STARK-WATZINGER-Gastbeitrag: Die Finanztransaktionssteuer trifft die Falschen
Das FDP-Fraktionsvorstandsmitglied Bettina Stark-Watzinger schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Nicht weniger als die Welt retten, wollte die SPD mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer. Die ungeliebte Finanzindustrie für die Finanzkrise bestrafen, Gerechtigkeit schaffen und gleichzeitig auch noch hohe zweistellige Milliarden-Einnahmen für den Staat erzielen – das war die hehre Idee. Die Finanztransaktionssteuer wurde als Robin-Hood-Steuer romantisiert.
Jahrelang wurde vergeblich über die Einführung in Europa verhandelt. Vom Widerstand, den Erfahrungen und den Argumenten anderer europäischer Länder ließen sich die Sozialdemokraten nicht abschrecken. Glücklicherweise gab es trotz der gutgemeinten Absichten bislang noch bessere Gründe, die Steuer nicht einzuführen. Bislang. Dann kam Olaf Scholz. Mit den Worten „Jetzt bin ich der zuständige Minister, und jetzt wird es auch was werden“, bekräftigte er im vergangenen Sommer den Willen, die umstrittene Steuer doch noch einzuführen. Der Haken dabei, er wird kein Robin Hood. Im Gegenteil: Er nimmt den Taler vom „einfachen“ Volk – den Sparern und Kleinaktionären. Die in das Visier genommenen „Verursacher“ der Finanzkrise wird er damit nicht treffen.
Dabei sollte zu Beginn der Verhandlungen über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer gerade die ungewünschten, rein spekulativen Transaktionen auf den Finanzmärkten eingedämmt werden. Mit einem niedrigen Steuersatz bei einer gleichzeitig breiten Bemessungsgrundlage sollte nahezu jedes Finanzinstrument, ob Aktie oder Derivat, besteuert werden. Zocker sollten nicht mehr zocken oder zumindest dafür zahlen und ganz nebenbei die Staatskasse füllen. Dass die Steuer als Instrument nicht zwischen „wünschenswerten“ und „unerwünschten“ Transaktionen auf dem Finanzmarkt unterscheiden kann, interessierte damals schon wenig. Ebenso wenig wollen die Befürworter verstehen, dass die Steuerlast nicht von der Finanzindustrie getragen, sondern immer auf die Endkunden übertragen wird. Sie hat eben dahingehend keine Lenkungswirkung.
Gleichgültig, ob man dem Grundgedanken der Finanztransaktionssteuer folgt oder nicht, hat die von Olaf Scholz geplante Ausgestaltung eben diese Bezeichnung nicht mehr verdient. Die Steuer soll nur noch auf den Handel mit Aktien erhoben werden und zwar für die Aktien, die im eigenen Land herausgegeben wurden und bei denen die Marktkapitalisierung bei über einer Milliarde Euro liegt. Ganz abgesehen davon, dass man nun nicht mehr mit 35 Milliarden Euro Einnahmen, wie noch zu Beginn der Verhandlungen, sondern „nur“ noch von einem niedrigen einstelligen Betrag ausgeht. Das klingt nach einer völlig zerrupften Ursprungsidee.
Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die zehn verbliebenen, an einer Finanztransaktionssteuer interessierten, europäischen Staaten einigen konnten: Kleinaktionäre sollen zahlen – und nur sie alleine. Denn Profis und institutionelle Anleger können der Steuer leicht ausweichen. Statt mit Aktien des Unternehmens können sie ausweichen und mit Derivaten, die die Aktie als Basiswert haben, handeln.
Gerade die bei den Sozialdemokraten fälschlicherweise grundsätzlich als Spekulationsobjekte in Verruf geratenen Derivate werden bei der aktuellen Planung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer demnach nicht erfasst. Es drängt sich die Frage auf: Welches Ziel will der Bundesfinanzminister mit der Steuer noch erreichen? Die SPD setzt sein Prestigeprojekt auf Biegen und Brechen durch – ungeachtet dessen, dass aus der Finanztransaktionssteuer eine Kleinaktionärssteuer geworden ist.
Der oft zitierte „kleine Mann“, der von seinem Einkommen ein wenig Geld in Aktien spart, soll also nach Olaf Scholz in Zukunft für die „Zähmung der Finanzmärkte“ verantwortlich sein? Was abstrus klingt, ist realexistierende Politik dieser Großen Koalition. Die „Mitte“ der Gesellschaft wird sonntags gefeiert und montags immer mehr belastet. Statt den Bürgern zu helfen, Vermögen aufzubauen, legt man ihnen mehr und mehr Steine in den Weg. Dabei wären Aktien gerade in der Niedrigzinsphase der beste Weg, die Bürger am wachsenden Vermögen in Deutschland zu beteiligen.
Die GroKo muss ihren Fehler einsehen und von der Einführung der Kleinaktionärssteuer Abstand nehmen. Wer die Finanzindustrie an den Kosten beteiligen möchte, der sollte an einer sinnvollen Regulierung der Finanzmärkte arbeiten. Die Einführung der Bankenabgabe im Nachgang zur Finanzkrise wird seit 2010 von Finanzdienstleistern und Kreditinstituten erbracht. Sie beteiligt den Finanzsektor am systemischen Risiko. Solche Wege gilt es weiter zu beschreiten. Die Pläne der Finanztransaktionssteuer hingegen sollten schnell im Papierkorb verschwinden. Sie wirkt auf die gewollte Weltenrettung kontraproduktiv.