Dr. Marco Buschmann
Pressemitteilung

BUSCHMANN-Interview: Wir sind für eine digitale Schulpflicht für den Staat

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Alfred Schmit:

Frage: Diese Woche gab es eine Weichenstellung in der FDP-Spitze. Linda Teuteberg soll abgelöst werden als Generalsekretärin. Volker Wissing, Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, soll den Job als Generalsekretär künftig machen. Wirtschafts-Wahlkämpfe stehen bevor. Da erscheint diese Personalie erstmal sinnvoll. Aber mal im Ernst, hätte es nicht geordneter passieren müssen? Es ging doch ziemlich ruckartig, Frau Teuteberg äußerte sich verstimmt. Wie gelungen fanden Sie die ganze Aktion?

Buschmann: Ach ja, man wünscht sich natürlich immer ganz einvernehmliche Lösungen. Und insofern kann man alles besser machen. Aber das Entscheidende ist ja, was dabei rauskommt. Und das ist, dass wir mit dem Volker Wissing wirklich einen großartigen Mittelstürmer da jetzt haben. Der hat Regierungserfahrung, der hat über die Parteigrenzen hinweg anerkannte Wirtschaftskompetenz. Und ich kenne ihn ja auch persönlich. Das ist ein toller Mannschaftsspieler, auch ein toller Kollege, wenn ich das so sagen darf. Und deshalb ist das, glaube ich, eine Verstärkung.

Frage: Hier im Bundestag hat die FDP-Fraktion mehrmals Kritik geübt an der Corona-Krisen-Politik der Bundesregierung. Mal ein Beispiel – die FDP möchte, dass Solo-Selbständige bessere Hilfe bekommen, auch mehr Geld bekommen, die wirtschaftlichen Folgen zu bewältigen. Wo hätte denn die FDP noch Ideen, die aus Ihrer Sicht besser wären als das, was jetzt gerade passiert?

Buschmann: Ja, wir sind beispielsweise für eine digitale Schulpflicht für den Staat. Dass also nicht nur die Schülerinnen und Schüler verpflichtet sind, in die Schule zu gehen, was sie ja zum Teil im Moment gar nicht können, wenn der Unterricht noch nicht gestartet ist, sondern dass jede Schülerin, jeder Schüler einen Anspruch darauf hat, auch auf digitalen Unterricht. Das bedeutet, man braucht nicht nur Kabel und Computer, man braucht pädagogische Konzepte dafür. Man braucht Endgeräte dafür für die Kinder, die sie auch zu Hause nutzen können. Und da gibt es wunderbare Möglichkeiten. Wir haben ja im letzten Jahr die Verfassung geändert. Das heißt, der Bund könnte ja viel stärker helfen. Und wir finden es sehr schade, dass die Bundesregierung von diesen neuen Möglichkeiten nicht so viel Gebrauch macht, wie sie könnte. Das ist beispielsweise ein ganz konkreter Vorschlag, der uns bei der Bildung und bei der Digitalisierung deutlich voranbringen würde.

Frage: Jetzt wird in dieser Legislaturperiode noch mehr am Klimaschutz getan, will uns die Kanzlerin erzählen, weil es auch ein Teil der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands sei. Diese Woche waren auch zwei prominente Klimaaktivistinnen zu Besuch bei der Kanzlerin. Nun hat Ihre Partei immer auf Innovation und Zertifikate-Handel hauptsächlich gesetzt, was effektiv ist, aber schwer zu erklären. Was könnten Sie zur Klimadebatte beisteuern, ohne dass Leute dann sagen: „Ja, danke, das können eigentlich die Grünen besser.“

