Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
VOGEL-Interview: „Viele sollen Aktien kaufen können“
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Johannes Vogel gab den Stuttgarter Nachrichten (Mittwochausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Peter.
Frage: Herr Vogel, ab 2025 gehen die „Babyboomer“, also die geburtenstarken Jahrgänge, in den Ruhestand. Ist die Rente dann noch sicher?
Vogel: Wenn wir die Rente nicht reformieren, wird sie vom Jahr 2025 an immer unsicherer. Uns darf nicht die Abhängigkeit des Rentensystems von der Demografie einholen, wie uns die Abhängigkeit von russischem Gas eingeholt hat. Deshalb müssen wir die richtigen Weichen stellen.
Frage: Das müssen Sie genauer erklären.
Vogel: Lassen wir uns mal auf folgendes Gedankenexperiment ein: Wenn morgen alle aufhören würden, in die gesetzliche Rente einzuzahlen, wäre dort nur noch für einen Monat lang Geld vorhanden. Danach würde keine Rentnerin und kein Rentner in diesem Land mehr Geld bekommen.
Frage: Das ist nicht neu. Das Rentensystem ist eine Umlage – und die jeweils arbeitende Generation zahlt ein.
Vogel: Das stimmt. Das, was sich im Vergleich zu früher aber geändert hat, ist: Es gibt weniger Einzahler und dafür mehr Empfänger. In dieser Situation gerät ein solches Umlagesystem naturgemäß unter Druck.
Frage: Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?
Vogel: Es geht um zwei Punkte. Erstens: Wir müssen qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, die nach Deutschland kommen. Nur so können wir unsere Sozialsysteme dauerhaft absichern. Deshalb ist das Einwanderungsgesetz mit Punktesystem, das wir auf Betreiben von uns Freien Demokraten nun verabschiedet haben, so wichtig. Zweitens – und das ist entscheidend: Wir müssen bei der Finanzierung der Rente die alleinige Abhängigkeit von der Umlage überwinden.
Frage: Wie soll das gelingen?
Vogel: Wir müssen das Potenzial von Aktien stärker für die Altersvorsorge nutzen. Das gilt für die gesetzliche Rente, bei der wir bald in die Aktienrente einsteigen wollen. Damit sorgen wir dafür, dass auch die Menschen, die in das gesetzliche Rentensystem einzahlen, von der Entwicklung an den globalen Aktienmärkten profitieren, die über Jahrzehnte betrachtet immer Gewinn abwerfen.
Frage: Im Koalitionsvertrag sind in einem ersten Schritt dieses Jahr zehn Milliarden vorgesehen. Sind wir mal ehrlich, das ist gemessen an den Dimensionen in der Rente praktisch gar nichts.
Vogel: Warten wir den Gesetzentwurf der Regierung doch erst mal ab. Das Generationenkapital soll aufwachsen – und muss den Anfang einer historischen Weichenstellung bilden. Mein Ziel bleibt, dem konkreten schwedischen Vorbild unserer Aktienrente so bald wie möglich so nahe wie möglich zu kommen. Gleichzeitig geht es aber noch um Folgendes: Wir müssen in Deutschland auch bei der Privaten Altersvorsorge viel stärker auf Aktien setzen. Denn wir müssen insgesamt die Aktienkultur fördern.
Frage: Das kann doch jeder, der das möchte und ausreichend Geld dafür übrig hat, bereits jetzt tun.
Vogel: Wenn es um geförderte Altersvorsorge geht, ob in der betrieblichen oder in der privaten Altersvorsorge, schließen wir relevante Aktienanteile bisher gesetzlich aus. Das führt zu geringen Renditen bei diesen Produkten und macht sie für viele Menschen unattraktiv. Die Bundesregierung hat eine Fokusgruppe Private Altersvorsorge eingesetzt, die jetzt bemerkenswerte Vorschläge gemacht hat. Damit muss sich die Koalition rasch auseinandersetzen und Gesetze folgen lassen.
Frage: Was ist aus Ihrer Sicht der Kernpunkt?
Vogel: Meine Aufforderung an SPD und Grüne ist: Lasst uns jetzt schnell dafür sorgen, dass breite Teile der Bevölkerung bei der privaten Altersvorsorge in das langfristig renditesichere Potenzial von Aktien investieren können! Dazu sollten wir ein Altersvorsorgedepot als eine Möglichkeit der privaten Altersvorsorge schaffen. So hat es auch die Fokusgruppe vorgeschlagen, an der Arbeit-, Wirtschafts- und Finanzministerium selbst beteiligt waren – also SPD, Grüne und FDP.
Frage: Ein Altersvorsorgedepot – das klingt kompliziert.
Vogel: Im Gegenteil, es ist ganz einfach. Das Altersvorsorgedepot sollte so funktionieren: Der Einzelne legt jeden Monat einen bestimmten Betrag in einem Aktien-Depot an. Wer vor dem Rentenalter nicht an dieses Geld herangeht, soll dieselbe Förderung bekommen, die er derzeit bei einer Riester-Rente bekäme – künftig egal, ob angestellt oder selbstständig. Das bedeutet: Menschen mit kleinerem Einkommen profitieren von Prämien und das Geld, das ins Altersvorsorgedepot eingezahlt wird, kann von allen steuerlich abgesetzt werden.
Frage: Was ist mit denen, die Riester-Verträge haben?
Vogel: Bestehende Riester-Verträge bleiben auf jeden Fall gültig und die Menschen erhalten auch weiter ihre Förderung.
Frage: Die Riester-Rente ist also noch nicht tot?
Vogel: Jeder, der in die Riester-Rente eingezahlt hat, kann sich darauf verlassen, dass sich für ihn nichts ändert. Aber wir müssen jetzt etwas in die Spur bringen, in dem mehr Leben und Rendite steckt als in der Riester-Rente. Auch, damit mehr Menschen mitmachen.
Frage: Eine höhere Rendite geht auch mit einem höheren Risiko einher. Was ist, wenn ein Börsencrash große Teile der Altersvorsorge zunichtemacht?
Vogel: Die Statistik zeigt: Wenn junge Menschen sich jetzt entscheiden, über Jahrzehnte und breit gestreut in Aktien anzulegen, können sie von enormen Renditen profitieren und das Verlustrisiko ist null. Dauerhaft geht die Kurve nach oben – das haben wir über die Jahrzehnte gelernt. Viele Jüngere bauen doch heute schon mit ETFs, also börsengehandelten Indexfonds, Vermögen auf – nur ist ihnen dafür anders als in anderen Ländern die staatliche Förderung der Altersvorsorge verwehrt. Das ist absurd.
Frage: Profitieren nicht am Ende vor allem die Einkommensstarken von Ihren Plänen, die sich solche Zusatzvorsorge und die mit Aktien verbundenen Risiken leisten können?
Vogel: So argumentiert die politische Linke, das ist aber falsch. Es ist genau umgekehrt. Momentan profitieren in der Tat vor allem Einkommensstarke von den Renditen, die Aktien auf lange Sicht verlässlich abwerfen. Genau das müssen wir endlich allen ermöglichen, gerade auch geringeren Einkommen. Das nenne ich sozial gerecht. Wir brauchen einen Kulturwandel in Deutschland, der dazu führt, dass möglichst alle Aktien kaufen können, auch über Altersvorsorge hinaus. Das wäre ein wirklicher Beitrag dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinandergeht.