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LAMBSDORFF-Interview: In Libyen ist mehr gefordert als ein reiner Waffenstillstand
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „Radio Eins“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Kerstin Hermes und Julia Menger:
Frage: Warum wird Deutschland da gerade so aktiv?
Lambsdorff: Das liegt einfach daran, dass in Europa die beiden führenden Länder, wenn es um Libyen geht, nämlich Italien und Frankreich, sich in unterschiedlichen Positionen verhakt haben und damit eigentlich nur Deutschland übrig ist, um eine diplomatisch aktive Rolle zu spielen. Ich finde es auch gut und richtig, dass die Bundesregierung das tut.
Frage: Aber welche Interessen hat denn auch die Bundesregierung an Frieden in Libyen? Möglicherweise auch die Angst vor mehr Flüchtlinge aus Nordafrika?
Lambsdorff: Natürlich, ganz klar. Wenn man an 2015 zurückdenkt und die politischen Folgen für unser Land, was unkontrollierte Fluchtbewegungen nach Europa ausgelöst haben, dann ist das auch ein legitimes Interesse Deutschlands, eine Stabilisierung in Libyen anzustreben. Übrigens, das ist ein legitimes Interesse ganz Europas, um es klar zu sagen. Insofern ist es richtig, dass Deutschland hier aktiv ist. Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen wenn Libyen stabil wäre, einmal eben die Fluchtbewegungen, zum anderen könnte man mit dem Wiederaufbau dort beginnen nach den ja inzwischen fast zehn Jahren Bürgerkrieg, nach dem Tod von Gaddafi. Und das Land ist so nah an Europa dran, das muss man sich auf der Landkarte mal angucken. Wenn man auf Sizilien oder Lampedusa oder Malta schaut, das sind alles ja Gegenden, Regionen, Länder, die so nah an Libyen dran sind, das es unser unmittelbarer Nachbar ist. Wir haben da eine Verantwortung.
Frage: Zu der Konferenz wird eine ganze Reihe von Staats- und Regierungschefs erwartet am Sonntag. Russlands Präsident Putin ist dabei, der türkische Staatschef Erdogan, US-Außenminister Pompeo, aus Asien und der arabischen Welt sind Vertreter dabei, aus der afrikanischen auch. Und eingeladen sind dann natürlich auch der libysche Premierminister und sein Gegenspieler. Also es ist eine Riesenrunde. Sollte sich Europa da vielleicht vorher nochmal zusammensetzen, um wenigstens so eine einheitliche Haltung da zu präsentieren?
Lambsdorff: Ja, schön wäre es, wenn das gelänge. Aber wie gesagt: Frankreich und Italien unterstützen jeweils andere, Italien unterstützt die formelle Regierung und Frankreich unterstützt General Haftar. Also, das heißt, wir haben keine europäische, einheitliche Position. Wenn es gelänge, die auf der Konferenz hinzubekommen, dann wäre das schon ein ziemlicher Erfolg, jedenfalls mal Europa gegenüber Libyen und den anderen Partnern. Aber es gibt hier keine einheitliche Haltung, wie gesagt, Italien und Frankreich stehen auf unterschiedlichen Seiten.
Frage: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass genau das, was Sie gerade beschrieben haben, dass dieser Erfolg am Sonntag auch möglicherweise eintritt?
Lambsdorff: Na ja, was heißt Erfolg hier konkret? Also, was wir gerade gehört haben, dass Heiko Maas von Herrn Haftar gehört hat, den schon bestehenden Waffenstillstand einzuhalten, das ist nicht besonders bedeutend. Entscheidend wäre, dass Haftar sich dazu auch schriftlich verpflichtet, also dass er nicht wie am Montag in Moskau einfach ohne Unterschrift wieder abreist. Ob das gelingen wird, ist offen, wäre aber gut. Und die eigentlich entscheidende Frage ist: Gibt es den Einstieg in einen politischen Prozess? Also gibt es den Einstieg in eine Verhandlung in Libyen, für Libyen, über Libyen, wie man dort zu einer politischen Regelung kommen kann, die alle Seiten akzeptieren und an die sie sich halten, denn das ist ja weit mehr, was da gefordert ist, als ein reiner Waffenstillstand.
Frage: Aber dazu müssten möglicherweise auch Länder, und das ist ja auch die Kritik von der Kanzlerin Merkel, sich in diesen Konflikten nicht militärisch einmischen. Ist das ein direkter Wink an die Türkei und Russland aus Sicht von Merkel?
Lambsdorff: Natürlich ist es das. Beide Länder sind da aktiv. Die Russen haben eine Söldnertruppe auf Seiten von General Haftar, die sogenannte Armee Wagner. Die Türken haben jetzt reguläre Truppen zur Unterstützung des Premierministers geschickt. Also mit anderen Worten: Hier droht ein Stellvertreterkrieg direkt vor unserer Haustür. Und die Bundeskanzlerin hat recht, wenn sie sagt: Das sollte es nicht geben, das darf es nicht geben. Die beiden Länder sollten ihre Truppen zurückziehen. Deswegen ist es wichtig, neben dem Waffenstillstand auch ein Waffenembargo durchzusetzen. Denn ein Waffenembargo hieße, dass keine Waffen in das Land geliefert werden dürfen.