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SUDING-Interview: Wo ist die Bildungsministerin?
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding gab „t-online.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Tim Kummert und Maria Holzhauer:
Frage: Frau Suding, der Unterricht an Deutschlands Schulen läuft mit kleinen Einschränkungen bislang weiter. Finden Sie das richtig?
Suding: Die Lage entwickelt sich fast stündlich weiter. Es kann bald so weit sein, dass es unverantwortlich wäre, den Unterricht normal weiterlaufen zu lassen. Dann müssen die Schülerinnen und Schüler digital unterrichtet werden.
Frage: Ist das möglich?
Suding: Es rächt sich jetzt, dass bei der digitalen Bildung bisher im Schneckentempo gearbeitet wurde: Viele Lehrer sind für den Umgang mit digitalen Lehrmethoden nicht geschult, es fehlen technische Geräte und Lehrmaterialien. Unklar ist auch, wie der Schutz sensibler Schülerdaten gewährleistet wird.
Frage: Also haben die Schulen keine Möglichkeit, jetzt Unterricht in digitaler Form anzubieten?
Suding: Die technischen und rechtlichen Voraussetzungen sind denkbar schlecht.
Frage: Könnte man nicht mit sofortigen Änderungen Abhilfe schaffen – beispielsweise ein iPad für jeden Schüler?
Suding: Tablets allein reichen nicht aus. Das eigentliche Problem ist, dass es generell zu langsam vorwärts geht: Bereits 2016 hat die damalige Bundesbildungsministerin den Ländern über den Digitalpakt Unterstützung des Bundes bei der digitalen Bildung versprochen. Die notwendige Grundgesetzänderung kam erst vor einem Jahr. Die Mittel aus dem Digitalpakt werden nur schleppend bewilligt. Wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch 166 Jahre bis die 5 Milliarden in den Schulen angekommen sind. Dabei bräuchten wir längst einen Digitalpakt 2.0, der dafür sorgt, dass Tablets auch sinnvoll eingesetzt werden können – nämlich dadurch, dass Lehrinhalte auf ihnen verfügbar sind, Lehrkräfte wissen, wie man sie einsetzt und klare Datenschutzstandards erfüllt sind.
Frage: Welche Sofortmaßnahmen sollten zudem jetzt ergriffen werden, damit Kinder nicht monatelang gar nicht unterrichtet werden?
Suding: Kurzfristig muss Bildungsministerin Karliczek ein Notprogramm aufsetzen, das Schülern schnell und unkompliziert praxisbewährte außerschulische Online-Bildungsangebote zur Verfügung stellt. Die Versäumnisse der Politik dürfen nicht dazu führen, dass die Corona-Krise eine Bildungskrise zulasten der Schüler nach sich zieht.
Frage: Am heutigen Donnerstag und am Freitag tagt die Kultusministerkonferenz – unter anderem geht es um die Frage, wie das Abitur dieses Jahr bundesweit organisiert werden soll. Was erwarten Sie sich davon?
Suding: Die Entwicklungen bei der Ausbreitung des Coronavirus sind so dynamisch, dass die Kultusministerkonferenz einen Plan B entwickeln muss, falls die schriftlichen Abiturpüfungen ab Mitte April nicht wie vorgesehen abgelegt werden können.
Frage: Werden aktuell ausreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen?
Suding: Ich unterstütze die Maßnahmen, die von der Bundesregierung getroffen werden, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, darauf kommt es maßgeblich an. Dennoch zeigt uns Corona gerade im Bildungsbereich, wie schlecht wir auf diese Pandemie vorbereitet sind, weil die Digitalisierung in den letzten Jahren viel zu halbherzig vorangetrieben wurde. In dieser Situation frage ich mich: Wo ist die Bildungsministerin? Von ihr höre ich so gut wie gar nichts.
Frage: Sie hat doch gerade der „Bild“-Zeitung ein Interview gegeben.
Suding: Sie ist für die Themen Bildung und Forschung zuständig und müsste jetzt Tag und Nacht auf Sendung sein.