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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Das Ziel ist, dass der Sozialstaat effizient ist

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem Deutschlandfunk das folgende Interview. Die Fragen stellte Christoph Heinemann.

Frage: Dass drei Parteien unterschiedliche Lösungen für Probleme anbieten und verschiedene Schwerpunkte setzen, ist in einer Demokratie normal. Dass diese drei als Regierungskoalition häufig wie die sprichwörtlichen Kesselflicker miteinander streiten, bleibt gewöhnungsbedürftig. Auf dem Tisch der Ampel liegt gerade die Haushaltsplanung für dieses und das kommende Jahr. Der Bundesfinanzminister hatte seine Kolleginnen und Kollegen am Kabinettstisch zu Sparanstrengungen aufgefordert – mit mäßigem Erfolg. Einige wollen sogar mehr Geld ausgeben. Gestern berieten Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner über den Bundeshaushalt 2025. Und vor 20 Minuten haben wir Christian Dürr erreicht, den Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion. Bei der Wahl 2021 trat er im Wahlkreis Delmenhorst–Wesermarsch–Oldenburg-Land in Niedersachsen an. Guten Morgen, Herr Dürr.

Dürr: Guten Morgen, Herr Heinemann!

Frage: Herr Dürr, was hat das Treffen im Kanzleramt gestern ergeben?

Dürr: Also ich habe jetzt noch kein Detail-Ergebnisse. Aber es geht ja darum, einen Bundeshaushalt aufzustellen unter den Rahmenbedingungen, die da sind. Das ist Einhalten der Schuldenbremse. Wir wollen gleichzeitig die Belastungsquote niedriger machen in Deutschland, möglichst entlasten und eben nicht belasten, anders als Vorgängerregierung. Und deswegen geht es jetzt darum, einen Haushalt aufzustellen unter den Bedingungen, die da sind.

Frage: Wird der Haushalt Anfang Juli im Kabinett beschlossen?

Dürr: Das ist der Zeitplan, Anfang Juli. Wir haben dann ja über die Sommerpause Zeit, auch als Parlament, ihn uns in Ruhe anzugucken. Und die erste Lesung des Bundeshaushaltes, das heißt das erste Mal, dass das Parlament sich öffentlich damit beschäftigt, ist dann in der Woche im September.

Frage: Also garantiert Anfang Juli oder idealerweise?

Dürr: Also Garantien abzugeben macht ja keinen Sinn. Am Ende geht es ja vor allem um Eines: nämlich mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zurechtzukommen. Da haben Vorgängerregierungen es sich sehr, sehr einfach gemacht viele Jahre. Deswegen ist die Schuldenquote in Deutschland gestiegen. Unter dieser Bundesregierung sinkt die Schuldenquote, unter dieser Bundesregierung steigt die Investitionsquote und gleichzeitig sinkt auch die Belastungsquote. Das heißt, die Richtung, darum geht es doch. Ein Haushalt ist ja kein Selbstzweck, sondern es geht darum, richtige Dinge zu tun. Und einige Bundesminister müssen halt noch nacharbeiten.

Frage: Herr der SPD Chef Klingbeil spricht von 30 bis 40 Milliarden Euro, die eingespart werden müssen, um die Haushaltslücke für 2025 zu schließen. Wie bekommen Sie in zwei Wochen 30 Milliarden zusammen?

Dürr: Also sehen Sie mir nach, dass ich jetzt nicht öffentlich über einzelne Zahlen spekuliere, aber na ja, aber der Haushaltsplan, das heißt die Rahmenbedingungen, unter denen dieser Haushalt stattfindet, der ist ja einmütig beschlossen worden. Und zwar schon im Dezember letzten Jahres. Also alle Bundesminister, alle Fachminister haben sich dazu bekannt, unter diesen Rahmenbedingungen einen Haushalt aufzustellen. Das ist ja keine Erfindung von Christian Lindner, sondern ganz im Gegenteil, es war einmütig. Und jetzt ist einfach nur die herzliche Bitte an alle Fachminister, sich an das zu halten, was sie bereits im Dezember versprochen haben. Mehr verlangt niemand. Und ich finde, das ist auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gerechtfertigt.

Frage: Die Planung für Autobahnen soll um 20 Prozent zusammengestrichen werden. Wieso soll bei Investitionen in die Infrastruktur gespart werden?

