LINDNER/SPAHN-Streitgespräch: Der Bundestag kann jede Entscheidung aufheben – Mitnichten
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner und der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Streitgespräch für die „Welt“ (Samstagsausgabe). Die Fragen stellten Claudia Kade und Thorsten Jungholt:
Frage: Das Gesundheitsministerium nimmt für den Einkauf von Masken die Hilfe einer Beratungsfirma in Anspruch, Herr Spahn. Wenn es um die massivsten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik geht, verzichten Sie dagegen weitgehend auf die Unterstützung des Bundestags. Warum?
Spahn: Wie kommen Sie denn zu dieser Feststellung?
Frage: Debatten im Bundestag könnten hilfreich sein. Die Bundesregierung aber lässt das Parlament in der Pandemie außen vor, beklagen viele Abgeordnete – obwohl sie laut Bundesverfassungsgericht über wesentliche Grundrechtseingriffe selbst entscheiden müssen.
Spahn: Am Mittwoch hat der Deutsche Bundestag über das dritte Bevölkerungsschutzgesetz debattiert und es beschlossen. So wie im März und im Mai schon die ersten beiden. Damit hat der Bundestag die rechtliche Grundlage für das Handeln der Bundesregierung gelegt. So wie es vorgesehen ist. Mitten in der Beratung eines Gesetzes zu sagen, man werde nicht beteiligt, wundert mich schon sehr. Das ist ein bisschen so, als würden sie auf einer Demonstration beklagen, die freie Meinungsäußerung wäre eingeschränkt. Die Beratung im Parlament ist Beteiligung! Wir haben mehrfach im Parlament über die epidemische Lage beraten und werden das auch weiter tun. Ich suche die Debatte im Parlament, weil ich weiß, wie wichtig Offenheit und Transparenz sind für die Akzeptanz dessen, was wir tun. Corona ist regelmäßig Thema in den Fragestunden des Parlaments. Ich stehe dort genauso wie regelmäßig auch im Gesundheitsausschuss den Abgeordneten Rede und Antwort.
Frage: Herr Lindner, fühlen Sie sich als Fraktionschef einer Oppositionspartei ausreichend einbezogen im Bundestag?
Lindner: Im Frühjahr ist intensiv über Fraktionsgrenzen hinweg beraten worden, und es sind auch Anliegen der Opposition aufgenommen worden. Jetzt macht die Regierung das unter sich aus. Aber es geht nicht um uns. Es wäre im gesamtstaatlichen Interesse, die Entscheidungsfindung zu verändern. Denn das Gegeneinanderstellen von Handlungsalternativen kann auch Vertrauen in eine Krisenstrategie bei denjenigen schaffen, die sich in einer Minderheit fühlen. Die Regierungen müssen natürlich in einer dynamischen Lage handeln können. Aber das Parlament muss trotzdem die wesentlichen Fragen des Grundrechtseingriffs klären. Das passiert nicht. Und leider war das jetzt beschlossene dritte Bevölkerungsschutzgesetz erneut eine verpasste Chance.
Spahn: Ich bin unbedingt für kontroverse Debatte, sie ist das Herz unseres demokratischen Miteinanders. Diese Debatte hat am Mittwoch im Plenum stattgefunden, und sie findet auch in den Landesparlamenten statt. Der Bundestag hat zweimal die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Mehrfach hat die FDP beantragt, diesen Beschluss aufzuheben. Es gab nur keine Mehrheit dafür. Und: Der Bundestag kann jederzeit jede Entscheidung, die wir als Regierung in dieser Pandemie treffen, rückgängig machen, aufheben, beenden. Und das ist auch völlig richtig so.
Lindner: Es ist mitnichten so einfach. Denn in der ständigen Staatspraxis steht ja nicht die Institution Bundestag der Institution Bundesregierung gegenüber. In der Staatspraxis steht die parlamentarische Opposition einer Regierungskoalition gegenüber, die die Bundesregierung und deren Fraktionen im Parlament umfasst. Zudem werden die freiheitseinschränkenden Maßnahmen von einer Runde von Bund und Ländern unter Führung der Bundeskanzlerin beschlossen, die es im Grundgesetz gar nicht gibt …
Spahn: Empfiehlt Maßnahmen. Beschlüsse fassen die Länder!
