Christian Lindner
Pressemitteilung

LINDNER-Statement: Mehrjähriger Finanzrahmen setzt zu wenig Impulse für Bildung, Forschung und Digitales

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab zur Bilanz des Sondergipfels der EU-Staats- und Regierungschefs folgendes Statement ab:

„[…] Die Staats- und Regierungschefs haben lange miteinander verhandelt, die Dauer hat dem Ergebnis aber gutgetan. Gemessen am ursprünglichen Vorschlag liegt jetzt ein besserer, ein verbesserter Kompromiss auf dem Tisch. Erstens, das Verhältnis zwischen Zuschüssen einerseits und Krediten andererseits ist ausgewogener als in den vorherigen Vorschlägen und das setzt die richtigen Anreize für eine zielgerichtete Verwendung der neuen Mittel. Die Auszahlung wird zudem gebunden an Bedingungen und diese Bedingungen und das Erfüllen dieser Ziele, das wird kontrolliert und auch von den Mitgliedsstaaten muss das noch einmal vor Auszahlung bestätigt werden. […] Das sorgt dafür, dass diese sehr hohen Summen nicht genutzt werden, um alte bekannte Strukturdefizite zuzudecken […], sondern dass es wirklich darum geht, etwas zu tun für Arbeitsplätze, für Wettbewerbsfähigkeit, für die Transformation der Wirtschaft in Europa. Zum Zweiten konnte zum Glück ein Mechanismus verhandelt werden, mit dem Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit geahndet werden können, das ist enorm wichtig. Man kann nicht einfach nur europäisches Geld nehmen wollen, man muss auch europäische Werte achten und zwar in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Und zum Dritten: Die Möglichkeit der Europäischen Union, eigene Anleihen vergeben zu können, eigene Schulden aufnehmen zu können, ist als einmalige und auslaufende Ausnahme ausdrücklich genannt worden. Das ist ein wichtiger Fortschritt, alles andere hätte den Charakter der europäischen Finanzpolitik fundamental verändert. Es wäre eine Einladung in der Zukunft gewesen, kostspielige Programme mit Schulden zu finanzieren und genau das passiert jetzt nicht. Da es sich dennoch aber um eine neue Finanzierungsart handelt, wollen und werden wir prüfen, ob dafür nicht eine Zweidrittelmehrheit des Deutschen Bundestages zur Ratifizierung nötig ist. Beim ersten Blick auf dieses neue Finanzierungsinstrument erscheint uns eine einfache Parlamentsmehrheit mindestens politisch nicht geboten zu sein.

Es gibt auch Schattenseiten […]. Der mehrjährige Finanzrahmen bleibt hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten zurück. Es gibt viel Besitzstandswahrung, leider aber sehr wenig neue Impulse für Bildung, für Forschung, für Digitales, für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik oder den gemeinsam verantworteten Schutz der europäischen Außengrenze. Immerhin ist der mehrjährige Finanzrahmen Monate vor dem ursprünglich erwarteten Zeitpunkt beschlossen worden oder zumindest politisch fixiert worden. Das ist ein Signal der Handlungsfähigkeit. Wenn man es bilanziert, kann man nun aus der deutschen Perspektive folgendes feststellen: Dieser Kompromiss stärkt Europa und zugleich dient er wesentlich besser auch unseren deutschen Interessen, als die ursprünglichen Vorschläge. Dieser Fortschritt wäre nicht denkbar gewesen ohne den Einsatz der sogenannten ‚Sparsamen Vier‘ und insbesondere unseres Parteifreundes Mark Rutte, dem Ministerpräsidenten der Niederlande. Herr Rutte vertritt stärker den deutschen Ansatz, Auszahlungen und Mittelzusagen an Regeln und Bedingungen zu knüpfen, als dass die Bundesrepublik Deutschland das heute selbst tut. Da hat es also eine deutliche Veränderung in der europäischen Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Man kann vielleicht auf den Punkt bringen: Der eigentliche Nachfolger von Wolfgang Schäuble in Europa ist Mark Rutte […]. Es ist nicht sinnvoll, wie Herr Macron das macht, die Niederlande, die ‚Sparsamen Vier‘ insgesamt, als die neuen Briten zu bezeichnen. Die Niederlande, auch Schweden, das sind doch Länder, die absolut proeuropäisch sind. Das sind nur eben Länder, die eine solide Haushaltspolitik befürworten. Deshalb sollte Herr Macron, und vielleicht muss auch Frau Merkel angesprochen werden, einsehen, dass es schlicht keine Mehrheit für eine Schuldenunion und für die Vergemeinschaftung von Risiken und Haftung innerhalb der Europäischen Union gibt, sondern dass es eine starke Fraktion gibt, die die ursprüngliche deutsche Position vertritt, dass es eine finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geben muss. Das ist ursprünglich eine deutsche Position gewesen. Insgesamt stellen wir uns die Frage nach dem Charakter der deutschen Europapolitik. Früher war es so, dass war immer auch unser liberaler Ansatz, dass Deutschland als Mittler aufgetreten ist und sich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union später immer gesehen hat als Anwalt der kleinen und mittleren Mitgliedsländer der Europäischen Union. Diese Rolle haben wir jetzt verlassen und es wäre für die Zukunft zu überlegen, ob nicht gerade für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland die ursprüngliche Rolle die eigentlich passende ist, Impulsgeber zu sein, aber immer auch die Interessen der kleinen und mittleren Mitglieder der Europäischen Union in den Blick zu nehmen. Das hat in der Vergangenheit zu einer positiven Entwicklung des europäischen Gemeinschaftsprojekts beigetragen und könnte das Gewiss in der Zukunft ebenfalls.“

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