LINDNER-Statement: Die Pandemie darf kein Freifahrtschein zum Schuldenmachen sein
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:
„[...] Wir haben erneut einen Haushalt mit einer Rekordverschuldung vor uns. Für uns ist klar: Der Staat muss reagieren auf die Corona-Pandemie. Wir wollen, dass die Betroffenen Hilfen erhalten. Der Bund nimmt im nächsten Jahr aber wesentlich mehr Schulden auf, als er müsste. Wir haben mit insgesamt 527 Anträgen gezeigt, dass die Nettokreditaufnahme halbiert werden könnte und dass zugleich noch eine Entlastung der Mitte des Landes, der Bürgerinnen und Bürger und der Betriebe möglich ist. Wir haben Vorschläge gemacht, wie wir die Solidität der öffentlichen Finanzen stärken und gleichzeitig auch einen Boost für private Investitionen und neue Arbeitsplätze auslösen können. Der Schlüssel ist, dass wir nur diejenigen neuen Schulden aufnehmen sollten, die wir wirklich benötigen. Notkredite sollte der Staat nur dann aufnehmen, wenn er zuvor alle seine fiskalischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Alleine 48 Milliarden Euro an Rücklagen reserviert Herr Scholz aber für die Zukunft, hat sie nicht eingesetzt im Jahr 2020 und will sie nicht einsetzen im Jahr 2021. Deshalb nimmt die Große Koalition mehr Schulden auf, als sie aufgrund von Corona aufnehmen müsste. Das ist nicht nur gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die letztlich die Stabilität der öffentlichen Haushalte immer sicherstellen müssen, sondern das ist auch gegenüber unseren Interessen in Europa ein Fehler. Die besondere deutsche Bonität ist so etwas wie eine Rückversicherung in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Deutschland muss wesentlich solider sein als viele andere Mitglieder der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, damit insgesamt die Stabilität des Euros erhalten bleibt. Die besondere fiskalische Diszipliniertheit Deutschlands ist auch eine Vorbildfunktion für andere in Europa. Dadurch, dass wir jetzt mehr Schulden machen, als wir eigentlich benötigten, ist es eine Einladung an andere, ebenfalls die Fragen der finanzpolitischen Solidität zurückzustellen. Die Corona-Krise droht dadurch eine neue Euro-Schuldenkrise zu werden. [...] Die Pandemie darf kein Freifahrtschein zum Schuldenmachen sein, sondern im Gegenteil, gerade auch in einer solchen Pandemie müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, so solide wie möglich zu wirtschaften. [...] Wir haben den Eindruck, hier wird ein Wahlkampfetat vorgelegt, um Reserven für die Zeit nach einer neuen Regierungsbildung anzulegen. [...]
Unverändert gibt es keine langfristig verfolgte Strategie der Viruseindämmung in Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger müssen nahezu täglich mit neuen Ankündigungen rechnen. [...] Herr Söder hat gestern Maßnahmen seines Landeskabinetts vorgestellt, Herr Brinkhaus stellt heute Regeln für das Weihnachtsfest infrage. Wir wissen nicht, was zwischen Januar und März des nächsten Jahres und bis zum Osterfest passiert. Die Menschen können sich in Wahrheit nur auf eins verlassen, nämlich dass sie sich nicht auf aktuelle Ankündigungen der Regierungen verlassen können, sondern im Grunde täglich auch Planungen über den Haufen geworfen werden können. Wir glauben, dass die Politik nicht mehr im Wochenrhythmus nachjustiert, neu justiert oder umgeworfen werden darf. Wir brauchen eine langfristig durchhaltbare Krisenstrategie. [...] Für uns steht unverändert im Zentrum der Schutz der Risikogruppen. Hier passiert zu wenig. Wir wissen, dass das Risiko zu erkranken über 65 Jahre größer wird, dass insbesondere die über 80-Jährigen diejenigen sind, die einen tödlichen Krankheitsverlauf überproportional oft zu erwarten haben. Aus diesem Grund muss die staatliche Krisenstrategie endlich den wirksamen Schutz der Risikogruppen in den Blick nehmen und zwar abgestuft. Die mit dem höchsten Risiko brauchen auch den höchsten Schutz [...] Hier fehlt uns immer noch eine flächendeckend umgesetzte, wirksame Strategie. Das wäre der Schlüssel, um die Hospitalisierung und auch die Inanspruchnahme intensivmedizinischer Kapazitäten zu reduzieren. Darin steckt dann auch gleichzeitig ein Schlüssel, um im Frühjahr unter behördlich genehmigten Hygiene-Konzepten auch wieder kulturelles und sonstiges öffentliches und wirtschaftliches Leben zu öffnen. Regional können scharfe Maßnahmen erforderlich sein, wenn eine Pandemie ein stark dynamisches, unkontrolliertes Infektionsgeschehen hat. Insofern haben wir Verständnis dafür, wenn in einzelnen Regionen Deutschlands scharfe Maßnahmen verhangen werden. Zugleich lehnen wir pauschale Ausgangssperren allerdings ab. Wir hätten Ausgangssperren auch überhaupt gar nicht in den Instrumentenkatalog des Infektionsschutzgesetzes aufgenommen. Für uns ist es widersinnig, dass ein junger Mensch ohne Krankheitsrisiko nicht am Abend unter freiem Himmel alleine Sport treiben können darf. Oder dass es einem Menschen untersagt ist, am späten Abend noch mit dem Hund einen Gang um den Block alleine zu gehen. Davon geht kein Infektionsgeschehen aus und deshalb sind das pauschale, sehr harte Eingriffe in die individuelle Bewegungsfreiheit, die wir für unnötig und auch für unverhältnismäßig halten. Eine solche Maßnahme, im Gegenteil, gefährdet noch die breite Akzeptanz der Pandemiebeschränkung, auch in Hotspots, und sollte deshalb kein Vorbild sein für andere Regionen im Land. [...]“