Lindner: Die Runde prägt. Ein Beispiel: Landeskabinette auch von FDP-mitregierten Ländern wollten auf eine Schließung der Gastronomie verzichten. Dann gibt es die Ministerpräsidentenkonferenz, in der Frau Merkel dem Vernehmen nach die Entschädigung für die Wirtschaft mit flächendeckenden Schließungen verbunden haben soll. Jedenfalls sind alle Regierungschefs umgefallen und haben mit Richtlinienkompetenz neue Beschlüsse herbeigeführt. Das heißt, diese Runde hat eine hohe politische Prägekraft jenseits der Staatsorgane. Aber sie macht Fehler: Der Deutsche Bundestag hätte niemals ein Beherbergungsverbot passieren lassen, das von Gerichten aufgehoben wurde. Schon in der Regierungsfraktion von CDU und CSU hätten die Fachpolitiker gesagt: Das ist Unsinn.
Spahn: Wie häufig hat die FDP eine Sitzung des Bundestages vor der Ministerpräsidentenkonferenz beantragt?
Lindner: Das ist eine spielerische Frage, weil das weder den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht noch eine Mehrheit bestünde.
Spahn: Vielleicht doch. Ich bin am Mittwoch im Ausschuss für Gesundheit gebeten worden, ein paar Stunden vor der nächsten Bund-Länder-Runde in den Ausschuss zu kommen. Das ist eine Selbstverständlichkeit für mich. Ebenso selbstverständlich ist es für mich, für die weiteren Diskussionen und Beschlüsse einzubeziehen, was die Abgeordneten dort sagen. Und nochmal: Eine Ministerpräsidentenkonferenz beschließt Empfehlungen, die haben politische Bedeutung, keine rechtliche. Konkret umgesetzt werden sie von den 16 Bundesländern in Landesrecht. Auch von Regierungen, an denen die FDP beteiligt ist – obwohl ihr im Bundestag gegen das Infektionsschutzgesetz gestimmt habt.
Lindner: Die von der FDP mitregierten Länder haben im Bundesrat dem Infektionsschutzgesetz nicht zugestimmt. Es handelt sich nun aber um geltendes Recht.
Frage: Ist das Infektionsschutzgesetz jetzt verfassungsfest, Herr Lindner, oder wollen Sie den – nach Ihrer Aussage – „Blankoscheck“ in Karlsruhe überprüfen lassen?
Lindner: Es ist ein Blankoscheck. Denn auch empfindliche Grundrechtseingriffe sogar bis hin zur Ausgangssperre sind nicht an klare Voraussetzungen gebunden. Das Parlament hätte den Handlungsspielraum der Regierungen im Sinne einer Wenn-Dann-Regel enger lenken müssen. Wir sind als Fraktion aber nicht klagebefugt.
Frage: Sie finden sich in der Krise mit Ihrer Kritik oft an der Seite der AfD, gelegentlich auch der Linken wieder. Keine Ihnen genehme Gesellschaft?
Lindner: Wir befinden uns an der Seite nahezu aller juristischer Sachverständiger, die der Bundestag angehört hat. Sie sollten daher die Grünen fragen: Was veranlasst eine Bürgerrechtspartei, diesem Infektionsschutzgesetz zuzustimmen?
Spahn: Verantwortung.
Lindner: Ich sehe die Verantwortung des Parlaments in diesen Zeiten darin, die Regierung kritisch zu begleiten und bessere Alternativen aufzuzeigen. Es wäre im Infektionsschutzgesetz beispielsweise sinnvoller gewesen, sich nicht nur an einem Inzidenzwert zu Infektionszahlen zu orientieren, sondern unterschiedliche Kriterien zur Bewertung der Lage zu benennen. Also beispielsweise die Auslastung der Gesundheitsversorgung oder regionale Besonderheiten.
