Christian Lindner
Pressemitteilung

LINDNER-Gastbeitrag: Eine wachstumsorientierte Steuerreform wäre besser

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Unsere Wirtschaft erlebt einen beispiellosen Einbruch. Die Konjunkturprognosen wurden gerade abermals nach unten korrigiert. Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt fällt aus. Couragiertes politisches Handeln ist nötig, um Wohlstand und Beschäftigung zu sichern. Über die schon vor der Pandemie sichtbaren Defizite unseres Landes hinaus wurden weitere enthüllt. Der Handlungsdruck ist jetzt eine Gelegenheit, aus der Krise einen Neustart für unser Land zu entwickeln. Deutschland nicht wie vorher, sondern besser als zuvor zu machen – daran sollte sich die Politik messen lassen.

Alle Kriseninterventionen dieses Jahres werden die Staatsfinanzen wie die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler über Jahre binden – die Rechnung wird kommen. Die große Koalition hat darüber hinaus nun ein Konjunkturpaket im Volumen von 130 bis 167 Milliarden Euro geschnürt. Der Zeitpunkt und die Dimension erscheinen angemessen, aber sie werfen dennoch die Frage nach einem „return on investment“ auf. Werden die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes verbessert, so dass ein breiterer Wachstumspfad bei der Entschuldung helfen wird? Werden dafür strukturelle Defizite beseitigt? Steigt die Attraktivität für Investitionen am Standort? Es mag angesichts des allseitig positiven Echos nicht opportun sein, aber daran melden wir Zweifel an. Natürlich enthalten die Koalitionsbeschlüsse langfristig sinnvolle Vorhaben. Beispielsweise ist eine Wasserstoffstrategie chancenreich. Der Mitteleinsatz für die Digitalisierung insbesondere der Schulen ist begrüßenswert, aber eher zu bescheiden als zu ambitioniert. Auch die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent ist richtig – allerdings wird sie nicht durch die kritische Würdigung von Ausgaben wie etwa für die „Rente mit 63“ erreicht, sondern mit einem Bundeszuschuss. Die Ankündigung des Bürokratieabbaus ist ehrenwert, aber noch vage. In der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren läge ein kostenloser Hebel für mehr Wachstum.

Das „Herzstück“ (Markus Söder) des Konjunkturpakets soll die befristete Senkung der Umsatzsteuer sein. Diese Festlegung ist eine Überraschung, denn zuvor war zu hören, der Solidaritätszuschlag solle „noch vor dem Sommer“ (Söder) abgeschafft werden. Dieser Rabatt ist Konsumgutscheinen oder Kaufprämien vorzuziehen, da er zwischen den Branchen den Wettbewerb nicht verzerrt. Allerdings ist der politische Preis hoch, denn steuerliche Maßnahmen auf der Einkommensseite fehlen (nahezu) völlig. Das Konjunkturpaket ist im Ergebnis sozialdemokratisch geprägt: Es hat Schlagseite in Richtung der Stärkung der Binnennachfrage, Impulse zur Stärkung der Angebots- und Investitionsbedingungen werden vernachlässigt.

Die Freien Demokraten haben sich anders entschieden. Auch wir hatten eine Senkung der Mehrwertsteuer als Kaufanreiz durchaus diskutiert. Aber aufgrund des bürokratischen Aufwands, der unklaren Weitergabe an die Konsumenten und des starken Vorzieheffekts von Kaufentscheidungen haben wir diese Maßnahme nicht in unsere Vorschläge für einen „Neustart Deutschland“ aufgenommen. Für den Binnenkonsum fehlt nicht Kaufkraft, sondern Zuversicht. Für private Investitionen und den Neuaufbau von Rücklagen fehlt der finanzielle Freiraum. Fokus unseres Vorschlags für ein Konjunkturprogramm ist deshalb eine wachstumsorientierte Steuerreform. Schon vor der Pandemie war unser Steuersystem international nicht mehr wettbewerbsfähig. Beschäftigte wie Betriebe müssen höchste Lasten schultern. Jetzt wäre der Zeitpunkt, um diesen Strukturnachteil dauerhaft zu korrigieren. Es wären die Mittel vorhanden, um beispielsweise den sogenannten Mittelstandsbauch im Tarif der Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen. Von beispielsweise verbessertem Verlustrücktrag, eigenkapitalfreundlichen Thesaurierungsbestimmungen und niedrigeren Sätzen der Körperschaftsteuer würden die Unternehmen profitieren. Von einer solchen Reform ginge durch die dauerhaft verbesserte Einkommenserwartung auch eine Belebung des Konsums aus, vor allem aber würden private Investitionen attraktiver. Die große Koalition hat es andersherum gemacht: Statt einer dauerhaften Stärkung der privaten Haushalte gibt es vor allem eine befristete Einmalmaßnahme. Die erhoffte Wirkung ist alles andere als sicher. Vor allem bleiben uns die steuerpolitischen Probleme erhalten – möglicherweise verschärfen sie sich sogar. Denn zu Beginn des Wahljahres 2021 wird die neuerliche Erhöhung der Umsatzsteuer unpopulär sein. Freiräume in den öffentlichen Haushalten würden dann bei der Umsatzsteuer gebunden und somit Entlastungen anderswo erschweren. Viel Mut wird zudem die verteilungspolitische Debatte fordern, wenn die Last bei Einkommen- und Körperschaftsteuer dereinst reduziert werden soll, während die Umsatzsteuer wieder auf den höheren Satz wechselt, wodurch auch Bezieher geringer Einkommen und Sozialleistungsempfänger belastet werden. Auf eine neue Regierung kommt im Herbst des nächsten Jahres viel Arbeit zu.

Immer informiert - unser Presseverteiler

Jetzt anmelden

Mit unserem Newsletter bleiben Sie informiert