LINDNER-Statement: Dauerhaft durchhaltbare Krisenstrategie und keine Fortsetzung der Salamitaktik
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:
„Es wird morgen wieder eine Bund-Länder-Runde geben, die über die weitere Reaktion auf die Corona-Pandemie beraten wird. Erste Informationen sind bereits bekannt. Aus unserer Sicht ist es im Dezember erforderlich, dass wir Kontakte reduzieren, dass wir Kontakte beschränken, das findet unsere Unterstützung. Aber uns fehlt unverändert eine Debatte darüber, unter welchen Bedingungen eigentlich öffentliches, kulturelles und wirtschaftliches Leben wieder stattfinden kann. [...] Man kann sehr schnell einen Stillstand befehlen, der Neustart braucht Vorbereitung und Vorlauf, beispielsweise im kulturellen Bereich. Eine solche Diskussion findet gegenwärtig nicht statt. Aus unserer Sicht ist es ebenfalls nicht notwendig, dass auf Dauer gastronomische Betriebe oder Museen geschlossen bleiben, denn unter den geeigneten Bedingungen, mit den richtigen Hygiene-Konzepten ist es auch möglich, dass dort wieder Leben stattfindet. Zum Zweiten fehlt uns ein klares Bekenntnis zu einem regional differenzierten Vorgehen. Wenn in Bayern bei Herrn Söder die Pandemie noch sehr viel mehr Infektionen verursacht als in Schleswig-Holstein, dann muss es regional unterschiedliches Vorgehen geben. […] Ein regional differenziertes Vorgehen ist freiheitsschonend und zugleich ein Beitrag, um die dauerhafte Akzeptanz der Corona-Maßnahmen zu sichern. Es hat Fortschritte gegeben beim Schutz der besonders gefährdeten Gruppen, Menschen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen. Es ist zu begrüßen, dass es jetzt FFP2-Masken gibt, die ausgegeben werden und auch eine größere Zahl von Schnelltests pro Pflegebedürftigen findet unsere Unterstützung. Das sind Bausteine, um einen wirksamen Schutz der besonders gefährdeten Menschen vorzunehmen, aber das ist noch nicht ein abschließendes Konzept. Die Zahl der Betroffenen in Pflegeeinrichtungen ist für uns zu hoch, denn das sind die Menschen, die dann ins Krankenhaus müssen, die intensiv-medizinisch betreut werden müssen und oft sind dort dann auch die Sterbefälle zu beklagen. Unsere nationale Kraftanstrengung muss sich wesentlich stärker konzentrieren auf den umfassenden Schutz der Menschen mit Vorerkrankung und der älteren Menschen. Es geht nicht darum, sie zu isolieren, aber eine systematische Teststrategie, die systematische Ausgabe von FFP2-Masken zu verbinden mit einem entzerrten Alltag, in dem zum Beispiel auch am Sonntag eingekauft werden kann oder es unter der Woche exklusive Zeitfenster für Menschen mit eben einem besonderen Gesundheitsrisiko gibt, Taxigutscheine, statt auf den Bus verwiesen zu werden, aktive Nachbarschaftshilfe und weiteres mehr. Damit würden wir nicht nur die besonders Gefährdeten schützen, sondern das wäre auch ein Beitrag dazu, für die Gesellschaft insgesamt wieder mehr Öffnung und Bewegungsfreiheit zu erreichen. Und zuletzt wünschen wir uns von der Regierung eine Offensive für den Impfschutz. [...] Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist gemessen an dem Grad der Bedrohung und der Freiheitseinschränkungen noch zu gering und es ist eine Aufgabe der Bundesregierung, bereits jetzt daran zu arbeiten, dass die Menschen sich impfen lassen. […] Wir werden die Ergebnisse morgen daran messen, ob sie eine dauerhaft durchhaltbare Krisenstrategie darstellen oder ob es eine Fortsetzung der Salamitaktik gibt. […]
