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LAMBSDORFF-Interview: Die Erklärungen zum Tod von Khashoggi sind nach wie vor unzureichend
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Welt“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Niewendick:
Frage: Graf Lambsdorff, sollten Politiker die Konferenz boykottieren?
Lambsdorff: Ja. In der Diplomatie stellt sich immer auch die Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt für Gespräche, und der jetzige Zeitpunkt ist denkbar schlecht, um über zukünftige Investitionen in Saudi-Arabien zu sprechen. Die Erklärungen zum Tod von Khashoggi sind ja nach wie vor unzureichend.
Frage: Nun hat auch Siemens-Chef Joe Kaeser doch noch seine Teilnahme abgesagt. Ein richtiger Schritt?
Lambsdorff: Unternehmen sollten wertegeleitet operieren, schon im Interesse ihrer eigenen Marken. Wirtschaften ohne Rücksicht auf die Wertesysteme, in denen die Unternehmen beheimatet sind, kann für ihre Marken und damit ihren Wert ein schwerer Schaden sein. Wir haben das bei Nike gesehen, als die Zustände in der Lieferkette bekannt wurden. Oder jetzt bei den Automobilherstellern in der Dieselfrage. Vor diesem Hintergrund hat Kaeser politisch und betriebswirtschaftlich richtig entschieden, dieser Konferenz fernzubleiben.
Frage: Deutschland beliefert Saudi-Arabien seit Langem mit Waffen. Was sagt das über die Marke Deutschland?
Lambsdorff: Ich würde die Bundesrepublik nicht mit einem Unternehmen vergleichen. Es ist ein qualitativer Unterschied, ob ein Regierungskritiker auf dem Territorium eines unserer Nato-Partner umgebracht wird, oder ob wir die Menschenrechtslage generell als unbefriedigend beurteilen. Im außenpolitischen Interesse Deutschlands als Teil des Westens liegt es aber nach wie vor, die Balance zwischen Saudi-Arabien und dem Iran in der Region beizubehalten. Deshalb rede ich auch nicht der Beendigung der diplomatischen Beziehungen zu Saudi-Arabien das Wort. Das wäre falsch, wir müssen mit dem Land kooperieren.
Frage: Sollte man die Lieferung von Rüstungsgütern aussetzen?
Lambsdorff: Wir als Freie Demokraten sprechen uns gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete aus. Die Bundesregierung hat jetzt verkündet, es werde keine neuen Genehmigungen geben. Das finde ich richtig, denn im Moment sind die Todesumstände von Herrn Khashoggi noch unklar und Saudi-Arabien arbeitet mit Verschleierung, statt Aufklärung zu leisten. Der Hergang der Ereignisse und die Verantwortlichen müssen klar benannt werden. Der türkische Präsident Erdogan hat angekündigt, dies heute auf einer Veranstaltung seiner Partei zu tun. Ich bin gespannt, was er sagen wird.