Fraktionsvorsitzender
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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Haben historische Chance, wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung zu treffen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der „Neue Osnabrücker Zeitung“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Rena Lehmann.

Frage: Herr Dürr, fühlen Sie sich ebenso befreit nach dem Ampel-Bruch wie Christian Lindner? 

Dürr: Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht in der Sache. Wir haben seit Wochen dafür geworben, dass es eine Richtungsentscheidung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik braucht. Unsere Koalitionspartner hatten nicht den Mut und die Kraft, sie zu treffen. Jetzt ist klar, dass die Wählerinnen und Wähler sie treffen werden.

Frage: Ist die FDP grundsätzlich noch regierungsfähig? Das Wunschbündnis Schwarz-Gelb endete 2013 damit, dass sie aus dem Bundestag flog.  2017 wollten sie Jamaika nicht. Den Ampel-Bruch jetzt haben Sie auch provoziert….

Dürr: Wir haben doch in den letzten drei Jahren gezeigt, dass wir regierungsfähig sind. Wir haben immer wieder Kompromisse gesucht und uns an der Sache orientiert. Vieles ist ja auch gelungen, wie zum Beispiel die Planungsbeschleunigung. 2017 ist Jamaika daran gescheitert, dass Frau Merkel grüne Politik machen wollte. Dafür war die FDP nicht zu haben. In der Ampel hat es weniger grüne Politik gegeben als in der Zeit von Frau Merkel. 

Frage: Ihr früherer Parteifreund Volker Wissing warnt: Die politische Mitte entkerne sich selbst, wenn sowohl Ampel- als auch Jamaika-Bündnisse nicht mehr vorstellbar sind. Hat er da nicht einen Punkt? 

Dürr: Ich sehe das anders. Wir haben doch jetzt die historische Chance, wirtschaftspolitisch eine Richtungsentscheidung zu treffen. Die Wirtschaftspolitik war ja am Ende auch der inhaltliche Grund, warum die Ampel zerbrochen ist. Wir wollten wirtschaftliche Reformen statt neuer Schulden, der Kanzler wollte das Gegenteil. Ich glaube, dass bei dieser Bundestagswahl sehr viel mehr Klarheit über die Positionen herrscht als 2021. 

Frage: Hat Olaf Scholz nicht aber Recht, wenn er den Kompromiss hochhält und sich gegen eine Entweder-Oder-Politik ausspricht?

Dürr: Kompromisse sind wichtig, aber sie dürfen doch nicht dazu führen, dass das Land auf der Stelle tritt. Und das tut es gerade. Wir haben manches vorangebracht bei der Entbürokratisierung und der Entlastung der Bürger, aber für eine echte wirtschaftliche Dynamik hat es in dieser Koalition nicht gereicht. Inzwischen sind in Deutschland Tausende Jobs bedroht. Ich glaube, es gibt jetzt bürgerliche Mehrheiten für eine andere Wirtschaftspolitik. Die CDU hat sich unter Friedrich Merz der FDP angenähert und einen marktwirtschaftlicheren Kurs eingeschlagen. Den erwarten die Menschen in Deutschland jetzt auch. 

Frage: Auch für die Union ist die Schuldenbremse, an der die Koalition letztlich zerbrochen ist, nicht unantastbar. Wer soll mit Ihnen regieren wollen, wenn Sie an der Stelle zu keinem Kompromiss bereit sind? 

Dürr: Die Schuldenbremse mag bei manchen Parteien nicht beliebt sein – aber die große Mehrheit der Bürger befürwortet sie. Und sie beweist doch gerade ihre Flexibilität. Es wird immer so getan, als verhindere sie Investitionen, dabei lässt sie doch große Spielräume. Wir hatten vor, 2025 die Investitionen in Straße, Schiene, Digitalisierung deutlich auszuweiten. 20 Prozent des Bundeshaushalts - unter Einhaltung der Schuldenbremse, das ist ein Rekord. Die Schuldenbremse hat uns gut durch die letzten drei Jahre gebracht. Sie hat geholfen, die Inflation zurückzudrängen. Die Schuldenbremse bremst vor allem eins: Quatsch-Ausgaben! 