Buschmann: Na ja, Sie haben es ja in Ihrer Frage schon erläutert. Wir setzen uns ja für diesen Zertifikate-Handel ein, nicht weil das für uns ein Fetisch ist, sondern es ist ein Instrument, das die Europäische Union schon seit vielen Jahren praktiziert. Und deshalb haben wir Erfahrungswerte damit. Und die Erfahrungswerte zeigen, dass das das erfolgreichste Instrument ist, um den CO2-Ausstoß – das ist ja das Treibhausgas, was den Klimawandel vorantreibt – zu reduzieren. Es ist sogar so, dass der Zertifikate-Handel so erfolgreich war, dass er alle Erwartungen übertroffen hat – hat deutlich über 30 Prozent, fast 40 Prozent der Emissionen gesenkt. Und was wir jetzt sagen – wenn es ein so tolles, erprobtes, erfolgreiches Instrument gibt, dann lasst uns das doch nehmen und auf diejenigen Wirtschaftsbereiche übertragen, wo es noch nicht gilt. Und das finde ich ist ein so plausibles, überzeugendes Konzept, das sich lohnt, dafür zu streiten, selbst wenn es vielleicht ein bisschen komplizierter zu erklären ist. Es ist einfach unglaublich gut, auch aus der Sicht von Forscherinnen und Forschern, die sich damit beschäftigen und einfach vor dem Hintergrund der Fakten. Und es nutzt eben den Erfindergeist und das nutzt so ein bisschen den Anreiz, dass man eben dann auch Geld damit verdienen kann, wenn man das Klima schützt. Und was gibt es denn Tolleres, als wenn man diese beiden Dinge zusammenführt, nämlich: Klimaschutz und Wohlstand nicht gegeneinander stellen, sondern wenn man die so miteinander verbindet, dass sie sich gegenseitig verstärken. Und das ist eine so faszinierende Idee, die eben nicht Wolkenkuckucksheim ist, sondern wirklich schon seit Jahren bewiesen hat, dass sie funktioniert, dass wir uns da so sehr hinter klemmen.

Frage: Nun sitzen in diesem Bundestag 709 Abgeordnete aktuell. Es könnten sehr viel mehr werden, wenn denn tatsächlich es nicht gelingt, noch auf den letzten Drücker eine Wahlrechtsreform irgendwie umzusetzen. Was wäre denn aus Ihrer Sicht die beste Idee, da tatsächlich eine echte Reform zu erreichen?

Buschmann: Ja, also auch da haben wir ja einen Gesetzentwurf vorgelegt. Den haben wir erarbeitet mit zwei anderen Fraktionen, Grüne und Linke. Daran erkennen Sie schon, weil das ja eine ungewöhnliche Konstellation ist, dass es um ein Modell ging, das fair alle Interessen aller Parteien berücksichtigt. Und das ist, sagen wir mal, die erste Voraussetzung, dass man kein Wahlrecht macht, das eine Partei systematisch bevorzugt, sondern das wettbewerbsneutral ist, damit die Wählerinnen und Wähler die Entscheidung treffen und nicht ins Wahlrecht irgendwie eine Bevorzugung eingebaut ist. Also einen solchen Gesetzentwurf gibt es. Der würde auch sicherstellen, dass der Bundestag nicht weiterwächst, sondern auch kleiner würde. Leider hat die große Koalition viele Monate die Beratungen boykottiert und jetzt auf den letzten Drücker will … Ja, man kann gar nicht sagen, ob sie, ob die große Koalition, was machen will. Die Union macht Vorschläge. Die SPD sagt, sie will nicht. Meiner Meinung nach müssen wir das Zeitfenster, das wir noch haben, nutzen. Noch ist es möglich, diesen XXL-Bundestag zu verhindern. Also haben wir auch die Pflicht, das zu tun. Denn es wäre schon eine große Blamage für die Handlungsfähigkeit der Politik insgesamt, wenn dieser XXL-Bundestag eintreten würde. Und da müssen sich jetzt alle am Riemen reißen. Da geht es jetzt nicht um die Interessen einzelner Parteien, sondern um das Ansehen der seriösen Politik insgesamt. Denn machen wir uns nichts vor, wenn es dazu käme, sind natürlich die Populisten die Ersten, die auf den Tischen tanzen und sagen, die kriegen nix hin. Und das kann in niemandes Interesse sein.

