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LAMBSDORFF-Interview: Europa muss Stoppsignal nach Minsk senden
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:
Frage: Hunderttausende Menschen sind in Belarus auf den Straßen und protestieren gegen den Wahlbetrug und Machthaber Lukaschenko. Erleben wir dort friedliche Revolution wie vor über 30 Jahren in Deutschland und Osteuropa?
Lambsdorff: Belarus steht an einem historischen Wendepunkt. Es wäre den mutigen Menschen in Minsk und im ganzen Land nur zu wünschen, dass wir eine weitere friedliche Revolution erleben, die den Weg zur Freiheit ebnet.
Frage: Ist das Regime Lukaschenko am Ende? Wie entwickelt sich das?
Lambsdorff: Noch wissen wir nicht, in welche Richtung sich das Blatt wenden wird. Lukaschenko klammert sich mit brutaler Gewalt an die Macht, obwohl er sein Volk längst verloren hat. Polen und die Balten plädieren für einen runden Tisch, das ist eine sinnvolle Idee. Ich habe vorgeschlagen, die Wahlen unter genauer Beobachtung der OSZE zu wiederholen, sobald das sinnvoll umgesetzt werden kann. Dann kann es zu einem geordneten Übergang kommen.
Frage: Lukaschenko hat Russland um Hilfe gebeten. Droht dort jetzt eine militärische Lösung?
Lambsdorff: Dass Lukaschenko sich dem russischen Präsidenten Putin in den Arm wirft, zeigt, wie sehr er um sein Amt fürchtet. Bislang hat er es ja immer vermieden, sich allzu sehr an Moskau zu binden. Ich glaube aber, dieses Manöver wird nichts bringen, denn die Demonstranten sind nicht antirussisch. Verglichen mit dem Sowjet-Museum Belarus ist Russland ja richtig modern und hat auch bei den Demonstranten ein eher positives Image. Der Kreml hat insofern nichts zu befürchten und so kann eine militärische Lösung hoffentlich vermieden werden. Aber wie gesagt, es ist unsicher, wie die Dinge sich weiter entwickeln werden, deswegen wäre es gut, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor dem EU-Gipfel direkt mit Präsident Putin reden würde.
Frage: Wo bleibt ein entschlossenes Signal der EU?
Lambsdorff: Gut ist, dass Ratspräsident Michel den EU-Sondergipfel für diesen Mittwoch einberufen hat. Europa muss jetzt ein klares Stoppsignal nach Minsk senden: keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Es ist mir aber völlig unverständlich, warum gerade die deutsche Ratspräsidentschaft bislang so passiv auf die Lage in Belarus reagiert. Schon das Sondertreffen der EU-Außenminister letzte Woche wurde auf Vorschlag der schwedischen Außenministerin initiiert, nicht auf Initiative von Heiko Maas. Die deutsche Außenpolitik wirkt im Angesicht der Krise vor der Haustür der EU erschreckend ideen- und kraftlos.