Herr Scholz hat über eine, ich sage mal, Tischvorlage dem Haushaltsausschuss mitgeteilt, wie viel erheblich höher er im nächsten Jahr die Nettokreditaufnahme anzulegen gedenkt. Das muss sorgfältiger begründet werden, weil der Deutsche Bundestag ist der Haushaltsgesetzgeber. Hier gibt es die Prinzipien der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit. Viele von den Milliarden, die die Regierung in diesem Jahr ins Schaufenster gestellt hat, sind überhaupt noch gar nicht irgendwo angekommen. Das widerspricht dem Prinzip der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit. […] Wir wollen sehr genau wissen, welche Gelder eingesetzt werden und wofür. Und im Übrigen muss irgendwann kritisch die Frage danach gestellt werden, sind diese Schulden eigentlich in dieser Höhe tatsächlich notwendig, wenn das Geld nicht abfließt oder wenn das Geld für anderes als für pandemiebedingte Ausgaben eingesetzt werden soll. Der Bundesrechnungshof warnt bereits davor, dass inzwischen […] viele Ausgaben mit Corona begründet werden, die in Wahrheit mit der Pandemie nur in einem losen Zusammenhang stehen. Wir haben vor, Vorschläge ganz konkret einzubringen, um die Nettokreditaufnahme drastisch zu reduzieren auf das, was tatsächlich nur erforderlich ist, beispielsweise die Auflösung von Rücklagen stünde da aus unserer Sicht jetzt an. Und das hat nicht nur einen Grund in der Schuldentragfähigkeit unseres Landes, selbst die kommt irgendwann vielleicht an ihre Grenzen, sondern es hat insbesondere eine Veranlassung aus der europäischen Perspektive heraus. Denn schon jetzt wird zum Beispiel in Italien über einen Schuldenerlass gesprochen und damit drohen neue Turbulenzen an den Kapitalmärkten [...] Insofern ist finanzpolitische Solidität in unserem Land, nur wirklich die Schulden aufzunehmen, die zwingend erforderlich sind, das ist eine Investition in die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion insgesamt […] Wir werden dazu in der Bereinigungssitzung ganz konkrete Vorschläge unterbreiten und worauf wir verzichten wollen, das ist eine zusätzliche Belastung. Es ist jetzt auch [...] ein Corona-Soli ins Spiel gebracht worden. Auch aus der grünen Partei gibt es Vorschläge für zusätzliche Belastungen bei Steuern und Sozialabgaben. Der Kandidat für den Vorsitz der CDU, Herr Merz, schließt ebenfalls Steuererhöhungen nicht aus. In der jetzigen Situation ist die Ankündigung höherer Steuern und Abgaben Gift für die wirtschaftliche Belebung. Viele kämpfen um ihre Existenz, viele Betriebe haben Rücklagen und Eigenkapital verbraucht, Menschen haben die eigene Vorsorge aufgelöst oder reduziert und jetzt soll zusätzlich noch belastet werden. Das kann nicht der Weg sein. Aus unserer Sicht brauchen wir nun zwei Leitplanken: Die erste Leitplanke ist ein Moratorium für neue Staatsaufgaben und Staatsausgaben […] und zum anderen brauchen wir eine wachstumsorientierte Politik. Und Wachstum entsteht insbesondere dann, wenn wir es aus der Mitte der Gesellschaft und der Wirtschaft entfesseln, indem private Investitionen attraktiv sind und die Menschen in der Lage sind, private Vorsorge zu betreiben und auch wieder Kapital aufzubauen. Aus diesem Grund gehen unsere finanzpolitischen Vorschläge in die Richtung, die Schuldenaufnahme zu reduzieren und gleichzeitig aber fiskalische Spielräume zu eröffnen für eine Entlastung. Und unser Vorschlag ist [...] den Solidaritätszuschlag komplett und für alle bereits rückwirkend mit dem 01.01.2020 abzuschaffen und den Einkommenssteuertarif, insbesondere für die kleinen und mittleren Einkommen, leistungsgerecht abzuflachen. Für diejenigen, die in diesem Jahr mit Verlusten zu kämpfen haben, die die Existenz auch eines Betriebs gefährden können, wollen wir die komplette Verrechnung der Verluste des Jahres 2020 gegen die Steuerschuld 2019 und 2018 erreichen. […] Das wäre die unbürokratischste, am schnellsten wirksame Maßnahme der Stabilisierung auch von Betrieben mit Fortsetzungsperspektive, aber akuten Liquiditätsproblem.“