Erster Parlamentarischer Geschäftsführer

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Johannes Vogel
Pressemitteilung

VOGEL-Interview: Nicht der Staat finanziert die Wirtschaft, sondern die Wirtschaft den Staat

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel gab der „WELT“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thorsten Jungholt.

Frage: Elon Musk, erfolgreicher Unternehmer und enger Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, empfiehlt den Deutschen die Wahl der AfD, also einer in Teilen anti-amerikanisch, russlandfreundlich und extremistisch geprägten Partei. Verstehen Sie das?

Vogel: Nein, diese Empfehlung halte ich für grundfalsch. Einmal zu Musk selbst: Das kulturpessimistische und alles Neue ablehnende Geätze der AfD war auch gegen sein eigenes Tesla-Werk in Brandenburg gerichtet. Vor allem aber zu Deutschland: Ein Weg raus aus der EU, raus aus der Nato, hin zu einer Annäherung an Russland schadet uns ebenso katastrophal wie die Wahl einer völkischen, extremistischen Partei generell. Der Vorgang zeigt, dass jemand ein beeindruckender Unternehmer sein kann, der Elektroautos attraktiv macht, Raketen in den Weltraum schießen und rückwärts wieder landen lassen kann, trotzdem aber politisch dummes Zeug redet.

Frage: Kurz bevor Musk in den deutschen Wahlkampf eingriff, empfahl ihn der FDP-Vorsitzende Christian Lindner als Vorbild für „eine disruptive Energie, die Deutschland fehlt“. Pech?

Vogel: Nein, Ausdruck der notwendigen Differenzierung, die wir als Gesellschaft hinbekommen müssen. Die Realität ist kompliziert, der Umgang damit anstrengend. Die beschriebene Bilanz des Unternehmers Elon Musk zeigt doch, dass auch wir hier bessere Rahmenbedingungen für unternehmerische Durchbrüche und mehr Mut für große Innovationen brauchen. Von seinen politischen Empfehlungen sollte man sich dagegen weit fernhalten.

Frage: Was bedeutet Musks Irrlichtern für die Zusammenarbeit liberaler Demokratien gegen Xi Jinpings China oder Putins Russland? Immerhin wird er Trumps Regierung angehören.

Vogel: Mit Blick auf den erratischen Charakter von Donald Trump sind Prognosen über seine zweite Präsidentschaft schwierig. Wir können drei Dinge tun: Erstens klarmachen, dass eine starke transatlantische Partnerschaft unser Kerninteresse bleibt. Zweitens unsere sicherheitspolitischen Hausaufgaben machen, den europäischen Pfeiler der Nato stärken, damit wir eigenständig handlungsfähiger werden. Und drittens, mit Blick auf China, sollten wir die Zusammenarbeit mit den marktwirtschaftlichen Demokratien im pazifischen Raum von Südkorea bis Australien intensivieren.

Frage: Hat die Ampel das unter Beteiligung der FDP ausreichend getan?

Vogel: Die Ampel-Koalition ist im Kern an unterschiedlichen Vorstellungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik gescheitert. Es war richtig, auseinander zu gehen. Aber auch europapolitisch hätte ich mir manches anders gewünscht, als es Olaf Scholz und Annalena Baerbock auf den Weg gebracht haben. Dass Frankreichs Präsident Macron sich mit dem ukrainischen und dem künftigen amerikanischen Präsidenten in Paris ohne deutschen Bundeskanzler trifft, halte ich für ein Problem. Dass sich Donald Tusk als polnischer Ministerpräsident mit den baltischen und skandinavischen Staaten enger abstimmt und dabei deutliche Enttäuschung über Deutschland zum Ausdruck bringt, halte ich für ein Problem. Es ist deshalb Aufgabe der nächsten Bundesregierung, möglichst unter FDP-Beteiligung, dass wir der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas ein entschlossenes und gestärktes Weimarer Dreieck mit Deutschland, Frankreich und Polen an die Seite stellen – und das noch um eine intensivierte Zusammenarbeit mit den britischen Verbündeten ergänzen.

Frage: Hat Kanzler Scholz die Bundesrepublik also außenpolitisch isoliert?

Vogel: Im Verhältnis zu Frankreich und Polen ist deutlich Luft nach oben. Da gibt es für eine nächste Bundesregierung einiges zu reparieren. 

Frage: Kommunikativ versemmeltes Ampel-Aus, geleakte Dokumente aus der Parteizentrale, Rücktritt enger Mitarbeiter: Ist Christian Lindner noch der Richtige an der Partei-Spitze?