Frage: Sind Hilfen für die Ukraine Quatsch-Ausgaben?

Dürr: Nein, im Gegenteil. Der Bundeskanzler verbreitet über den Abend des Koalitionsbruchs Legenden. Er wollte drei Milliarden Euro zusätzlich für die Ukraine haben, was ich ihm zugesagt habe. In einem Haushalt von 488 Milliarden wäre das absolut machbar gewesen. Aber nicht 15 Milliarden, die Scholz wollte, um mit den übrigen 12 Milliarden noch SPD-Projekte zu verwirklichen. Außerdem: Wenn die Situation in der Ukraine dramatisch ist, dann braucht es ja nicht in erster Linie Geld. Wir haben vorgeschlagen, ihr endlich Taurus-Marschflugkörper zu liefern. 

Frage: Sie mussten wissen, dass das für den Kanzler eine rote Linie ist. Und damit ist er nicht allein. Aber wenn Sie das wirklich wollen, könnten Sie Taurus-Lieferungen doch jetzt im Bundestag zur Abstimmung stellen?  

Dürr: Das wäre eine Möglichkeit. Und ich kann mir durchaus vorstellen, wenn ich mir die Aussagen von Union und Grünen anschaue, dass so ein Antrag Erfolg haben könnte.

Frage: Herr Scholz und Herr Lindner überziehen sich seither mit Vorwürfen. Wie lautet Ihre Selbstkritik? 

Dürr: Ich würde eher sagen, dass Olaf Scholz sich deutlich im Ton vergriffen hat. Ich gebe zu: Wir hätten schon nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, als uns plötzlich 60 Milliarden Euro fehlten, miteinander reden müssen, welche Wunschprojekte noch zu realisieren sind und welche nicht. Da haben wir unsere Koalitionspartner geschont, und das war ein Fehler, denn unsere Vorstellungen von Finanzpolitik klaffen weit auseinander. 

Frage: Der Fraktionschef der SPD, Mützenich, hat eingeräumt, dass es ein Murren über Scholz gibt. Gibt es In der FDP keinerlei Murren über Christian Lindner? 

Dürr: Im Gegenteil. Christian Lindner hat am 6. November im Kanzleramt Mut und Geradlinigkeit bewiesen. Er hat die Bedeutung der Schuldenbremse und die Bekämpfung der Wirtschaftskrise über sein eigenes Amt gestellt. Das findet nicht nur in der FDP, sondern auch in der Bevölkerung Anerkennung. 

Frage: Olaf Scholz hat den Ihrer Partei sehr wichtigen Ausgleich der kalten Progression, die Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag und die Wachstumsinitiativen, die in der Koalition bereits geeint waren, als Projekte genannt, die jetzt noch beschlossen werden sollten. Wer soll verstehen, wenn Sie da jetzt nicht mitstimmen? 

Dürr: Wenn es wie beim Ausgleich der kalten Progression um die Entlastung der hart arbeitenden Mitte geht, wird die FDP niemals Nein sagen. Wenn isoliert darüber abgestimmt wird, also nur über die Entlastung oder Maßnahmen für Wachstum, sind wir dabei. Wenn aber Sozialdemokraten und Grüne die Abstimmung mit neuen Subventionen oder anderen Vorhaben verbinden, dann wird das mit uns nicht gehen. Wir schauen uns das an. Blankoschecks wird es von der FDP für die Rest-Ampel nicht geben. 

Frage: Friedrich Merz wettert gegen Windräder, Sie wollen das Klimaziel 2045 verschieben. Würde in einer bürgerlichen Koalition, wie Sie Ihnen mit der Union vorschwebt, der Klimaschutz rückabgewickelt? 

Dürr: Bisher hat Deutschland nationale Alleingänge gemacht, die dem Klima wenig nützen. Es wäre eine Chance, realistische Klimapolitik zu machen und sie zu europäisieren. Wir brauchen keine ambitionierteren Klimaziele als andere. Das führt nur dazu, dass Deutschlands Wirtschaft besonders hart getroffen wird und andere, die erst später klimaneutral werden, belohnt werden. Das Klima retten wir so nicht. 

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