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LAMBSDORFF-Interview: Jetzt muss das Gericht entscheiden
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Mittwochsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:
Frage: Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein will den katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont an Spanien ausliefern. Ist damit bereits eine klare Vorentscheidung gefallen?
Lambsdorff: Die Voraussetzungen des Europäischen Haftbefehls sind erfüllt, die Verhaftung war daher rechtlich einwandfrei. Ob das aber auch für die Auslieferung gilt, muss jetzt das Gericht entscheiden. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls ist dieser Auffassung. Es spricht also einiges dafür.
Frage: Bringt das die Bundesregierung nicht in ein politisches Dilemma?
Lambsdorff: Doch, denn für die Menschen in Katalonien ist Deutschland jetzt Partei. Sie nehmen die Lage so wahr, dass Deutschland in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit nicht auf ihrer Seite steht. Direkt nach der Inhaftierung Puigdemonts in Deutschland sind dort ja Zehntausende auf die Straße gegangen und haben demonstriert, auch vor dem deutschen Generalkonsulat in Barcelona.
Frage: In Spanien drohen Puigdemont 30 Jahre Haft. Könnte die Bundesregierung nicht doch mit einem Veto eingreifen und die Auslieferung verhindern?
Lambsdorff: Das ist ja genau das Dilemma: Ein Veto der Bundesregierung würde die spanische Regierung in Madrid massiv vor den Kopf stoßen. Das wäre eine direkte Konfrontation mit einem ganz besonders eng befreundeten Land, einem Freund und Partner. Ein Veto wäre also eine ganz schlechte Option, noch schlechter als eine Auslieferung.
Frage: Es gibt aber Zweifel daran, dass die Straftatbestände wie Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder hier erfüllt sind ...
Lambsdorff: Das Wesen des Europäischen Haftbefehls ist ja, dass er auf dem Vertrauen der EU-Mitglieder zueinander beruht. Das hat sich in vielen Tausend Fällen normaler Strafverfolgung auch bestens bewährt. Die Lage ist in diesem Fall durch die politische Dimension allerdings ganz anders. Ob Hochverrat nach Paragraf 81 unseres Strafgesetzbuches dem Straftatbestand der Rebellion in Spanien ähnelt, muss das Oberlandesgericht beurteilen.
Frage: Puigdemont und seine Anwälte wollen bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um eine Auslieferung zu verhindern. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein? Und würde das einen Aufschub der Überstellung an die spanischen Behörden bedeuten?
Lambsdorff: Man kann davon ausgehen, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichtes sehr sorgfältig und korrekt getroffen wird. Ob das Urteil dann anfechtbar wäre, steht auf einem anderen Blatt, auch, ob so etwas am Ende dann aufschiebende Wirkung für eine Auslieferung hätte. Eines aber ist klar: Puigdemont ist weder besser noch schlechter zu behandeln als andere Beschuldigte. Bei aller politischen Aufregung muss Justizia blind sein, also ohne Ansehen der Person die Rechte des Beschuldigten zu jedem Zeitpunkt wahren. Wenn das nach Puigdemonts Auffassung im späteren Verlauf des Verfahrens nur durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts möglich sein sollte und dieser Weg juristisch offen steht, dann wäre es sein gutes Recht, ihn auch zu beschreiten.