Vogel: Er ist unser Parteivorsitzender und Spitzenkandidat. Er hat meine volle Unterstützung. Es geht jetzt nicht um die Partei, es geht um das Land. Ich bin überzeugt: Wir haben als FDP die besten Konzepte anzubieten, damit es wirtschaftlich endlich wieder aufwärts geht, damit die Menschen die Chance haben, für sich und ihre Familien etwas aufzubauen und Aufstieg zu schaffen. Darüber will ich in den nächsten 50 Tagen mit den Bürgern diskutieren. Nur wenn wir den wirtschaftlichen Turnaround schaffen, kriegen wir die politischen Ränder wieder klein. Die Agenda 2010 von Gerhard Schröder…

Frage: …noch so ein Fall für notwendige Differenzierungen angesichts einer komplexen Persönlichkeit…

Vogel: …hat gezeigt, dass Deutschland eine Wirtschaftswende schaffen kann. Dafür müssen wir aber politisch etwas tun, und darum geht es jetzt.

Frage: Was tun?

Vogel: Zunächst einmal gilt es wieder zu verstehen, dass Wohlstand und Wachstum nicht durch Subventionen entstehen, sondern durch Leistungswillen, Mut und Unternehmertum. Dass nicht der Staat die Wirtschaft finanziert, sondern die Wirtschaft den Staat. Und dass nicht die Politik oder konkret Robert Habeck mit dirigistischen Vorgaben wissen, wo das Neue entsteht, sondern die Menschen – wenn wir ihnen Freiräume geben, Steuern und Abgaben von den Schultern nehmen und Aufstieg unabhängig von der Herkunft leichter machen.

Frage: Und was sind Ihre Prioritäten?

Vogel: Steuern und Abgaben zu senken. Wir konkurrieren mit Belgien um den Weltmeistertitel bei den höchsten Steuern und Abgaben für die kleinen und mittleren Einkommen, gleichzeitig sind wir an der Spitze der Industrienationen im Kreis der G7, was die Unternehmenssteuern angeht. Das ist ein Grund für unsere wirtschaftliche Schwäche. Mein Vorschlag lautet: Die nächste Bundesregierung muss sich verpflichten, auch nach einem ersten Entlastungsschritt künftige Steuermehreinnahmen nicht für neue politische Vorschläge auszugeben, sondern mindestens die Hälfte dieser Steuermehreinnahmen in Form von Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückzugeben – und zwar so lange, bis wir nicht mehr Weltmeister bei den Belastungen sind. Ich bin gespannt, wie CDU und CSU sich dazu verhalten.

Frage: Regieren mit der Union, das ist es ja, was Christian Lindner anstrebt. Aber warum sollten Wähler der FDP zutrauen, in einer Koalition mit CDU und CSU mehr zu erreichen als in der Ampel?

Vogel: Es stimmt, dass es auch reichlich Unterschiede in den Programmen von Union und FDP gibt. Nur die Partei der Freiheit garantiert die Kombination von wirtschaftlicher und bürgerlicher Freiheit. Wo die Union zurückwill, wollen wir nach vorn. Aber mit Blick auf die jetzt drängende Aufgabe einer Wirtschaftswende sind die Gemeinsamkeiten zwischen Union und FDP offensichtlich am größten. Lässt man die CDU allerdings mit Grünen oder SPD regieren, dann wird es keinen Politikwechsel geben, sondern ein Weiter so. Die Union macht zum Beispiel keinerlei eigene Vorschläge zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, wie wir mit der gesetzlichen Aktienrente. Mit den Ideen der SPD werden die Sozialabgaben laut dem Wirtschaftsweisen Martin Werding von heute schon über 40 auf absehbar 50 Prozent steigen – und die Steuern kommen noch obendrauf. Das kann die arbeitende Mitte, das können die Jüngeren nicht mehr stemmen.

Frage: Dazu müssten Sie aber zunächst einmal überhaupt in den Bundestag kommen. Das vorzeitige Ende der Ampel fand in der Bevölkerung breite Unterstützung. Warum profitiert die FDP in den Umfragen nicht davon?

Vogel: Weil die Enttäuschung über die noch nicht eingeleiteten notwendigen Reformen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik das letzte Jahr dominiert hat. Jetzt haben wir ein neues Jahr. Wir starten mit Dreikönig in einen kurzen, intensiven Wahlkampf, von dem ich mir eine Art großes Gespräch der Demokratie erhoffe. Wenn es darum geht, wer die besten Vorschläge macht, haben wir als Freie Demokraten alle Chancen bei dieser Wahl. Und dann gibt es auch eine Chance für eine politische Mehrheit, die das Ruder wirklich ausreichend weit herumreißt.

Frage: Falls die FDP doch an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert: Stünden Sie als nächster Vorsitzender für den Neuaufbau zur Verfügung?

Vogel: Die FDP wird nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, also stellt sich diese Frage nicht.

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