Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Das Attentat ist ein Zeichen der Unsicherheit und Schwäche

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellt Andreas Herholz:

Frage: Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist mit einem chemischen Kampfstoff vergiftet worden. Die Spur dieses Mordversuchs führt in den Kreml, oder?

Lambsdorff: Es spricht leider viel dafür. Wir können es noch nicht abschließend nachweisen, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr groß.

Frage: Die Bundesregierung hat mit deutlichen Worten reagiert. Wo bleiben jetzt die Taten?

Lambsdorff: Die Kanzlerin hat in ungewohnter Klarheit von einem versuchten Giftmord gesprochen, zu dem nur die russische Regierung Antworten geben kann und muss. Es ist auch richtig, dass sie dieses Thema in EU und Nato ansprechen will. Ich finde aber, dass das diplomatisch nicht ausreicht. Russland muss jetzt in allen internationalen Gremien mit diesem Verbrechen konfrontiert werden, auch der UNO, der OSZE und dem Europarat. Es muss einfach deutlich gemacht werden, wie abscheulich dieser Mordversuch ist. Nawalny hat nie etwas Illegales getan, er hat auf dem Boden der russischen Verfassung Politik gemacht, und jetzt ist sein Leben in Gefahr.

Frage: Wie sollte jetzt eine angemessene Reaktion aussehen?

Lambsdorff: Die Bundesregierung berät dies jetzt mit den anderen EU-Partnern, um eine gemeinsame Reaktion zu entwickeln. Das ist der richtige Weg. Gerade Schweden, Polen und unsere baltischen Partner müssen eng einbezogen werden. Wenn man weiß, wer die Hintermänner sind, werden personenbezogene Sanktionen unumgänglich sein.

Frage: Soll die Bevölkerung durch solche Abschläge auf Oppositionelle eingeschüchtert werden?

Lambsdorff: Man versucht, in dem man einen Oppositionellen ausschaltet, alle anderen Kritiker und Oppositionellen einzuschüchtern und von ihrer Arbeit abzuhalten. Aber für mich zeigt der Fall Nawalny, wie nervös die Täter sein müssen: Im Kreml sieht man die Proteste in Belarus gegen die gefälschte Wahl, in Chabarowsk gehen die Menschen seit Wochen gegen die Regierung in Moskau auf die Straße. Auch die landesweiten Proteste von 2018 gegen die Pläne einer Rentenreform sind den Machthabern im Kreml noch immer in Erinnerung. Das Attentat an Nawalny ist deshalb kein Zeichen der Stärke, sondern eher der Unsicherheit und der Schwäche.

Frage: Ist unter diesen Bedingungen noch eine Fertigstellung des Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2 mit den Russen vorstellbar?

Lambsdorff: Darüber müssen wir jetzt ernsthaft mit unseren europäischen Partnern reden. Ein einfaches „Weiter so“ kann es nicht geben. Hier geht es ja nicht, wie die Kanzlerin monatelang immer wieder behauptet hat, um ein privatwirtschaftliches Projekt, sondern um russische Außenpolitik, um geopolitische Interessen Moskaus. Darauf muss der Westen eine Antwort finden. Jetzt braucht es ein Moratorium, einen Stopp der Bautätigkeit, bis wir den Fall Nawalny aufgeklärt haben.

Frage: Kann man noch länger von einer Partnerschaft mit Russland reden?

Lambsdorff: Der Begriff einer strategischen Partnerschaft ist schon lange irreführend, denn Russland akzeptiert die Ordnung nicht, die sich Europa nach dem Kalten Krieg gegeben hat. Viele in Moskau akzeptieren im tiefsten Herzen auch die Unabhängigkeit von Ländern wie Belarus oder der Ukraine nicht. Moskau versucht deshalb, die Nachkriegsordnung in Frage zu stellen, das sehen wir in Georgien, Moldawien, der Ukraine und jetzt auch in Belarus. Ich hoffe dennoch sehr, dass man sich in Moskau eines Tages eines Besseren besinnt.

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