Leistung in unserer Gesellschaft ganz von allein wieder Bahn brechen.
Was hält diese Leistungsleidenschaft derzeit viel zu oft zurück? Da wäre das Bürgergeld, das es insbesondere in Regionen mit hohen Mieten oft unattraktiv macht, selbst für sich und seine Familie zu sorgen. Eine Pauschalierung der Kosten der Unterkunft auf niedrigerem Niveau könnte für mehr Leistungsgerechtigkeit sorgen. Da wären die seit 2019 anhaltenden Reallohnverluste, die durch das Zusammentreffen einer stagnierenden Wirtschaft und zeitweilig hoher Inflation entstanden sind.
Diese Stagnation der Wirtschaft ist kein Naturgesetz, wie der Blick auf die deutlich wachsenden Volkswirtschaften um uns herum zeigt, sondern Folge einer seit über zehn Jahren selbstzufriedenen, bürokratischen und ideologischen Politik.
Wir brauchen endlich eine umfassende Deregulierungsoffensive, der sich SPD und Grüne in der Ampelkoalition leider vehement verweigert haben.
Da wären die seit Anfang des Jahres gerade für Leistungsträger erneut deutlich gestiegenen Beiträge für die Kranken- und Pflege-, aber auch für die Rentenversicherung. Dadurch sind die Nettoeinkommen für viele Arbeitnehmer trotz Entlastungen bei der Einkommensteuer, die wir kurz vor Weihnachten noch im Deutschen Bundestag durchsetzen konnten, insgesamt erneut gesunken. Dagegen hilft nur eine groß angelegte Steuer- und Abgabenreform zur Entlastung der arbeitenden Mitte. Ein erster Schritt wäre es, dass wir Zuschläge für Überstunden steuerfrei stellen, damit es sich deutlich im Portemonnaie zeigt, wenn man beruflich die Extrameile geht.
Denjenigen, die als Piloten des eigenen Lebens mehr erreichen wollen, müssen wir es endlich wieder ermöglichen. Dazu gehört es, das Arbeitszeitgesetz an die Realitäten des Arbeitslebens anzupassen und diejenigen, die mehr arbeiten wollen, nicht länger zu kriminalisieren.
Dazu gehört es, endlich bessere, zuverlässigere, wohnortnähere Angebote für eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung zu schaffen, damit insbesondere auch Mütter ihre beruflichen Ambitionen voll entfalten können. Dazu gehört es, dass vom Rentensystem nicht belohnt wird, wer früher in Rente geht, sondern derjenige, der Erfahrung und Wissen länger für seine Kolleginnen und Kollegen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt zur Verfügung stellt.
Noch niemals in der Geschichte und noch nirgendwo auf der Welt konnte eine Gesellschaft ihren Wohlstand dadurch erhalten, dass sie weniger arbeitet. Wohlstand beruht auf Anstrengung und der Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko.
Die Politik muss dies nach dem 23. Februar wieder zum Leitprinzip ihres Handelns machen. Dann, da bin ich mir sicher, sinken die Krankheitstage in Deutschland ganz von allein wieder auf ein international übliches Niveau.