Frage: Zahlreiche Landtagswahlen stehen auf dem Programm fürs nächste Jahr. Mitte März Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, später im Jahr auch die Bundestagswahl. Und mittendrin Thüringen, wo ja erneut gewählt wird. Thomas Kemmerich von der FDP kam kurz ins Amt des Regierungschefs, dort mit Stimmen der AfD – trat später zurück. Wie gut oder schlecht ist denn das Verhältnis zwischen Ihnen hier auf der Bundesebene und der Landes-FDP und der Fraktion in Thüringen?

Buschmann: Na ja, ich meine, da ist die Lage klar. Ich selber habe ja auch öffentlich erklärt, dass der ganze Geschehensablauf ein schlimmer Fehler und auch ein großer Schaden für die FDP war. Ich bin auch der felsenfesten Überzeugung, dass es das Beste für die FDP, aber auch für Thomas Kemmerich als Mensch wäre, wenn er sich da jetzt aus dem Spiel nähme. Denn er hat ja berichtet auch, welchen Anfeindungen er da ausgesetzt ist. Und das ist ja ein Hinweis darauf, wie umstritten seine Entscheidungen da sind. Und ich glaube, das würde ihm guttun und der FDP guttun.

Frage: Jetzt sind diese Woche zwei Personalentscheidungen in der FDP gefallen, die Ihre Partei ein Stück näher an die Möglichkeit einer Ampelkoalition hier auf Bundesebene bringen könnte. Also Volker Wissing soll neuer Generalsekretär werden. Er ist Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz in einer Ampelkoalition. Harald Christ, ebenfalls Rheinland-Pfälzer, wird Bundesschatzmeister. Er war früher bei der SPD. Wie würde Ihnen denn so eine Art Neuauflage einer sozialliberalen Koalition hier gefallen?

Buschmann: Also erst mal ist es ganz toll, dass wir diese beiden Kollegen jetzt in der Bundesspitze haben. Harald Christ ist ja ein sehr erfolgreicher Unternehmer, der hat das Unternehmen auch nicht geerbt, der hat es selber aufgebaut. Und das ist ja auch ein Beleg dafür, dass wir attraktiv sind für Menschen, die sich durch eigene Hände Arbeit was aufbauen wollen. Das muss nicht immer das Unternehmen sein. Das kann auch der normale Arbeitsplatz sein, weil die Leistungsgerechtigkeit ja, sagen wir mal, schon ein Identitätskern der FDP ist. Und wie ist das mit Koalition? Ich sehe das eigentlich relativ nüchtern. Wir regieren in Schleswig-Holstein mit einer Jamaika-Konstellation. Wir haben in Nordrhein-Westfalen Schwarz-Gelb, und wir haben in Rheinland-Pfalz eine Ampel. Was lernt man daraus? Wir wollen möglichst viel von unseren Inhalten umsetzen. Wenn wir Partner finden, mit denen das fair gelingt, wo faire Kompromisse gelingen, da machen wir das. Und da sind die Farben nicht so wichtig, sondern die Inhalte, auf die man sich einigt. Ich gebe allerdings zu, dass bei der SPD, so wie sie auf Bundesebene aufgestellt ist, da gibt es ja sehr große Unterschiede zu Rheinland-Pfalz, in Rheinland-Pfalz haben wir eine sehr bodenständige SPD mit auch einer langen Tradition, immer wieder auch mit der FDP zusammen zu arbeiten. Das ist bei der Bundes-SPD nicht der Fall. Schauen Sie sich die beiden Vorsitzenden an, die werben für Bündnisse mit der Linkspartei, die Reden von Vermögenssteuern, also von einer stärkeren Besteuerung der Bürgerinnen und Bürger, obwohl das in der Corona-Krise totales Gift wäre. Da fehlt mir im Moment noch so ein bisschen die Fantasie, wie das am Ende funktioniert. Mit Herrn Scholz als Person ist es sicherlich einfacher. Aber lassen wir uns mal überraschen. Am Ende zählen die Inhalte und die Kompromissfähigkeit.

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