DÜRR-Interview: Wirtschaftspolitik für Wohlstand in den kommenden Jahrzehnten
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem "FOCUS" (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Jan-Philipp Hein und Janna Claudia Wolf.
Frage: Ist die FDP eine liberale oder eine libertäre Partei?
Dürr: Ganz klar: Wir sind eine liberale Partei. Wir sind uns immer treu geblieben und wollen nicht den einfachen Weg gehen, indem man einfach mehr Schulden macht. Das hat ja auch zu Stress in der Koalition geführt.
Frage: Warum bezieht sie sich dann auf libertäre Ikonen wie Musk und Milei?
Dürr: Es geht etwa um die Frage, ob wir bei der Bürokratie eine echte Disruption schaffen. Mir sagen Unternehmer dauernd, wie es sie frustriert, dass der Staat ihnen Steine in den Weg legt, wenn sie ins Risiko gehen. Wir haben sehr viel Wettbewerbsfähigkeit verloren. Da stellt sich die Frage nach den Rahmenbedingungen.
Frage: Und die Antworten liefern Milei und Musk?
Dürr: Christian Lindner und ich teilen nicht deren politische Einstellungen. Darum geht es auch nicht, sondern um ein bisschen mehr Disruption in Deutschland. Wir können uns doch nicht damit zufriedengeben, dass wir dauernd weiter zurückfallen.
Frage: Aber man überlegt doch sehr genau, wen man als Ideengeber nennt.
Dürr: Musk und Milei sind sicherlich Populisten und große Reformen sollten wir gerade nicht Populisten überlassen. Man kann sich klug etwas von ihnen abschauen, ohne populistisch zu sein. Dafür steht die FDP. Es gab übrigens mal Zeiten, in denen Sozialdemokraten und Unionsleute ganz scharf auf Bilder mit Musk waren. Haben wir nie gemacht.
Frage: Macht Milei nicht Politik nur für Reiche?
Dürr: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Milei kann aus meiner Sicht zumindest auf einige Erfolge zurückblicken, beispielsweise eine Eindämmung der Inflation. Die trifft gerade Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die es schwerer haben. Es wäre ein Riesenfehler, wenn die deutsche Politik unter Verweis auf die beiden auf Reformen verzichtet und immer nur weitere Schulden macht.
Frage: Macht Existenzangst die FDP anfällig für radikale Ideen?
Dürr: Wenn marktwirtschaftliche Reformpolitik in Deutschland bei den anderen Parteien als radikal gilt, sagt das mehr über die als über uns. Wir haben da ein klares Angebot.
Frage: Guter Trick. Aber es steht doch nicht die Reformpolitik in der Kritik, sondern der Bezug auf Radikale.
Dürr: Ich würde mir wünschen, dass bei anderen die Reformpolitik im Fokus stehen würde. Stattdessen denkt die Union über ein Aufweichen der Schuldenbremse und Steuererhöhungen nach.
Frage: Christian Lindner ist seit fast drei Legislaturperioden Parteichef. Ist es Zeit für eine Disruption an der Parteispitze?
Dürr: Christian Lindner steht genau für die Reformpolitik, die ich gerade beschrieben habe. Olaf Scholz durfte einst nicht Parteichef werden und bis vor wenigen Wochen haben viele gesagt, dass er auch als Kanzlerkandidat ungeeignet sei. Wir sind klar positioniert und haben den richtigen Spitzenkandidaten und Parteivorsitzenden.
Frage: Der noch unbeliebter ist als Scholz.
Dürr: Es gibt unterschiedliche Umfragen, aber ich will mich gar nicht über Demoskopie streiten. Das Regierungsbündnis ist insbesondere wegen der Gradlinigkeit von Christian Lindner beim Thema Schuldenbremse auseinandergebrochen. Genau diese Gradlinigkeit ist es doch, die Menschen in der deutschen Politik vermissen.
Frage: Was sind die drei wichtigsten Themen des FDP-Wahlkampfs?
Dürr: Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Das heißt: Wohlstand in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten. Wir hatten 15 Jahre keine echte Reformpolitik, das muss eine kommende Bundesregierung ändern. Deshalb ist die Koalition ja auch auseinandergebrochen.
Frage: 2021 ging es in der FDP-Kampagne neben Wirtschaft und Wohlstand um gesellschaftspolitische Ideen, damit haben Sie vor allem junge Menschen überzeugt.
Dürr: Darum geht es uns seit jeher. Mir sind viele wirtschaftspolitische Debatten zu verengt. Es geht doch konkret um Lebenschancen von Familien oder die Altersvorsorge für junge Menschen. Wir sind die Einzigen, die Vorschläge machen, um Wohlstand auch für die heutige junge Generation zu schaffen. Es geht um die Frage, ob man der Pilot seines eigenen Lebens sein kann.
Frage: Aber warum sagt die FDP das so nicht?
Dürr: Das kam angesichts hektischer Debatten in der Koalition in den letzten Wochen zu kurz. Deshalb tue ich es jetzt.