Bettina Stark-Watzinger
Pressemitteilung

STARK-WATZINGER-Gastbeitrag: Finanzpolitik als Spielball

Das FDP-Fraktionsvorstandsmitglied Bettina Stark-Watzinger schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Das Sommerloch hat nun auch die Spitzenpolitik erreicht. Markus Söder fordert ein Verbot von Negativzinsen für Kleinsparer. Diese populistische Forderung könnte man als klassisches Sommerlochthema abtun. Aber kaum ging die Meldung durch die Medien, da bestätigt Olaf Scholz, dass sein Ministerium das Verbot rechtlich prüfe.

Es braucht kein Ökonomiestudium, um zu erkennen, dass Banken als Reaktion schlicht die Gebühren erhöhen würden. Es braucht kein Jurastudium, um zu erkennen, dass mit solch einem Verbot die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit erheblich eingeschränkt würde. Aber Symbolpolitik hat momentan Hochkonjunktur, und in einigen Bundesländern ist Wahlkampf.

Seit März 2016 zahlen Finanzinstitute für Einlagen bei der EZB 0,4 Prozent Zinsen. Während die Negativzinsen bisher größtenteils nicht an Privatkunden weitergegeben worden sind, ist dies bei Unternehmen mittlerweile keine Seltenheit mehr. Der Widerstand gegen Negativzinsen begründet sich nicht zuletzt darin, dass der Reputationsschaden und die Verärgerung der Sparer immens wären. Dass jetzt einige Institute darüber nachdenken, Strafzinsen zu erheben, zeigt, unter welch großem Druck die Banken stehen. Belastungen durch steigende Eigenkapitalregeln unter Basel IV, die Einführung des antizyklischen Kapitalpuffers und hohe Kosten für Digitalisierungsprojekte stellen die Institute vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig ist die Ertragssituation von Volksbanken und Sparkassen im klassischen Einlagegeschäft durch die anhaltende Niedrigzinsphase angespannt. In der Folge kam es in den letzten Jahren nicht nur zu zahlreichen Fusionen, sondern auch zu Filialschließungen.

Ein von der Großen Koalition verordnetes Negativzinsverbot würde genau diese Institute treffen, die Erträge noch weiter schmälern und den Druck auf Filialschließungen verstärken. Banken sollen Negativzinsen an die EZB zahlen, sie jedoch nicht an die Kunden weitergeben und gleichzeitig die teure Präsenz auf dem Land aufrechterhalten. Mit anderen Worten: Söder und Scholz verlangen die Quadratur des Kreises. Mit einer rein nationalen Umsetzung des Zinsverbotes würde die deutsche Kreditwirtschaft im Wettbewerb weiter geschwächt. Andere Finanzplätze wie Paris drehen Regulierungen, die über die europäischen Anforderungen hinausgehen – das sogenannte Gold Plating – zurück. Währenddessen möchte der deutsche Finanzminister im Alleingang eine Belastung draufsetzen.

Es steht außer Frage, dass dauerhaft niedrige Zinsen ein Problem darstellen. Den Sparern in unserem Land entgehen schon heute laut Berechnungen der DZ Bank rund 50 Milliarden Euro pro Jahr. Der Staat hingegen spart seit 2008 insgesamt fast 370 Milliarden Euro an Zinszahlungen und profitiert selbst von negativ rentierenden Anleihen. Konstruktive Politik würde die Aktienkultur in Deutschland stärken, den Sparern alternative Investments wie einen Dachfonds anbieten und die Menschen entlasten.

Doch Scholz und Söder spielen nur den Anwalt der Sparer. In der Realität möchten sie ihn mit der geplanten Finanztransaktionssteuer stärker zur Kasse bitten. Effektiv bedeutet sie nämlich eine Börsenumsatzsteuer, die vor allem den Kleinaktionär treffen wird. Auf die Abgeltungsteuer verlangt der Staat unabhängig vom Einkommen weiterhin von Sparern den Solidaritätsbeitrag. Lägen die Sorgen der Sparer der Bundesregierung tatsächlich am Herzen, dann hätte sie die entsprechenden Hebel, um für Entlastungen zu sorgen. Wenn Olaf Scholz etwas für die Sparer tun möchte, muss er sich auf europäischer Ebene bei den Mitgliedstaaten für effektive wirtschaftspolitische Reformen einsetzen. Das ist der harte Weg mit komplexen Verhandlungen und einem feinen Austarieren verschiedener Interessen. Das produziert nicht die schnellen Schlagzeilen. Aber nur, wenn die Eurozone institutionelle Reformen endlich anpackt und die Volkswirtschaften wieder auf einen soliden Wachstumskurs schwenken, werden die Zinsen endlich steigen.

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