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Stephan Thomae
Pressemitteilung

THOMAE-Gastbeitrag: Kinderrechte als dienendes Grundrecht ausgestalten

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae schrieb für „FAZ Einspruch“ den folgenden Gastbeitrag:

Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, klingt zunächst gut, und intuitiv würde niemand dagegen Bedenken erheben. Kindern mehr Rechte, mehr Chancen und mehr Beachtung zu schenken ist ein Ziel, gegen das niemand etwas einwenden wird. Eine andere Frage ist die verfassungsjuristische Überlegung, welche Mittel zur Erreichung dieses Zieles notwendig und geeignet sind.

Anders als es Grüne und Linke im Deutschen Bundestag proklamieren ist es völlig unzutreffend, dass Kinder im Grundgesetz nicht vorkämen, und dass es zur Erfüllung der UN-Kinderrechtskonvention notwendig sei, Kinderrechte in der Verfassung zu verankern. Denn genauso wie Bürgerrechte auch für Senioren oder Jedermannsrechte auch für Ausländer gelten, entfalten alle Grundrechte, die Menschen oder Bürger betreffen, ihre Wirkung auch für die Kleinen und Kleinsten in unserer Gesellschaft. Aufgrund der Allgemeingültigkeit der Grundrechte ist es nicht erforderlich, die Untergruppen des persönlichen Anwendungsbereiches noch einmal gesondert abschließend oder beispielhaft aufzuzählen. Nur dort, wo einer Untergruppe besondere Rechte zukommen, die nicht für alle Menschen oder für alle Bürger gelten, ist es angebracht, sie gesondert zu erwähnen und dadurch mit einem besonderen gruppenspezifischen Grundrecht auszustatten.

Gruppenspezifische Rechte für Kinder könnten nach Lage der Dinge nur solche besonderen Rechte sein, die ihnen insbesondere gegenüber ihren Eltern zukommen würden. Gerade hierin liegt die Krux begraben, dass sich der Staat gewissermaßen als stiller Miterzieher in die Familie einmischt, wenn Eltern ihre Kinder zu anderen Werten erziehen als dies möglicherweise der Mehrheitsmeinung entspricht. Erziehung darf aber nicht derartig demokratisiert und einer „gesunden Volksmeinung“ über die richtigen Werte, die Kinder vermittelt werden sollen, unterworfen werden. Dies geht letztlich zulasten einer pluralistischen Gesellschaft, in der unterschiedliche Meinungen und Haltungen, Werte und Überzeugungen doch gerade erwünscht sind. Der Staat hätte dann aber die Aufgabe, die „richtige“ Erziehung als subjektives Recht des Kindes auch gegen die Eltern durchzusetzen. Dadurch verändern sich die Beziehungen zwischen Kindern, Eltern und Staat.

Wir beschreiben diese Beziehung heute als gleichschenkliges Dreieck, in welchem Eltern und Kinder durch die kurze Seite verbunden sind und der Staat mit den Kindern und den Eltern durch zwei lange Schenkel. Dadurch wird deutlich, dass der Staat als fernstehender Dritter, der zwar auch im Spiel ist, nicht dieselbe Nähe einnimmt, wie Eltern und Kinder zueinander. Er soll nur dann eingreifen, wenn das objektive Kindeswohl dezidiert in Gefahr ist. Verfassungsmäßige Kinderrechte müssten, wenn sie keine leeren Versprechungen bleiben wollen, natürlich auch behördlich durchgesetzt werden, nötigenfalls gegen die Eltern. Dadurch wird die verfassungsmäßige Konzeption des „Bürgers“, der für sich und seine Familie zunächst einmal selbst entscheiden darf, über den Haufen geworfen. Die direktive Kraft einer verfassungsmäßigen Verankerung sollte nicht unterschätzt werden: eine Verfassungsänderung bleibt sehr lange bestehen, sie wirkt langsam aber langfristig, prägt die Rechtspraxis von Behörden und Gerichten über Jahrzehnte und ändert sie. Das Grundgesetz normiert und prägt die Politik und Gesellschaft, wirkt bewusstseinsbildend und wird durchgesetzt.

Als alternatives Konzept wird teilweise erwogen, Kinderrechte nicht als subjektives Recht, sondern als Staatszielbestimmung auszugestalten. Staatszielbestimmungen gewähren lediglich objektive Grundrechte, schwächen die subjektiven Rechte und stellen damit ein Minus dar. Wer dieses Feld betreten möchte, muss sich darüber im Klaren sein. Staatszielbestimmungen mögen ihre Berechtigung dort haben, wo nicht bereits subjektive Rechte bestehen, wie beispielsweise in den Bereichen Kultur, Generationengerechtigkeit, Natur und Umwelt, oder bei Tieren. Kinder sind als Menschen und Bürger aber bereits mit stärkeren subjektiven Rechten ausgestattet als jede Staatszielbestimmung ihnen zu geben vermöchte. Eine Staatszielbestimmung würde das Ziel verfehlen, Kinder besser zu schützen und zu fördern.

Besser wäre es, Kinderrechte als gewissermaßen „dienendes“ Grundrecht einzufügen, gerade auch um klar zu machen, dass Eltern eine besondere Verantwortung für ihre Kinder haben und das Wohl ihrer Kindern fördern und schützen müssen. Staat und Gesellschaft sollten dabei ausdrücklich nicht erwähnt werden. Aus der Schutzkonzeption der Grundrechte ist bereits abzuleiten, dass der Staat dort einzugreifen hat, wo Eltern den Schutz ihrer Kinder nicht wahrnehmen und das Kindeswohl in Gefahr ist.

„Die Eltern dienen dem Wohl und den Rechten der Kinder“. Ein derartiger kurzer Satz belässt es bei den Elternrechten und der Konzeption, dass wir keine Untertanen sind, in deren Privatleben der Staat jederzeit hineinblicken und eingreifen kann, sondern freie Bürger, die ihr Familienleben selbst konzipieren dürfen und der Staat erst tätig wird, wenn Rechte von Dritten oder wie in diesem Falle von Kindern, in Gefahr sind.

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