Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
THEURER/VOGEL-Gastbeitrag: Einwanderung mit (Punkte-)System
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer und der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Johannes Vogel schrieben für den „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Tage, Wochen, Monate – eine gefühlte Ewigkeit haben CDU und CSU in diesem Jahr über die Migrationspolitik gestritten. Doch die deutsche Einwanderungspolitik ist legislativ noch keinen einzigen Zentimeter vorangekommen. Auch die nun bekannt gewordenen Eckpunkte von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lassen leider ahnen: Auf die große Koalition sollte niemand seine Hoffnungen setzen, der an einem großen Wurf für eine konstruktive Einwanderungspolitik der politischen Mitte interessiert ist.
Gerade bei diesem Thema tut sich die CSU jedoch vor allem mit Obstruktion hervor, während ihre Schwesterpartei CDU stolze Sachwalterin einer jahrzehntealten Vogelstraußtaktik ist. Und die SPD? Sie hat zuletzt zwar ein Punktesystem ins Spiel gebracht, diese richtige Forderung aber dem Vernehmen nach mittlerweile wieder einkassiert.
Was wäre zu tun? Was haben uns erfolgreiche Einwanderungsländer wie Kanada, Australien und Neuseeland voraus? Einwanderung ist dort stärker arbeitsmarktbezogen. Während in Deutschland schon vor der Flüchtlingskrise und seither stets weniger als ein Zehntel aller Aufenthaltstitel auf die erwerbsbezogene Einwanderung entfällt, ist es in den genannten Ländern immer mindestens ein Viertel. Anders gesagt: Wir müssen einfach besser werden im weltweiten Wettbewerb um kluge Köpfe.
Alle diese Länder haben ein Punktesystem, das anhand klarer Kriterien die Einreise zur Arbeitssuche organisiert. Hier wurde zuletzt eingewandt, Kanada hätte sich inzwischen von diesem System verabschiedet. Das sei daher auch nichts für Deutschland. Richtig ist: Kanada hat in den vergangenen Jahren sein Punktesystem um Aufenthaltstitel mit Jobangebot ergänzt und so ein funktionierendes Zwei-Säulen-System geschaffen. Bei uns fehlt es aber nicht an der Einwanderungschance mit einem Jobangebot: Hier haben wir mit der Blue Card ein von der OECD sehr gelobtes Instrument, welches wir nur zügig mit realistischen Gehaltsgrenzen versehen und für nicht-akademische Fachkräfte öffnen müssten.
Was fehlt, ist die zweite Säule, das Punktesystem. Dessen quantitative Bedeutung zeigt das Beispiel Kanada: So kamen dort im Jahr 2017 rund 90 Prozent der erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerber über das Punktesystem. Die Freien Demokraten hatten in ihrer letzten Regierungsverantwortung das Jobseeker-Visum eingeführt, mit dem hochqualifizierte, internationale Arbeitssuchende auch ohne Arbeitsvertrag einreisen können. Dieses wollen wir zu einer Chancenkarte mit echtem Punktesystem weiterentwickeln, mit dem wir Menschen etwa aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Sprachkenntnisse sowie unseres Fachkräftebedarfs einladen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Einwanderer sollten sich dann mindestens ein Jahr um einen dauerhaften Job bemühen können, sofern sie dabei ihren Lebensunterhalt decken können.
So bauen wir gleichzeitig Einwanderungshürden ab und verhindern Zuzug in die Sozialsysteme. Damit würden wir auch hierzulande endlich ein echtes Zwei-Säulen-System zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt schaffen. Abgesehen davon müssen zwingend die Bearbeitungszeiten beschleunigt werden, etwa durch eine Begrenzung der Bearbeitungszeit für Anträge zur Arbeitsmigration. Wenn Pflegeunternehmer berichten, dass Pflegekräfte aus dem Kosovo sieben bis zwölf Monate auf einen Termin in der deutschen Botschaft warten müssen, ist das inakzeptabel. Ausländerbehörden und Visastellen der Botschaften sind gefordert, sich überall als Aushängeschilder für die Gewinnung kluger Köpfe zu verstehen.
Zu Recht sind wir stolz auf unseren Maschinenbau „Made in Germany“, der sich bestens in aller Welt verkauft. Wir sollten daher auch Einwanderungschancen à la „Make it in Germany“ mit moderner Rechtsgrundlage anbieten.