Stellv. Fraktionsvorsitzende

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Katja Suding
Pressemitteilung

SUDING-Gastbeitrag: In drei Schritten zu einem Neustart der Kultur

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Endlich wieder Konzerttickets kaufen, die Festivalsaison im Sommer planen und schon bald die Lieblingskünstler wieder live auf der Bühne sehen? Wer in Deutschland davon träumt, muss dieser Tage voller Neid nach Großbritannien schauen. Hierzulande sterben Künstler derzeit einen Tod auf Raten.

Nach der Ankündigung des britischen Premierministers Boris Johnson, bis Ende Juni alle Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie schrittweise zurückzunehmen, erlebten die Künstler und Konzertveranstalter einen nie dagewesenen Run auf ihre Tickets. Nach düsteren Wochen des Lockdowns sehnen sich die Menschen nach Musik, nach Kunst und nach dem damit verbundenen Loslassen aus dem Alltag.

Während in Großbritannien dank einer funktionierenden Impfkampagne und eines konsequent umgesetzten Stufenplans ein Stück Normalität in greifbarer Nähe ist, diskutieren in Deutschland Bund und Länder an diesem Mittwoch erneut über die Fortsetzung eines schier end- und alternativlos erscheinenden Lockdowns. Nichts zeigt deutlicher, dass aus der Gesundheitskrise in Deutschland längst eine Krise des politischen Managements im Umgang mit ihr geworden ist.

Die Situation der Kulturschaffenden ist symbolisch für den missglückten Umgang der Bundesregierung mit der Pandemie. Seit Monaten verharrt der Kulturbetrieb im Stillstand. Statt zunächst die besonders vulnerablen Gruppen der alten und gesundheitlich vorbelasteten Menschen vor dem Virus zu schützen, mussten im November auch die Museen, Galerien und Theater schließen, die bis zuletzt nachweislich keine Pandemietreiber waren. Seither: Keine Konzerte, keine Auftritte, keine Ausstellungen. Und vor allem: Keine Perspektive.

Die wirtschaftlichen Folgen für Künstlerinnen und Künstler – ganz besonders aber auch für die Beschäftigten hinter und neben der Bühne – sind dramatisch. Ohne Auftritte, kein Einkommen. Die mickrigen staatlichen Entschädigungen aus dem bürokratischen Schutzschirm „Neustart Kultur“ können, wenn sie bei den Betroffenen denn ankommen, kaum etwas daran ändern. Solo-Selbstständige, wie freiberufliche Musikerinnen, freie Schauspieler sowie Tänzerinnen, aber auch Maskenbildner und Tontechnikerinnen fallen gar völlig durchs Raster der staatlichen Unterstützungen. Der Staat verweigert ihnen einen auskömmlichen Unternehmerlohn. Der Staat verweigert ihnen ein Leben als Künstler. Der Staat nimmt in Kauf, dass sie dem Kulturbetrieb den Rücken kehren und umschulen müssen, um sich und ihren Familien weiter ernähren zu können.

Sehenden Auges lässt die Bundesregierung so die Kulturbranche vertrocknen. Das Zeichen an die Branche ist fatal: Entgegen wohlfeiler Worte zeigen die Taten, dass Kultur für diese Bundesregierung abkömmlich ist. Die auf Zeit geschlossenen Kultureinrichtungen werden so vielerorts wohl für immer geschlossenen bleiben.

Das Austrocknen des Kulturbetriebs ist zum Kollateralschaden des Dauer-Lockdowns geworden. Stattdessen aber hätten wir Kunst und Kultur viel früher als ein Mittel zur Krisenbewältigung begreifen müssen. Ausstellungen, Theateraufführungen, Konzerte – all das kann für eine Gesellschaft integrierend und identitätsstiftend sein. Der Konsum von Kultur befriedet und führt zusammen. Nach Monaten des Lockdowns und der damit verbundenen erheblichen sozialen Belastungen, die viele Menschen ertragen müssen, können Kunst und Kultur die Seele trösten und Hoffnung geben. Gerade für Menschen, die sich seit Monaten allein zuhause isolieren, die neben der Arbeit im Home Office auch die Kinder im Home Schooling betreuen müssen oder die täglich auf den Intensivstationen Leben retten, fehlt der Zugang zur gemeinschaftlich konsumierten Kultur.

Der Beitrag, den Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Arbeit leisten, in unserer Gesellschaft für ein Gefühl des Zusammenhalts und der Zuversicht zu sorgen, ist viel zu lang sträflich vernachlässigt worden. Wir brauchen die Kultur gerade jetzt, um in unsicheren Zeiten Halt und Mut zu geben. Die Kultureinrichtungen müssen daher nicht trotz, sondern gerade wegen der Corona-Pandemie endlich wieder öffnen!

Vom Bund-Länder-Treffen an diesem Mittwoch muss ein Signal des Aufbruchs für die Künstlerinnen, Künstler, Veranstalter und Kulturbeschäftigten ausgehen. Nicht nur Großbritannien, auch Spanien, Österreich und andere Länder zeigen: Mit politischem Willen, klugen Hygienekonzepten und endlich beschleunigten Impfungen können Museen, Theater, Galerien und Veranstaltungslocations sehr kurzfristig ihre Pforten wieder für Publikum öffnen. Für einen echten Neustart der Kultur braucht es jetzt:

1. Eine klare Öffnungsperspektive mit entsprechenden Hygienemaßnahmen. Statt noch länger den Stillstand zu finanzieren, sollte die Bundesregierung Kulturschaffende beim Kauf von mobilen Luftfilteranlagen, FFP2-Masken und Selbst- bzw. Schnelltests unterstützen. Dies und der Einsatz von funktionierenden Kontaktnachverfolgungs-Apps, wie beispielsweise der von Sänger Smudo mitentwickelten App „Luca“, machen das Infektionsgeschehen auch in geschlossenen Räumen beherrschbar.

2. Endlich einen offenen Dialog mit der Kulturbranche. Viel zu lang haben ihre Sorgen und Bedürfnisse in der politischen und öffentlichen Diskussion keine Rolle gespielt. Die Beschäftigten gehören jetzt in den politischen Fokus, unverschuldet wirtschaftlich bedrohte Existenzen müssen jetzt gerettet werden.

3. Eine übergreifende Strategie für gesellschaftliches Leben mit dem Corona-Virus. Das Infektionsgeschehen wird uns noch über Monate, vielleicht Jahre, begleiten. Die ideenlose Fortsetzung des Lockdowns ist angesichts des politischen Versagens beim Impfen und Testen nicht länger zu vermitteln. Wir brauchen einen klaren Stufenplan, der den Menschen eine Perspektive gibt und eine schrittweise Rückkehr in eine neue Normalität ermöglicht.

Ein kluges Pandemiemanagement hätte die monatelangen Schließungen im Kulturbetrieb vermutlich verhindern können. Umso mehr ist die Bundesregierung jetzt in der Pflicht, es endlich besser zu machen.

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