BUSCHMANN-Gastbeitrag: Nie wieder too big to fail
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
In der Finanzkrise von 2008 drohten große Finanzinstitute zu kollabieren. Um Schäden für die Realwirtschaft zu vermeiden, wurden sie politisch mit dem Geld der Steuerzahler „gerettet“. Das führte zur sogenannten „Too big to fail“-Problematik. Denn solche politischen Maßnahmen senden eine zweifelhafte Botschaft: Wer groß genug ist, muss sich keine Sorgen mehr machen, insolvent werden zu können. Notfalls rettet eben die Politik mit dem Geld der Steuerzahler. Das verändert das Kalkül der Betroffenen. Wer nicht mehr mit seiner wirtschaftlichen Existenz haftet, ist geneigt, verantwortungslose Risiken einzugehen. Ökonomen sprechen auch von „moral hazard“, also einer „moralischen Gefahr“. Die Politik hatte sich daher parteiübergreifend geschworen, dass „Too big to fail“-Problem in den Griff zu bekommen. Nie wieder sollten sich in Zukunft Institute darauf verlassen können, dass andere sie retten, wenn sie unseriöse Risiken eingehen.
Was für Banken gilt, gilt grosso modo auch für Staaten. Es kam zur Euro-Krise, weil einige Mitglieder der Währungsunion massiv Schulden aufgetürmt haben – vornehmlich, um Gefälligkeitspolitik auf Pump zu finanzieren. Die Politik dort hatte geliehenes Geld ausgegeben, um Mehrheiten zu erkaufen, die künftige Generationen zurückzahlen sollten. Diese Variante des „moral hazard“ ist übrigens der Grund, warum das Grundgesetz eine Schuldenbremse kennt.
Freilich kann man Staaten nicht einfach „pleitegehen“ lassen. Denn der Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung wäre mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung verbunden, die sich moralisch nicht rechtfertigen lassen. In diesem Dilemma gibt es nur eine pragmatische Auflösung: Hilfe gegen Selbsthilfe. Nur wer sich anspruchsvollen Auflagen unterwirft, die sicherstellen, dass einerseits große eigene Anstrengungen unternommen werden, um die Situation wieder zu bereinigen, und die andererseits klarmachen, dass sich das Geschäftsmodell nicht nachhaltiger Politik nicht lohnt, kann mit fremder Hilfe rechnen. Bei der Formulierung und Überwachung solcher Auflagen hat der Internationale Währungsfond (IWF) die größte Erfahrung. Er war und ist daher auch im Rahmen der Euro-Rettung unverzichtbar.
Leider verdrängen Politiker der großen Koalition diese Einsicht zunehmend. Das zeigte sich bereits im Verlauf der Euro-Krise. Und nun die Türkei. Die Antwort der internationalen Kapitalmärkte ist klar: Wo kein Verlass auf Recht und Gesetz ist, da investiert man nicht, weil man ohne verlässliches Recht auch keine guten Geschäfte machen kann. Die wirtschaftliche Entwicklung und der Kurs der Landeswährung Lira brachen daraufhin ein. Wer eine Diktatur einführt, darf nicht mit ökonomischem Applaus rechnen. Für das moralische Dilemma, das daraus folgt, gelten keine neuen Regeln. Vielmehr muss auch hier gelten: Hilfe gegen Selbsthilfe.