Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Wir müssen mit beiden Premierministern gut zusammenarbeiten

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab dem „ZDF-Morgenmagazin“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Mitri Sirin:

Frage: Womit rechnen Sie?

Lambsdorff: Ich rechne damit, dass das wirklich Spitz auf Knopf steht, dass der Benny Gantz den Netanjahu überholen wird, aber dass am Ende Netanjahu tatsächlich die Koalition hinkriegt und die 61 Sitze schafft, um eine Regierung zu bilden.

Frage: Aha, man könnte aber auch so fragen: Was wäre besser für das deutsch-israelische Verhältnis, der Langzeitministerpräsident Benjamin Netanjahu oder vielleicht neuer Wind mit Benny Gantz?

Lambsdorff: Also ich glaube, wir müssen mit beiden Premierministern, egal wer es jetzt werden sollte, mit beiden Kandidaten gut zusammenarbeiten. Israel ist unser wichtigster Partner in der Region, die einzige Demokratie, die wir im Nahen Osten überhaupt haben, und ein Land, dem wir ja historisch auf vielfältige Weise verbunden sind. Das heißt, egal wen die Israelis wählen, wir müssen gut zusammenarbeiten. Aber, eins ist auch klar: Netanjahu, der rumpelt schon ganz schön durch die internationale Politik. Und da ist jemand, der ein bisschen konzilianter ist und auch bereit ist, auf die Palästinenser mehr zuzugehen, wie Benny Gantz vielleicht jemand, mit dem wir es ein bisschen leichter hätten.

Frage: Wäre ja dann fast schon eine radikale Wendung in der Außenpolitik Israels, wenn Benny Gantz übernehmen würde.

Lambsdorff: Ja, ich glaube nicht, dass es radikal wird. Er wird eine Sache ganz sicher genauso machen wie Netanjahu, und das ist, die Sicherheit Israels über alles andere stellen. Da gab es ja jetzt gerade wieder einen Raketenangriff aus dem Gaza-Streifen, nördlich von Tel Aviv sind die Raketen eingeschlagen, das muss man sich mal vorstellen. Das ist wirklich hunderte von Kilometern, das ist wirklich weit weg. Und da haben die Leute Angst und kein israelischer Premierminister kann bei der Sicherheit Kompromisse machen. Aber die Art und Weise des Umgangs mit den Palästinensern, die würde sich wahrscheinlich ändern.

Frage: Die Annektierung des palästinensischen Westjordanlandes hat Benjamin Netanjahu jetzt ins Spiel gebracht beziehungsweise hat es den konservativen oder erzkonservativen Wählern quasi versprochen. Was würde das bedeuten?

Lambsdorff: Naja, also erstmal ist es ein Wahlkampfversprechen auf den letzten Metern und zeigt, wie nervös er ist, ganz klar. Ich glaube, es würde bedeuten, dass eine Gesamtlösung für den Nahen Osten schwieriger werden würde. Wir haben die Diskussion um Ostjerusalem, wir haben die Diskussion um die Golanhöhen, jetzt haben wir die Diskussion ums Westjordanland. Im Grunde gehört das alles zusammen. Wir brauchen eine gesamte Lösung, damit endlich mal Frieden zwischen Israelis und Palästinensern herrschen kann.

Frage: Aber sie haben gerade gesagt, es ist nur ein Wahlkampfversprechen.

Lambsdorff: Naja, wenn es ein Premierminister macht, ist es schon ernst zu nehmen. Das Problem ist, wenn seine Koalition hinterher sagt: „Du hast das aber gesagt, das müssen wir jetzt machen“, dann würde das natürlich die Spannungen enorm ansteigen lassen, das ist ganz klar. Deswegen, wir müssen mal schauen, wie es nach der Wahl weitergeht, mit wem er koalieren wird. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass man nicht ein Problem nach dem anderen isoliert voneinander macht, sondern dass man das macht, was die Amerikaner versprochen haben und worauf wir alle warten, nämlich mal einen umfassenden Friedensplan zu diskutieren für die Region. Das ist ja das, was am Ende die Stabilität bringen kann, die wir brauchen.

Frage: Und es sind auch die kleinen Parteien in Israel, die vielfach gewählt werden, Nicola Albrecht unsere Korrespondentin hat es gerade gesagt, fast 50 Prozent wählen eben die anderen Parteien. Dann steht da der Likud-Block von Benjamin Netanjahu und Blau-Weiß jetzt mit Benny Gantz. Was bedeutet das eigentlich jetzt für eine Bildung der Koalition?

Lambsdorff: Wahnsinnig schwierig, also irre schwierig. Wir hatten es ja in Deutschland schon nicht leicht und auch in europäischen Ländern ist es manchmal nicht so leicht, aber die haben eine ganz niedrige Hürde, die haben nur 3,2 Prozent, dann kann man schon ins Parlament. Das heißt, zehn, zwölf Parteien sind drin. Der Likud kriegt vielleicht 28, 27 Sitze, Benny Gantz so um die 30. Das heißt, man muss die ganze Hälfte durch kleine Parteien einkaufen und das ist irre kompliziert, und da sind zum Teil auch, weil Israel ist ja so demokratisch, auch verrückte Parteien bei, eine ultranationale Partei, die aber für total für Cannabis-Legalisierung ist. Wie kriegt man die in so eine Koalition? Das werden spannende und zum Teil wahrscheinlich ganz unkonventionelle Verhandlungen.

Frage: Der Benjamin Netanjahu hat auffällig häufig die Nähe von großen Politikern gesucht. In letzter Zeit natürlich war das auch wahlkampf-motiviert. Er hat sich mit US-Präsident Trump gezeigt, hat betont, wie stark sie befreundet seien, wie wichtig dieses Verhältnis ist. Was bedeutet das jetzt eigentlich, wenn er weiter am Ruder ist, für den Nahost-Friedensprozess?

Lambsdorff: Also Netanjahu ist tatsächlich ganz eng verbunden mit Trump und seinen Leuten, mit der amerikanischen Republikanischen Partei. Er ist interessanterweise auch noch in Moskau gewesen, bei Putin, weil das die beiden großen Player in der Region sind. Was es bedeuten würde, wenn Netanjahu dranbleibt, ist, dass er auf diese beiden weiter setzen wird. Und ich hoffe, ich hoffe sehr, dass er bei Trump dafür sorgt, dass die mal einen echten Friedensplan vorlegen und nicht nur isolierte Maßnahmen machen wie den Umzug der amerikanischen Botschaft. Was mir da fehlt, um es klar zu sagen, ist Europa. Europa spielt keine Rolle. Warum? Weil wir in Europa keine Einigkeit haben, wie wir im Nahen Osten uns positionieren wollen. Und wenn Europa uneinig ist, ist Europa schwach und dann kommt hier auch keiner zu Besuch.

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