SOLMS-Gastbeitrag: Wir können uns aus der Krise nicht heraussparen
Der Ehrenvorsitzende der FDP-Fraktion Dr. Hermann Otto Solms schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Scharfe Kritik hagelt es, wenn die Freien Demokraten dazu aufrufen, sich Gedanken über eine Exit-Strategie aus der Coronakrise zu machen. Moralisch überheblich heißt es, wir würden uns wieder nur um die Wirtschaft, statt um die Menschen kümmern.
Dies beweist eine totale Fehlbeurteilung der vor uns liegenden Problematik. Wenn wir heute über eine Exit-Strategie reden, sprechen wir über den Erhalt von Millionen von Arbeitsplätzen und die Existenz von Millionen Selbstständigen. Deren Existenzsicherung muss nach Überwindung der Infektionsgefahren unsere höchste Priorität haben. Diese Kritik belegt erneut, dass die Kritiker aus der Krise 2008/2009 nichts gelernt haben.
Die Regierung ist spät gestartet, hat aber dann ein vernünftiges Konzept vorgelegt. Alle Fraktionen des Parlaments – mit Ausnahme der AfD – haben die Notsituation erkannt und gemeinsam für eine schnell wirksame Gegenstrategie gesorgt.
Der Fokus der Freien Demokraten lag dabei insbesondere auf der Befristung der Einschränkung unserer Freiheitsrechte. Die Krisenbewältigung darf von keiner Regierung zu einer dauerhaften Verschiebung der Macht zulasten des Parlaments missbraucht werden.
Die bereitgestellten Hilfen zügig und praxiskonform umzusetzen, ist jetzt vorderste Aufgabe von der Exekutive auf allen Verwaltungsebenen. Aufgabe des Parlaments ist es schon heute Lösungen für die Phase nach der Krise zu entwickeln. Denn es kann keinen Zweifel geben, wir stehen vor einer Rezession. Ein erneutes, zu spätes Handeln würde Millionen Existenzen gefährden, ja vernichten.
In der Finanzkrise haben wir gelernt, dass wir nur durch eine Stärkung der Wirtschaft und einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes aus dem Abwärtsstrudel von Insolvenzen, Arbeitsplatzverlusten und Existenzbedrohung herauswachsen können.
Dass die Rezession kommt, ist sicher. Die Experten im Sachverständigenrat und Ifo-Institut gehen von einem Einbruch des Wachstums von zwischen drei und 20 Prozent aus. Je länger der Shutdown dauert, desto tiefer wird der Einbruch sein. Das heißt, wir brauchen jetzt entschiedenes Handeln und ein klares Konzept gegen die kommende Rezession.
Deshalb fordern wir als erstes ein Moratorium gegen weitere konsumtive Staatsausgaben. Es ist jetzt nicht die Zeit für teure Wahlgeschenke. Der Vorschriftendschungel, der Bürger und Wirtschaft gefangen hält, muss durchforstet und gelockert werden.
Wir brauchen Maßnahmen, die der Wirtschaft helfen, die Krise zu überwinden und in einen Wachstumsprozess überzugehen. Zusätzlich zur Coronakrise muss die Wirtschaft gleichzeitig auch die Herausforderungen der Digitalisierung und technischen Modernisierung bewältigen. Deswegen sind außergewöhnliche Maßnahmen notwendig.
Es gibt eine breite Palette von Maßnahmen, die man jetzt ins Auge fassen muss. Das wichtigste sind Instrumente zur Ankurbelung der Investitionstätigkeit: Dazu gehört die Möglichkeit in den nächsten beiden Jahren den Erwerb von beweglichen Wirtschaftsgütern sofort abschreiben zu können.
Das hilft den Investitionen im Inland. Ebenso gehört dazu die Unternehmenssteuerbelastung und Energiekosten auf das internationale Niveau der OECD-Länder abzusenken.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um den ohnehin verfassungswidrigen Solidaritätszuschlag gänzlich abzuschaffen. Das würde die Bürgerinnen und Bürger entlasten und mehr Liquidität insbesondere für die mittelständische Wirtschaft bringen.
Außerdem muss man bei der Umsatzsteuer von der Soll auf die Ist-Besteuerung übergehen. Statt einer letzte Woche beschlossenen Stundungsregelung muss die Abführung der Sozialabgaben dauerhaft auf das Monatsende festgelegt werden.
Diese Maßnahmen schaffen zusätzliche Liquidität für die Unternehmen, um deren Investitionsfähigkeit zu erhöhen. Die Arbeitszeitgestaltung muss in Hinblick auf Home-Office und andere Formen der Zusammenarbeit auf Dauer flexibilisiert werden. Nach dem Shutdown muss schnell und entschlossen gehandelt werden. Wir können uns aus der Krise nicht heraussparen, sondern müssen herauswachsen.
Es ist die Verantwortung des Parlaments sich schon heute auf die Handlungsalternativen nach der Corona-Krise vorzubereiten. Die Bürgerinnen und Bürger verdienen es, einen Ausblick zu bekommen, wann die Normalität zurückkehren kann und wie diese Normalität gesichert werden soll.