Spahn: Niemand schaut nur auf Infektionszahlen. Wir sind das Land mit einer der ältesten Bevölkerungen weltweit. Da muss natürlich ein anderer Umgang mit einem Virus gefunden werden als etwa in Ländern mit einem Durchschnittsalter von 15 Jahren. Wenn die Infektionszahlen steigen, steigt früher oder später auch der Behandlungsbedarf auf den Intensivstationen. Belgien, die Niederlande und auch Frankreich haben Deutschland gebeten, Patienten aufzunehmen, weil die Intensivkapazitäten dort ausgeschöpft sind. Ich will, dass wir die Welle brechen, bevor unnötig viel Leid in den Krankenhäusern entsteht. Ja, es war nicht alles perfekt. Aber alles in allem haben wir mit vergleichsweise milden Maßnahmen bisher gute Ergebnisse erreicht.
Lindner: Ja, wir sind eine Gesellschaft mit einem relativ hohen Altersdurchschnitt. Gerade deshalb brauchen wir doch eine dauerhaft haltbare Krisenstrategie, die sehr viel stärker die vulnerablen Gruppen in den Blick nimmt, damit für die anderen bei allen notwendigen Regeln – Kontaktbeschränkung, Abstand, Maske, Corona-App, Lüften, Luftfilter-Programme in den Schulen, Nachverfolgung der Besucher von Museen und Gaststätten – mehr Freiheit bleibt. Meine Befürchtung ist: Wir finden aus dem aktuellen November-Lockdown in diesem Jahr nicht wieder raus. Und falls wir ihn beenden, dann ist wenige Wochen später der nächste da. Das wäre eine Stop-and-Go-Politik, die enormen sozialen und wirtschaftlichen Schaden verursacht.
Spahn: Dieses Virus ist schicksalhaft, ein Naturereignis – wie ein Erdbeben oder ein Hochwasser. Und egal, wie wir entscheiden oder nicht entscheiden – dieses Virus richtet vielfach Schaden an, direkt oder indirekt. Gesundheitsschutz haben wir in dieser Pandemie hoch gewichtet, aber nicht absolut gesetzt. Aus gutem Grund: Wir wollen wirtschaftlichen Schaden, soziale Härten, auch gesundheitliche Folgeschäden soweit wie möglich vermeiden. Aber ganz kann das nicht gelingen. Deswegen müssen wir im Kampf gegen dieses Virus immer austarieren zwischen Wirkung und Nebenwirkung. Das ist unsere Aufgabe als Krisenmanager, die nimmt uns kein Virologe ab.
Frage: Was spricht denn dagegen, wie die FDP zu sagen: Wir machen spezielle Öffnungszeiten für Senioren in den Supermärkten?
Lindner: Ja, und warum haben wir nicht den Taxi-Gutschein für vulnerable Gruppen statt Busfahren oder die Nachbarschaftshilfe? Die Abgabe von FFP-2-Masken kommt jetzt, das hatten wir vor Monaten angeregt. Und warum gibt es noch keine präzise Teststrategie, um Risikogruppen zu schützen?
Spahn: Die Teststrategie gibt es. Die FFP-2-Masken werden eingesetzt.
Lindner: Die ist in der Praxis nicht angekommen. Wir hatten zudem vor Monaten angeregt, auch die Laborkapazitäten zum Beispiel der Tiermedizien zu mobilisieren. Das kommt erst jetzt. Im Sommer hatten wir so die Situation, dass eine Pflegekraft eher als Urlaubsheimkehrerin umsonst einen Test bekommen hat als als Angestellte in ihrem Betrieb.
Spahn: Das stimmt nicht. Zudem brauchen die Pflegeheime auch Zeit, um das Testen zu organisieren. Ich bin sehr für pragmatische Konzepte. Aber ich bin strikt dagegen, dass wir ein Drittel unserer Gesellschaft quasi unter Hausarrest stellen, weil sie zur Risikogruppe zählen. Also: Es führt kein Weg daran vorbei, die Infektionszahlen insgesamt niedrig zu halten.
Lindner: Mal ganz angesehen von der Frage, ob eine Test-Verordnung im Oktober nicht reinlich verspätet war, ist es eine Scheinalternative zu sagen: Entweder fahren wir das Land komplett runter, oder die Älteren gehen in einen Hausarrest. Da gibt es noch einen dritten Weg.
