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LAMBSDORFF-Interview: Die Bundesregierung muss auf Macrons Ideen reagieren
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „Bayern 2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Matthias Dänzer-Vanotti:
Frage: Wie bewerten Sie das aktuelle Verhältnis der EU zu den USA?
Lambsdorff: Das Verhältnis ist schwieriger als in der Vergangenheit. Donald Trump ist ein enorm schwieriger Präsident und Sie haben es eben in der Moderation ja auch gesagt: Er zieht sich aus Verträgen zurück, in der Handelspolitik agiert er willkürlich. Das macht es für uns alles andere als leicht.
Frage: Auch wenn Sie auf die Siko in München schauen, wird da noch ein fruchtbarer Dialog geführt oder redet man inzwischen aneinander vorbei?
Lambsdorff: Nein, der Dialog auf der Sicherheitskonferenz ist fruchtbar sowohl mit den Amerikanern, die ja mit einer großen Delegation da waren, und das, finde ich, ist wichtig für die Hörerinnen und Hörer: Wir haben eben über Donald Trump geredet. Der amerikanische Kongress steht total zu den transatlantischen Beziehungen. Es war Nancy Pelosi da, es war von den Republikanern Lindsey Graham da. Das heißt, ganz hochrangig war das Parlament vertreten, auch die Regierung mit zwei Ministern, dem Verteidigungs- und dem Außenminister. Und diese Dialoge sind sehr fruchtbar. Und vergessen wir bitte eines nicht: Bei allen Schwierigkeiten, die wir zurzeit im transatlantischen Verhältnis haben, im Vergleich zu den Beziehungen zu Russland oder China ist es mit den Amerikanern immer noch erheblich besser.
Frage: Trotzdem, muss Europa selbstständiger werden?
Lambsdorff: Das ist richtig. Und Emmanuel Macron war da, wir hatten Gelegenheit, mit ihm zu frühstücken und ihn auch dazu zu befragen, wie er sich das denn vorstellt, wie Europa nach vorne kommen soll und wie das mit der europäischen Souveränität gemeint ist, von der er da redete. Und er sagt: Wir werden im 21. Jahrhundert, das voraussichtlich von China und den USA dominiert werden wird, es nur schaffen, unsere Werte, unseren „European Way of Life“ zu verteidigen, wenn wir mehr zusammen machen, wenn wir als Europäer besser und enger zusammenstehen. Ich teile diese Auffassung. Ich finde das richtig und das heißt, dass man an der einen oder anderen Stelle auch tatsächlich über seinen Schatten springen muss.
Frage: Der französische Präsident hat auf der Sicherheitskonferenz auch dieses gesagt: „Wir werden eine Art Sicherheitsrat auf europäischer Ebene schaffen müssen und Großbritannien einbinden. Das brauchen wir auf europäischer Ebene.“ Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Lambsdorff: Also, ich finde, da muss man unterscheiden: Redet er über einen Europäischen Sicherheitsrat, das wäre sozusagen das E3-Format Deutschland, Frankreich und Großbritannien als Kern, oder redet er von einer stärkeren Sicherheitszusammenarbeit in der Europäischen Union? Da wäre dann natürlich Großbritannien nicht dabei. Und ich bin sehr dafür, dass wir in der Europäischen Union uns erst mal zusammenraufen und dann die Briten dazu einladen. Aber ich wäre nicht dafür, dass wir ein Format machen, bei dem wir die Briten zwar dabeihaben, aber andere EU-Mitgliedsstaaten ausschließen. Auch wenn die Briten Gewicht haben, das ist klar, als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mir ist es wichtig, dass wir erst mal in der Europäischen Union uns zusammenraufen. Da hat übrigens Macron auch ganz interessante Vorschläge gemacht, die auch nicht so leicht sind, zum Beispiel, dass die Zahl der Kommissare reduziert werden muss, also nicht jeder Mitgliedsstaat einen Kommissar behält, und dass es Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geben soll. Also, er hat eine ganze Reihe interessanter, konstruktiver Ideen vorgelegt. Aber wie immer hat die Bundesregierung darauf überhaupt nicht reagiert und hat das Ganze sozusagen mit Schweigen quittiert, was ich außerordentlich kritisch sehe.
Frage: Wie erklären Sie sich überhaupt die Zurückhaltung in Berlin, was Vorschläge aus Paris angeht?
Lambsdorff: Herr Dänzer-Vanotti, ich wäre froh, wenn ich es mir erklären könnte. Aber es ist in der Wirkung, in der Wirkung ist es verheerend. Macron ist ja auch auf offener Bühne gefragt worden, wie frustriert er eigentlich darüber sei, dass aus der Großen Koalition, aus Berlin überhaupt kein Echo auf seine Vorschläge kommt. Noch nicht mal ein Engagement, bestimmte Fragen zu diskutieren. Man muss ja nicht allem zustimmen, was er vorschlägt. Aber die Bundeskanzlerin, der Außenminister, die reagieren ja überhaupt nicht. Und da hat er gesagt, sehr diplomatisch, er sei nicht frustriert, aber er sei ungeduldig. Und in der diplomatischen Sprache ist ungeduldig eine sehr klare Ansage darüber, dass er natürlich frustriert ist darüber, dass aus Berlin so wenig kommt.
Frage: Spüren Sie denn so eine Ungeduld auch zumindest bei manchen Ministern oder bei CDU-Politikern? Armin Laschet hat ja gestern eigentlich mit der Europapolitik der Kanzlerin auch abgerechnet und sich abgesetzt.
Lambsdorff: Ja, Armin Laschet ist übrigens wie auch Friedrich Merz ehemaliger Europaabgeordneter. Das verbindet uns in gewisser Weise. Und die beiden verstehen, dass wir, wenn wir als Deutsche auf die Welt schauen, ohne den Hebel Europa unser Gewicht gar nicht zum Einsatz bringen müssen. Insofern hat Laschet da völlig recht. Ich finde immer noch das, was Henry Kissinger mal gesagt hat, wichtig und das sollte uns auch leiten: „Deutschland ist zu groß für Europa, aber zu klein für die Welt.“ Nur, wir als Deutsche hängen an den universellen Menschenrechten und unsere Unternehmen sind auf der ganzen Welt aktiv. Das heißt, wir brauchen eine Weltpolitik. Nur, ohne Europa und ohne eingebettet in Europa zu sein, würden wir als Deutsche uns da völlig übernehmen. Und gerade deswegen ist Deutschland sowohl von den Werten her, was die Menschenrechte angeht, als auch von den Interessen her, was den Handel angeht, ist Europa für uns, das hat Steinmeier völlig richtig gesagt, unser wichtigstes nationales Interesse.