Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Es braucht ein ganz klares Signal nach Minsk

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „WDR 5“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Römer:

Frage: Es macht den Eindruck, als habe sich die EU erstmal schütteln müssen und durchatmen müssen. Und dann hat sie relativ lang geschwiegen zu Belarus. Wie erklären Sie sich das?

Lambsdorff: Ich glaube, es ist wichtig, zwischen den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einen Konsens zu entwickeln. Es wäre eigentlich die Aufgabe der deutschen Präsidentschaft, das zu tun. Also Heiko Maas hätte herumtelefonieren müssen, um mal zu hören, wie die Lage ist. Offensichtlich hat das eine schwedische Kollegin getan, denn die Sondersitzung der Außenminister heute, die findet jetzt auf schwedische Initiative statt. Ich will hoffen, dass im Ergebnis klare Schritte beschlossen werden. Leider sieht es im Moment noch nicht so genau danach aus. Aber ich glaube, es braucht ein ganz klares Signal nach Minsk, dass dieses Vorgehen dort nicht akzeptabel ist.

Frage: Aber ich greife Ihre Bedenken mal auf und zitiere mal zwei Haltungen: Die Bundesregierung sagt sinngemäß: Das geht gar nicht. So hat sich der Außenminister gestern geäußert. Aus Ungarn kommt die Botschaft, man möge doch bitte die Brücken in Richtung Minsk nicht abreißen lassen. Ja, was machen wir da mit Vielstimmigkeit, auch heute nach dem Treffen? Wagen Sie mal eine Prognose.

Lambsdorff: Also, meine Prognose ist, dass es heute keine formellen Beschlüsse gibt, das ist der erste Teil der Prognose. Der zweite Teil der Prognose ist, dass Ungarn feststellen wird, dass es relativ alleine auf weiter Flur steht. Selbst seine üblichen Verbündeten, die Polen, sind, glaube ich, hier für härtere Schritte, die haben wir zusammen mit den Litauern und den Letten bereits konkrete Sachen vorgeschlagen: Einberufung eines nationalen Runden Tisches, Bestrafung der Verantwortlichen und ähnliche Dinge. Und meine dritte Prognose ist daher, dass es, wenn es heute nicht zu Beschlüssen kommt, vielleicht in einer oder zwei Wochen dann doch gelingen kann, Sanktionen gegen die Verantwortlichen zu verhängen.

Frage: Genau auf das Stichwort will ich hinaus. Es stehen Sanktionen im Raum. Wie müssten die Ihrer Ansicht nach aussehen, um auch wirklich weh zu tun?

Lambsdorff: Also, zum einen muss man die Sanktionen wieder einsetzen, die es vor 2017 schon gab. Das ist gegen die Führungsspitzen der Regierung: Einfrieren der Vermögensgegenstände, die die in der Europäischen Union haben, Reiseverbote in die Europäische Union. Aber, und das ist auch ein Vorschlag aus Litauen, das ist ja das Nachbarland von Belarus, ich glaube, es wäre gut, wenn man jetzt auch hinginge und identifizierte, wer eigentlich für ganz konkret diesen Wahlbetrug da verantwortlich ist. Und dann sind wir auf der Ebene der Wahlbehörde, da sind wir auf der Ebene der Wahlvorstände vor Ort. Das heißt, ich glaube, es wäre wichtig, dass die Menschen wirklich im ganzen Land Belarus erfahren: Diejenigen, die diesen Wahlbetrug zu verantworten haben, die werden von Brüssel bestraft.

Frage: Ja, aber sind wir da nicht eben auch auf der Ebene eines Präsidenten, der sich nicht an Recht und Gesetz zu halten hat? Muss man mit Alexander Lukaschenko weiter zusammenarbeiten?

Lambsdorff: Belarus ist ein souveräner Staat. Also, wir haben ja nicht den russischen Ansatz, dass wir, wenn uns etwas nicht passt, dort einen Bürgerkrieg vom Zaun brechen.

Frage: Nein, aber man könnte ja auch Kontakte zu Oppositionellen befürworten und auch weiter vorantreiben. Das wäre ja eine klare Gesprächshaltung, die die EU formulieren könnte.

Lambsdorff: Ja, Frau Römer, das haben wir ohnehin. Ich war ja lange, als ich noch in Brüssel war, Vorsitzender des Vorstandes des Europäischen Demokratiefonds. Wir haben von Brüssel aus die weißrussische Opposition immer unterstützt. Wir haben immer die Gespräche gesucht. Das gilt nicht nur für diesen Fonds, das gilt auch für die Europäische Kommission. Es gilt für die Parlamentarier im Europaparlament. Diese Gesprächskontakte gibt es und die natürlich zu stärken und denen zu signalisieren, dass wir an ihrer Seite stehen, ist klar. Aber ich glaube, da verlassen die sich auch darauf. Da gibt es bisher jedenfalls keinen Zweifel oder keine Hinweise darauf, dass sie sich alleingelassen fühlen.

Frage: Bisher hat Lukaschenko jedenfalls öffentlich jeden Kompromiss abgelehnt, den Dialog nicht gesucht, weder mit Außenstehenden, noch mit seinem Volk, noch mit der Opposition. Jetzt kommen aus der Nacht Nachrichten: Demonstranten sind freigelassen worden. Sehen Sie da Bewegung?

Lambsdorff: Ich sehe da eine Bewegung, aber mehr eine Bewegung im Sinne der Öffnung eines Ventils, wenn ich das mal bildlich ausdrücken darf, um Druck abzulassen. Es sind ja viele tausend Menschen völlig zu Unrecht verhaftet worden. Einige von denen werden jetzt freigelassen. Das soll, hoffentlich, das soll, hofft die Regierung dort, den Protesten vielleicht etwas von ihrer Wucht nehmen. Ich bin angesichts der Bilder aus Minsk, aber auch zu den anderen Teilen des Landes nicht sicher, ob das ausreichen wird, ob das schon sozusagen ein Ende der Proteste einläuten wird. Ich bin da eher optimistisch, dass diese Proteste weitergehen werden.

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