Spahn: Kostenloses Taxifahren oder Lockdown, das klingt mir eher nach einer Scheinalternative. Und: Den dritten Weg gehen wir doch.
Lindner: Diese Klarheit der Strategie sehe ich leider nicht, wenn es lebensfremde Empfehlungen gibt, dass Kinder nur mit einem anderen Kind Kontakt haben sollen. Wenn ich das Beschlusspapier erste Fassung Kanzleramt vom Sonntagabend sehe: Da kommt erst die Schnupfen-Quarantäne für jedes Erkältungssymptom, die Halbierung des Schulunterrichts – und unter Ziffer 7 tauchen dann die vulnerablen Gruppen auf. Ich werfe Dir das als Person gar nicht vor, weil ich weiß, diese Maßnahmen werden stark geprägt aus dem Kanzleramt.
Frage: Ist das so, Herr Spahn? Haben Sie dabei nichts zu melden?
Spahn: Die gesamte Regierung ist in ständigem, engem Austausch.
Lindner: Wie auch immer, diese Wellenbrecherstrategie funktioniert nicht, sie ist nicht dauerhaft durchhaltbar. Warum keine dauerhafte Krisenstrategie, wie sie Hendrik Streeck empfiehlt oder Jonas Schmidt-Chanasit oder der Chef der Kassenärzte?
Spahn: Der Wellenbrecher funktioniert doch. Das exponentielle Wachstum ist gebrochen. Wir sind uns einig, dass das nicht reicht. Aber es ist gelungen – einmal mehr.
Lindner: Das Erfolgskriterium für den Wellenbrecher ist für mich nicht nur die Senkung der Zahlen, sondern auch die Zeit danach. Kann man wieder öffnen oder wird ein dauerhafter Lockdown daraus? Nach Öffnung sieht es nicht aus. Bei einem besseren Schutz der Risikogruppen hätte man auf vieles verzichten können. Für Massenevents und Partys ist nicht die Zeit, aber die Schließung von Gastronomie, Kultur, Freizeit und Sport war unnötig. Es ist möglich, auch öffentliches, kulturelles und wirtschaftliches Leben zu ermöglichen, sofern Abstand und Hygiene eingehalten werden.
Spahn: Durch welche Maßnahme ist es denn nach Meinung der FDP in den vergangenen drei Wochen gelungen, die Welle zu brechen?
Lindner: Über die bekannten Regeln und die Kontaktbeschränkung hinaus? Durch öffentliche Kommunikation.
Spahn: Ausschließlich?
Lindner: Ja.
Spahn: Öffentliche Kommunikation, die nicht auch durch Maßnahmen und Entscheidungen unterlegt ist?
Lindner: Ich frage umgekehrt: Gibt es irgendwelche Studien, die Grundlage wären, um Gastronomie und Kultureinrichtungen zu schließen, auch wenn dort Hygienekonzepte eingehalten werden? Ich kenne keine. Der Italiener, der draußen vor seinem Restaurant ein Zelt mit Tischen im großen Abstand und mit Heizpilzen aufstellt, ist doch kein Infektionstreiber …
Spahn: … aber ein Risiko. Kein Hygienekonzept bringt das Risiko auf Null. Es reduziert nur das Risiko. Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Kitas, Schulen, Wirtschaft und Handel wollen wir offen halten. Deshalb müssen wir woanders Kontakte reduzieren – und zwar im Freizeitbereich.
Lindner: Es kann doch nicht um ein Null-Risiko gehen, sondern immer nur um ein verantwortbares Risiko.
Spahn: Wo würde denn ein Bundeskanzler Lindner in einer FDP-geführten Regierung ansetzen, um ein exponentielles Wachstum bei der Zahl der Neuinfektionen zu brechen?
Lindner: Kontaktbeschränkungen: ja. Schließung von Betrieben: nein, wenn ein behördlich genehmigtes Hygienekonzept vorliegt. Schutz vulnerabler Gruppen: Das sollte die nationale Kraftanstrengung sein, nicht der mit Schulden finanzierte Stillstand.
Frage: Blicken wir noch auf die Folgen der Pandemie. Wie wollen Sie die Schulden in dreistelliger Milliardenhöhe wieder in den Griff bekommen, Herr Spahn?
