Bettina Stark-Watzinger
Pressemitteilung

STARK-WATZINGER-Gastbeitrag: Arbeitsmarktpolitik muss sich an ökonomischen Gegebenheiten orientieren

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion Bettina Stark-Watzinger schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

„Die Ökonomik ist keine Naturwissenschaft, sagen die meisten Leute nicht aus wissenschaftstheoretischem Interesse, sondern weil sie die Fiktion aufrechterhalten wollen, man könnte ökonomische Gesetze durch politischen Willen aushebeln.“ Diese Worte schrieb Prof. Jan Schnellenbach in den letzten Tagen auf Twitter. Derzeit ist es wieder zu beobachten: Die IG-Metall fordert eine Vier-Tage-Woche mit einem gewissen Lohnausgleich.

Begründet wird die Forderung damit, dass durch Corona die Arbeit zurückginge und durch eine Vier-Tage-Woche Arbeitslosigkeit verhindert werden könne. Das ist eine Forderung, die eine Gewerkschaft stellen kann. Dass sich der deutsche Arbeitsminister für diese Forderung offen zeigt, muss hingegen verwundern.

Die arbeitsmarktpolitische Agenda von Minister Heil hat eine klare Schlagseite. Alle Themen werden durch die sozialpolitische Brille betrachtet. Die Frage wie neue Arbeitsplätze entstehen können, kommt gar nicht vor. Die Vier-Tage-Woche ist entsprechend ein weiterer Baustein, Artenschutz bestehender Arbeitsplätze zu betreiben, statt neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen.

Vergessen wird dabei, dass Arbeitsmarktpolitik sich an ökonomischen Gegebenheiten orientieren muss. Eine geringere Arbeitszeit bei gleichem oder fast gleichem Lohn setzt ein entsprechendes Produktivitätswachstum voraus. Alles andere erhöht die Lohnkosten, lässt Produkte teurer werden und verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Das sind ökonomische Grundkenntnisse, die ein Arbeitsminister kennen muss.

Fakt ist: Das Produktivitätswachstum sinkt in den letzten Jahrzehnten weltweit und fällt in Deutschland sehr gering aus. Die europäische Niedrigzinspolitik ist auch eine Folge dieses geringen Produktivitätswachstums. Fiele das Wachstum hoch aus, können Gehälter entsprechend stärker steigen oder die Freizeit ausgeweitet werden. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Für ein höheres Produktivitätswachstum werden effizientere Organisationsstrukturen, bessere Arbeitsabläufe oder insbesondere Innovationen benötigt. Der technische Fortschritt macht es möglich, in der gleichen Zeit mehr zu produzieren oder den gleichen Output in kürzerer Zeit zu schaffen. Aber gerade bei der Digitalisierung, die ein hohes Produktivitätswachstum verspricht, hinkt Deutschland hinterher.

Löhne und Gehälter haben sich aufgrund des guten Arbeitsmarktes in den letzten Jahren schon von der Produktivitätsentwicklung entkoppelt. Die Coronakrise wirkt nun wie ein Schock. Die Angleichung von Lohnentwicklung und Produktivitätswachstum kann nur gelingen, indem in den kommenden Tarifrunden eine Zurückhaltung erfolgt – zumindest solange, bis wir die Voraussetzungen für höhere Löhne geschaffen haben.

Was Hubertus Heil fordert, ist aber das Gegenteil. Er verspricht den Menschen mehr Geld und Freizeit, ohne dass die ökonomische Grundlage dafür da ist. Seine Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge ist gefährlich. Die SPD kann den Weg von der Arbeiterpartei zur Nicht-Arbeiterpartei gehen – Deutschland nicht!

Darüber hinaus spricht aktuell noch etwas gegen die Einführung der Vier-Tage-Woche: Wer über die Coronakrise hinausdenkt, muss sich mit dem Fachkräftemangel auseinandersetzen. Dieser wird dafür sorgen, dass Arbeitszeit fehlen und ausgeglichen werden muss. Eine Reduzierung der Arbeitszeit untergräbt das Ziel einer starken Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen.

Der Etat des Arbeitsministers steigt seit Jahren am schnellsten. Es handelt sich allerdings um den Sozialetat. Ein Indiz, dass die Politik eben nicht auf die Zukunft ausgerichtet ist. Schnelles Internet, eine digitale Verwaltung, Digitalisierung in Schulen – wer die Früchte der Digitalisierung ernten will, muss zunächst den Baum pflanzen. Höhere staatliche und private Investitionen, eine bessere Verbreitung technischer Investitionen, mehr Wettbewerb statt Marktmacht und Marktkonzentration – der Staat hat es in der Hand. Die Arbeitnehmer fit für die Digitalisierung zu machen oder die Arbeitsmarktgesetze ans digitale Zeitalter anpassen, erscheinen mir dabei zielführende Schwerpunkte eines Arbeitsministers zu sein.

Es wäre daher ratsamer, wenn sich der Arbeitsminister stärker der Modernisierung der Angebotsseite unserer Volkswirtschaft und weniger dem Strukturerhalt widmen würde. Die GroKo hat gezeigt: In der Ressortkombination von Arbeit und Soziales geht die Vision für mehr Arbeit verloren. Die Risikominimierung wird immer stärker bewertet als die Chancenergreifung. Es ist an der Zeit, das Ressort Arbeit vom Sozial- ins Wirtschaftsministerium zu überführen. Denn gute Wirtschaftspolitik ist die Voraussetzung für gute Arbeitsmarktpolitik. Die Vier-Tage-Woche muss langfristig keine Illusion bleiben, aber man muss durch ein hohes Produktivitätswachstum die Grundlagen schaffen.

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