LINDNER-Statement: Acht bis zehn Wochen weiterer Lockdown ist keine Perspektive
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:
„[…] Die Frau Bundeskanzlerin hat nach Medienberichten heute vor Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion davon gesprochen, dass acht bis zehn weitere Wochen harter Maßnahmen dem Land bevorstünden. Sie hat davon gesprochen, dass es bis Ostern noch eine gefährliche Situation gäbe. Eine Perspektive, die jetzige Situation bis zu zehn Wochen fortzusetzen, halten wir für nicht verantwortbar. [...] Wenn Kinder und Jugendliche nicht in die Schule können, wenn die Wirtschaft nicht geöffnet werden kann, dann steigen die sozialen und wirtschaftlichen Schäden immer weiter. Unsere Forderung an die Bundesregierung ist, jetzt einen Stufenplan zu erarbeiten, wie das Land Schritt für Schritt regional auch wieder hochgefahren werden kann. Wir können nicht auf Dauer in diesem Schließungszustand verbleiben. Es muss Möglichkeiten geben, durch innovative Maßnahmen, durch Luftfilter, durch Schutz der vulnerablen Gruppen dafür zu sorgen, dass wir auch in dieser schwierigen und riskanten Phase wieder mehr gesellschaftliches Leben eröffnen können. Acht bis zehn Wochen weiterer Lockdown ist keine Perspektive. [...] Wir glauben, dass zumindest ein Stufenplan, der regional eine differenzierte Herangehensweise erlaubt, jetzt dringend Not tut. Die Bundesregierung bietet keine Perspektive. Sie ist gut dabei, Schließungen zu verordnen. Aber bei allem, was unternehmerisches Handeln und innovative Maßnahmen angeht, bleibt die Regierung Antworten schuldig. […]
Beim Impfen brauchen wir dringend Fortschritte. Ich begrüße es, dass es inzwischen eine breite Debatte darum gibt, auch unsere Möglichkeiten der pharmazeutischen Industrie zu prüfen. Noch vor wenigen Wochen hieß es, entsprechende Vorschläge der FDP, die seien unrealistisch. Nun hat der Bundesgesundheitsminister sich an die Pharmabranche gewandt. Der bayerische Ministerpräsident erhöht heute erneut das Tempo. Unser Vorschlag ist, einen Impfgipfel einzuberufen. Es sollten jetzt alle Beteiligten an den Tisch: die zuständige Bundesregierung, die pharmazeutische Industrie, der niedergelassene Bereich der Ärztinnen und Ärzte. […] Dringend nötig ist aber neben der Überwindung der logistischen Probleme, dass wir eine vernünftige Rechtsgrundlage für das Impfen haben. Die Sachverständigen sagen jetzt, dass die Impfreihenfolge auf der Basis nur einer Rechtsverordnung verfassungswidrig ist. Wir haben schon vor Weihnachten dringend gemahnt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Unsere Mahnungen sind in den Wind geschlagen worden und nun sagen alle Sachverständigen unisono: Wir brauchen dafür eine gesetzliche Grundlage. Das neue Begleitgremium, das Alexander Dobrindt vorschlägt, um diesen Mangel zu heilen, ersetzt nicht eine gesetzliche Grundlage. [...] Dem Mangel, dass es keine verfassungsrechtlich saubere Grundlage für die Impfpriorität gibt, kann umgehend Abhilfe geschaffen werden. Es gibt einen Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion im laufenden Verfahren. Wir müssen also nicht viel Zeit verlieren, sondern laden die Große Koalition herzlich ein, auf der Basis unseres vorliegenden Entwurfs diesen rechtlichen Mangel abzustellen […]
Wir haben gehört, dass die Novemberhilfen auch im Januar immer noch nicht ausgezahlt sind. Man muss sagen, dass die seinerzeitige Schließung der Gastronomie im November nur erfolgt ist, trotz der Bedenken einzelner Bundesländer, weil die Regierung schnelle Kostenkompensationen zugesagt hatte. Es gab damals große Bedenken, ob die Schließung der Gastronomie ohnehin eine Auswirkung auf das Infektionsgeschehen hat. Wir wissen heute, die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und die Todesfälle, die finden bei betagten und hochbetagten Menschen statt, aber nicht bei den jüngeren Jahrgängen. Insofern ist damals der Weg gewählt worden, für alle in der Breite zu schließen, aber der Schutz der vulnerablen Gruppen [...] wurde abgewiesen als nicht möglich, nicht erforderlich, nicht notwendig. Umgekehrt wäre es besser gewesen. […] Nun stellen wir fest: Erstens im Januar ist die Novemberhilfe nicht ausgezahlt und zweitens rückwirkend werden die Bedingungen für die Beseitigung, für die Kompensation der Schäden der Wirtschaft jetzt noch verändert. [...] Selbst die fachlich damit täglich zu tun habenden steuerberatenden Berufe sind empört wegen dieses Verwaltungsversagens, insbesondere des Bundeswirtschaftsministeriums, bei der Auszahlung der Novemberhilfen. [...] Unser konkreter Vorschlag, den ich noch mal erneuern will, ist, dringend über dieses komplizierte Modell hinaus unsere Finanzämter zu nutzen. Selbst der Bundeswirtschaftsminister ist inzwischen der Meinung, dass die Verluste des vergangenen Jahres gegenüber der Steuerschuld der Jahre 2019, 18, teils sogar 17 angerechnet werden muss. [...] Das wäre eine ganz schnelle, eine unmittelbare Hilfe für den Soloselbstständigen bis zur Industrie, vom Handwerk, den mittelständischen Betrieb. Das ginge mit hohem Tempo, ohne zusätzliche Antragsbürokratie, ohne zusätzliche Bewilligungsbehörden. […] Wir stehen sonst vor einer dramatischen Pleitewelle, die in ihrer Gefahr der Infektionswelle in nichts nachsteht. [...]
Die Bundesbildungsministerin hat vorgeschlagen, zukünftig an der Zuständigkeitsverteilung in unserem Bundesstaat in der Bildung etwas zu verändern. Frau Karliczek hält es für sinnvoll und nötig, dass der Bund stärker auch Verantwortung übernimmt für die Weiterentwicklung des Bildungssystems. Diese Wende der Ministerin ist zu begrüßen. Vor noch gut zwei Jahren haben wir hart gerungen um den Digitalpakt und um Möglichkeiten des Bundes, hier stärker sich zu engagieren. Seinerzeit mussten FDP und Grüne gemeinschaftlich bei der Grundgesetzänderung sozusagen die Unionsparteien zu ihrem Glück zwingen. Das war ein Segen, weil der [...] Digitalpakt nur deshalb möglich geworden ist. […] Dieser Wende sollten jetzt aber auch konkrete politische Taten folgen. Unser Vorschlag ist, dass wir noch einmal erneut miteinander ins Gespräch kommen. […]“