Spahn: Durch Wachstum. Wir haben in den letzten Jahren die Neuverschuldung auf Null gefahren, damit wir in der Krise Spielraum haben und Schulden machen können. Jetzt muss unser Ziel sein, möglichst schnell wieder zu der wirtschaftlichen Stärke zurückfinden, die wir vor Corona hatten. Unser Hauptproblem dabei ist, dass unsere Produktivität nicht wächst. Das ist für uns als alternde Gesellschaft mit unserem Sozialsystem ein Riesenproblem. Wir werden all das nur bezahlen können, wenn wir in den 2020er-Jahren ein Wirtschafts- und Produktivitätswachstum bekommen, das höher liegt als in den 2010er-Jahren.
Lindner: In der Tat: Wir müssen wieder anknüpfen an die Politik der 2010er-Jahre. Bei allen Fehlern der damaligen schwarz-gelben Koalition …
Spahn: … ich würde gern wieder mit Euch regieren, aber mit dem Umfragen-Stand heute ist das keine realistische Option ...
Lindner: … wurde dort die haushaltspolitische Grundentscheidung zur Konsolidierung getroffen. Dahin müssen wir zurück. Uns fehlt nicht nur eine Steigerung der Produktivität, die Standortbedingungen haben sich verschlechtert. Leider hängt das auch mit Entscheidungen der Politik der letzten Jahre zusammen, die Bürokratie geschaffen, den Energiepreis verteuert, Steuern und Abgaben hat steigen lassen. Eine Trendwende ist nötig, um private Investitionen wieder attraktiv zu machen.
Frage: Wie wollen Sie die dominante Rolle des Staates wieder zurückfahren – oder sind wir auf dem Weg in eine dauerhaft staatlich geprägte Wirtschaft, Herr Spahn?
Spahn: Beim Einstieg des Staates zum Beispiel in den Lufthansa-Konzern ging es auch um unser Selbstverständnis als Deutschland und EU. Es ging um die Frage: Wollen wir nach der Krise unsere Flugreisen nur noch bei der US-Linie United, bei Air China oder bei der Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate buchen können? Oder ist unser Selbstverständnis, dass es in der EU noch eine Fluggesellschaft geben muss, die in der Weltliga mitspielt? Das gilt auch für unsere Gesundheitsforschung, für Biotechnologie, für 5G und für viele andere Bereiche. In der Weltliga mitzuspielen, geht ohne staatliche Unterstützung mittlerweile nicht mehr.
Lindner: Was heißt das konkret?
Spahn: Wir werden das europäische Kartellrecht ändern müssen. Wir müssen europäische Weltliga-Player möglich machen und unterstützen. Und die können nicht allein entstehen gegen ein China, das seine Unternehmen mit den allen politischen Mitteln protegiert. Niemand will China nachmachen…
Lindner: … das hört sich aber gerade so an.
Spahn: … aber unsere Unternehmen haben keine Chance, wenn wir sie nicht klug unterstützen.
Frage: Das heißt, Sie wollen die in der Corona-Krise geschaffenen Staatsbeteiligungen dauerhaft beibehalten?
Spahn: Darum geht es nicht, es geht um Rahmensetzung. Ums Kartellrecht und darum, Technologien und Branchen zu definieren, die wir unterstützen. Nicht durch Beteiligungen, sondern durch Förderprogramme.
Lindner: Für Wachstum würde ich zuerst auf mehr europäischen Binnenmarkt bei Digitalem, Finanzen, Technik und Klima setzen, ohne rechtliche Hürden für die Startups. Wir brauchen eine neue Offenheit für Spitzentechnologie wie etwa der Gentechnik, von der wir einen Impfstoff erwarten, die aber dennoch gebremst wird. Und wo wir Spitzentechnologie wie den hocheffizienten Verbrennungsmotor haben, da sollten wir nicht verfrüht den Ausstieg beschließen. Für die Konkurrenz mit dem Staatskapitalismus in China und dem Silicon-Valley-Kapitalismus der USA halte ich unsere Soziale Marktwirtschaft für die beste Antwort.