THEURER-Gastbeitrag: Milliarden für Kohleausstieg retten nicht das Klima, sondern zerstören Arbeitsplätze
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich auf einem Kurs, den man wahlweise als mutig, tollkühn oder suizidal bezeichnen könnte. Eine Branche nach der nächsten wird überreguliert und damit vertrieben oder zerstört – egal ob Pharma, Chemie, Finanzen oder Autos. In dieser Liste darf natürlich die Energiepolitik nicht fehlen. Das jüngste Menetekel läuft unter dem Stichwort „Kohleausstieg“. Mit einem 19-Jahres-Plan soll dieser dirigistisch organisiert werden. Keiner weiß bisher, was der Spaß kosten soll – aber jeder weiß, dass es teuer wird.
Die Kohlekommission rechnet allein mit 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen für die betroffenen Bundesländer. Dazu kommen die Entschädigungen an die Kraftwerksbetreiber, welche ebenfalls deutlich im Milliardenbereich liegen dürften.
Außerdem muss die Bundesregierung Zertifikate aus dem Europäischen Emissionshandel (ETS) kaufen und löschen beziehungsweise auf ihre Versteigerung verzichten, denn nur so hat der Kohleausstieg klimapolitisch überhaupt eine Wirkung. Zur Erinnerung: Die Gesamtmenge des CO2-Ausstoßes in den Sektoren, die vom ETS abgedeckt sind, ist bereits politisch definiert und sinkt natürlich jedes Jahr. Der Energiesektor gehört zu diesen Sektoren.
Auch ohne den „Kohleausstieg“ könnte man Zertifikate kaufen und löschen, würde dafür jedoch nur Bruchteil der Kosten bezahlen. Und auch ohne den „Kohleausstieg“ wäre die Kohleverstromung irgendwann nicht mehr wirtschaftlich – allerdings erst dann, wenn alle günstigeren Vermeidungsmöglichkeiten für CO2 ausgeschöpft sind, was gerade bei hochmodernen Kraftwerken durchaus noch eine Weile dauern kann.
Und schließlich wird auch noch der Strom teurer. Einerseits, weil weniger Strom im Markt ist. Andererseits weil wir zumindest teilweise auf Gas umsteigen werden. Denn grundlastfähig sind gegenwärtig nur Gas, Kohle und Atomstrom. Die kurzfristige Alternative zum Gas ist der teure Import von Atomstrom aus Belgien und Frankreich sowie von Kohlestrom aus Polen.
Mit einem hat Frau Merkel also recht. Sie sagte in Davos: „Wenn wir aus der Kohle aussteigen, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, dann müssen wir den Menschen ehrlich sagen, werden wir mehr Erdgas brauchen.“ Gasstrom ist in der Entstehung doppelt so teuer wie Kohlestrom, importiert wird das Gas überwiegend aus Russland. Mit anderen Worten: Wir machen uns abhängig vom teuersten der Energieträger und von Vladimir Putins Russland.
Eines muss auch klar sein: Dieser nationale Alleingang wird das Klima nicht retten – wer ihn beschreitet, ist kein Klimaschützer, sondern ein Arbeitsplatzzerstörer. Wer von Deutschland aus dem Klima wirklich helfen will hat im Kern nur zwei Optionen: Zertifikate aus dem Emissionshandel entfernen oder dafür sorgen, dass in Deutschland klimafreundliche Produkte produziert werden, die auf der ganzen Welt gekauft werden. Darüber müssten wir debattieren, nicht über das erzwungene Abschalten von Kraftwerken!
Für den planwirtschaftlichen Kohleausstieg jedenfalls rechnen Experten insgesamt mit einem Kostenpunkt von etwa 80 Milliarden Euro. Und das nur, damit den Grünen ein Wahlkampfthema entzogen wird. Wie will die Bundesregierung das eigentlich finanzieren? Noch mehr Steuern? Noch höhere Stromkosten? Dabei ist bei beidem die Belastungsgrenze schon längst überschritten, Normalbürger zahlen bei beidem schon mehr als in nahezu allen anderen Industrieländern.
Und einmal allgemeiner gefragt: Wie wollen wir das eigentlich irgendwann einmal unseren Kindern erklären, dass wir günstige Möglichkeiten hatten das Klima zu schützen, aber die teuersten wählten? Dass vielleicht irgendwann einmal deshalb die Stimmung kippte? Dass wir eine Zukunft in Wohlstand für sie hätten schaffen können, uns aber dagegen entschieden haben? Dass wir unseren Werten von Freiheit und Menschenrechten in der Welt kein Gehör mehr verschaffen können, weil wir mit unserer Wirtschaftskraft auch unseren Einfluss in der Welt geopfert haben?
Ich habe darauf keine Antwort. Ich kann die Bundesregierung nur dazu auffordern, sich nochmal gründlich zu überlegen ob kurzfristige Wahlerfolge und die Angst vor einem grünen Umfragehoch ein Vorgehen nach dem Motto „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ rechtfertigen.