Stellv. Fraktionsvorsitzender

Zuständig für „Freiheit und Menschenrechte weltweit“: Auswärtiges, Angelegenheiten der Europäischen Union, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Verteidigung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Wir brauchen Europa in der Corona-Krise

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „SWR Aktuell“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herrler:

Frage: Hat die EU in der Corona-Krise versagt?

Lambsdorff: Die Europäische Union hat im Grunde am Anfang das getan, was ihre Mitgliedsstaaten von ihr wollten, nämlich so gut wie gar nichts. Wenn man in die Verträge reinschaut, sieht man, dass es bei der Bekämpfung von Seuchen praktisch keine Zuständigkeiten der Kommission im engeren Sinne gibt, weil die Mitgliedsstaaten das nie wollten. Die Kommission, das Parlament in Brüssel haben immer gesagt, wenn uns eine solche Krise mal ereilt, so wie wir die aus Asien kennen, eben von vor zehn Jahren oder 15 Jahren, dann müssen wir es gemeinsam machen. Aber die Mitgliedsstaaten haben gesagt, nein, das machen wir national und haben dann jetzt, in der aktuellen Krise, mit dem Finger nach Brüssel gezeigt, da sei zu wenig gekommen. Ich finde das in gewisser Weise scheinheilig. Übrigens hat sich auch unser eigenes Land, unsere eigene Bundesregierung da jedenfalls gerade nicht mit Ruhm bekleckert.

Frage: Und in Deutschland macht ja sogar, wenn wir an Schulöffnungen denken, jedes Bundesland sein eigenes Ding. Also unterm Strich: Brauchen wir die EU überhaupt in so einer Krise?

Lambsdorff: Doch! Wir brauchen natürlich die Europäische Union. Alleine, wenn man sich da mal klarmacht, dass Lieferketten unterbrochen werden, dass medizinisches Gerät an einer Stelle gelagert wird, wo es grad nicht gebraucht wird und woanders Menschen in Not sind. Da ist es natürlich gut, wir haben die Möglichkeit, in Brüssel darüber zu reden, wie wir solche Sachen ausgleichen. Deswegen war der Anfang dieser Zeit der Ausfuhrverbote und der zum Teil ja immer noch laufenden Grenzschließungen, das war eine Reihe von nationalen, hektischen Reaktionen, die waren wirklich nicht gerechtfertigt. Und ohne die Europäische Union, ohne die Kommission, die die Mitgliedsstaaten hier zur Ordnung gerufen hat, wäre das Ganze immer noch ziemlich schlimm. So ist es jetzt wenigstens etwas besser. Und Frau von der Leyen hat schon recht, es gibt ja viele praktische Maßnahmen der Hilfe, der Solidarität. Ich bin gerade in Bonn, hier in der Universitätsklinik werden italienische Patienten behandelt. Wir liefern medizinische Geräte quer durch Europa, das hat sie gestern auch gesagt. Rumänische und polnische Ärzte und Sanitäter helfen in Italien. Also mit anderen Worten: Es gibt eine ganze Menge, was passiert und das sind Geschichten, die man auch erzählen muss.

Frage: Und Ursula von der Leyen sagt auch, Europa sei in der Welt zum stark pochenden Herzen der Solidarität geworden, das wahre Europa stehe nun auf. Starke Worte, stimmen die denn auch?

Lambsdorff: Naja, wenn man diese praktischen Hilfen, von denen ich ein, zwei gerade schon mal erwähnt habe, anschaut, dann sieht man, dass da schon was dran ist. Also, das ist das Praktische, Medizinische, wo es in allererster Linie darum geht, Menschenleben zu retten. Da ist jetzt die Hilfe wirklich viel besser als zu Beginn der Krise, das ist richtig. Und das zweite ist der finanzielle Aspekt. Wenn man sich das Hilfspaket der Europäer anguckt, das da beschlossen worden ist, wenn man sich die Lockerung der Regeln aus dem Stabilitätspakt anschaut, wenn man sich auch die Lockerung der Ausgaberegeln für Mittel aus dem europäischen Haushalt anschaut, dann sehen wir, dass insgesamt finanziell keine Weltregion so viel Geld ausgibt, jetzt für die Vorbereitung der wirtschaftlichen Erholung und für die Bekämpfung der akuten Krise wie die Europäische Union. Ich finde, das ist auch eine ganz gute Geschichte. Und so ärgerlich der Anfang war und so ärgerlich auch gerade die Rolle Deutschlands war, mit dem ersten Vorpreschen in Sachen Ausfuhrverbote, so wird doch jetzt der Kurs einigermaßen korrigiert und ich finde das auch gut so.

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