DÜRR: Wir sollten die Kernfusion ermöglichen
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Igor Steinle:
Frage: Welche Botschaft soll vom Parteitag an die Wähler ausgehen?
Christian Dürr: Deutschland hat sich viele Jahre lang Klimaziele gesetzt, aber nichts dafür getan, sie einzuhalten. Das ändern wir. Denken Sie an die Zukunft des Verbrenners, dem wir mit synthetischen Kraftstoffen eine klimaneutrale Chance geben wollen. Wir werden über die Stromversorgung der Zukunft sprechen, Stichwort Einstieg in die Kernfusion: Deutschland muss endlich wieder Zukunftsfragen beantworten und nicht nur überlegen, aus welchen Technologien dieses Land aussteigen soll.
Frage: Auf der Automobilmesse in Shanghai wird der Rückstand Deutschlands bei der E-Mobilität deutlich. Erweisen Sie der Autoindustrie mit der E-Fuel-Debatte nicht einen Bärendienst?
Dürr: Ich möchte niemandem synthetische Kraftstoffe vorschreiben, sondern die Möglichkeit dafür eröffnen. Es wird am Ende einen Mix unterschiedlicher Technologien geben. Die Vergangenheit hatte Kohle, Gas, Erdöl. In der Zukunft wird es Erneuerbare Energien, synthetische Kraftstoffe und Batterien geben. Der Glaube, es gebe nur einen einzigen Lösungsweg, der staatlich vorgegeben werden müsste, ist abwegig.
Frage: Wecken Sie mit der Kernfusion nicht falsche Hoffnungen? Es heißt seit 40 Jahren sie komme in 40 Jahren.
Dürr: Der Unterschied zu damals ist, dass private Unternehmen inzwischen bereit sind, ins Risiko zu gehen. Es gibt in Deutschland Start-ups, die investieren wollen. Die Lasertechnologie hat einen Sprung nach vorne gemacht, weswegen die technische Anwendung näher rückt. Aber nochmal, ich bin nicht derjenige, der Technologien vorgibt, sondern Technologien ermöglichen möchte. Ein deutscher Sonderweg, der sich auf Wind- und Sonnenenergie verengt, wird weder klimapolitisch noch wirtschaftlich zum Erfolg führen. Wir sollten die Kernfusion durch Gesetzgebung ermöglichen.
Frage: Wird Verkehrsminister Wissing noch ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen?
Dürr: Der Auftrag des Koalitionsausschusses ist es, das Klimaschutzgesetz zu ändern, mit dem Ziel, die Klimaziele zu erreichen. Der CO2-Ausstoß in Deutschland soll insgesamt betrachtet werden, nicht für einzelne Bereiche, die dann planwirtschaftliche Soll-Ziele erfüllen sollen.
Frage: Der Klimarat warnt, eine solche Reform würde gegen den Klimabeschluss des Verfassungsgerichts verstoßen.
Dürr: Ich habe das Verfassungsgericht immer so verstanden, dass die Klimaziele erreicht werden sollen und nicht irgendwelche juristischen Paragraphen erfüllt werden. Nehmen Sie etwa die Mobilität: Der Strom für E-Autos kommt aus dem Stromsektor, aber das Auto ist im Verkehrssektor unterwegs. Allein das Beispiel zeigt, dass die planwirtschaftliche, sektorale Betrachtung absolut unsinnig ist.
Frage: Seit dem Koalitionsausschuss scheint es eine neue Dynamik in der Ampel zu geben. Eine Nähe zwischen FDP und SPD ist deutlich geworden. Haben Sie mit Kanzler Scholz nun einen Partner gefunden, um Klimaschutz zu verhindern?
Dürr: Nein, im Gegenteil, weder Olaf Scholz noch die FDP wollen Klimaschutz verhindern, wir wollen Klimaschutz endlich erreichen. Die Große Koalition hat stets hehre Ziele aufgeschrieben, man hat planwirtschaftlich gesteuert und stellt jetzt fest, dass andere Länder, die mehr Technologien zulassen, die Klimaziele besser erreichen als Deutschland. Das stellt den Kanzler nicht zufrieden und die FDP eben auch nicht.
Frage: Trotzdem sind die letzten fünf Landtagswahlen sehr schlecht für die FDP ausgegangen. Sind Sie zu sehr Dagegen-Partei?
Dürr: Wir sind dafür, dass auch der Verbrenner eine klimaneutrale Zukunft hat. Wir sind dafür, dass es in der Kerntechnologie neue Formen der Stromproduktion geben kann, beispielsweise Kernfusion. Wir sind für die Zulassung von synthetischen Kraftstoffen. Wir sind für mehr Digitalisierung im Straßenverkehr. Wir sind dafür, mehr bei der Bildung zu tun und verteidigungsfähiger zu werden. Ich kann hier nur Dafür erkennen und kein Dagegen.
Frage: Werden Sie bei der nächsten Bundestagswahl als Ampel antreten?
Dürr: Die Dinge, die wir jetzt anstoßen, sind manchmal nicht leicht, insbesondere da in diesem Land so lange nichts passiert ist. Man regiert aber natürlich auch mit dem Ziel, die Arbeit fortsetzen zu wollen, das ist doch ganz klar.