Dürr: Also dazu gab es ja in den letzten zwei Tagen Berichterstattung. Und erste Feststellung haben wir vorhin bereits getroffen. Der Haushalt 2025 steht noch gar nicht. Und Volker Wissing hat sich dazu ja bereits gestern geäußert und hat klar gesagt, dass die Autobahn GmbH, das heißt das Unternehmen, was für den Bund die Autobahnen realisiert und auch Instandhaltung realisiert, dass die auch vernünftig ausgestattet wird. Und deswegen gehe ich fest davon aus, dass das in die richtige Richtung korrigiert wird. Denn eins ist doch klar: In Zeiten, in denen eine Vorgängerregierung anderthalb Jahrzehnte die Infrastruktur, die öffentliche Infrastruktur hat schleifen lassen, in diesen Zeiten ist es unser Job, das wieder zu korrigieren. Und das tun wir. Das haben wir jetzt seit drei Jahren bereits bewiesen.

Frage: Was heißt das jetzt?

Dürr: Ich gehe fest davon aus, dass wir auch für den Haushalt 2025, der noch in der Mache ist, dass wir auch für diesen Haushalt die Straßen ausreichend finanzieren.

Frage: Mit 20 Prozent weniger?

Dürr: Nein, ich sagte ja gerade, Volker Wissing hat ja deutlich gemacht, die Autobahn GmbH soll das Geld zur Verfügung gestellt bekommen, was sie braucht für die Infrastruktur. Und sehen Sie es mir nach, ich bin wirklich sehr Feuer und Flamme, dass wir die Ausgaben gerade für die Investitionen auf einem hohen Niveau halten. Ich will nur einmal den Vergleich wagen: Im Jahr 2024, das heißt im aktuellen Haushaltsjahr, gibt diese Bundesregierung bereits 50 Prozent mehr für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur aus als der reguläre Haushalt, der letzte reguläre Haushalt der Vorgängerregierung. Also man kann viel kritisieren und ich bin sehr dabei, gerade bei der Infrastruktur einen Schwerpunkt zu legen, gerade weil sie vernachlässigt worden ist. Man muss zumindest anerkennen, dass die Investitionen auf Rekordniveau bereits sind, weil Vorgängerregierungen haben zu wenig gemacht. Wir investieren genau in diese Kernaufgabe des Staates.

Frage: Herr Dürr, was wird aus dem Bürgergeld?

Dürr: Das Bürgergeld ist einerseits natürlich die Grundsicherung. Das war zu Hartz-IV-Zeiten auch schon. Da hat sich auch von der Höhe und der Berechnung überhaupt gar nichts geändert im Vergleich zur Vorgängerregierung. Aber gleichzeitig ist es an uns, immer wieder zu schauen, ob die Arbeitsanreize stimmen. Und da gibt es ja bereits einige Stimmen, auch in der Koalition, die bereit sind, das zu überprüfen. Ich wäre das auch. Das Ziel muss ja sein, dass wir möglichst viele Menschen in Arbeit bringen, gerade in einer Zeit des Arbeitskräftemangels. Aber auch da sehen Sie mir nach, dass ich da jetzt nicht über Einzelheiten spekuliere. Am Ende ist das Ziel, dass der Sozialstaat vor allen Dingen effizient ist.

Frage: Die SPD-Linke sagt ganz klar, da wird es keinen Sparhaushalt geben, mit Bezug auf Bürgergeld.

Dürr: Ja, ich teile die Auffassung, dass es keinen Sparhaushalt geben wird. Es geht ja auch nicht ums Sparen als Selbstzweck, sondern der Bund, die Politiker müssen das tun, was Menschen auch zu Hause tun müssen, nämlich Prioritäten setzen. Man kann sich ja nicht dauerhaft immer alles leisten und jeden Wunsch sofort erfüllen, sondern es gibt Prioritäten. Eine haben wir vorhin genannt, die öffentliche Infrastruktur. Wir setzen eine Priorität bei Bildung. Der Bund macht ja mit dem Startchancen-Programm für 4000 Schulen das größte Bildungsprogramm in der Geschichte unseres Landes. Wir haben Menschen entlastet, in den letzten zwei, drei Jahren schon. Bei öffentlicher Infrastruktur setzen wir einen Schwerpunkt. Also kurzum, Schwerpunktsetzung ist das Ziel. Und sicherlich, im Sozialstaat geht es jetzt nicht um Ausweitung. Ich glaube, das ist auch allen Beteiligten klar, sondern zu schauen, wo man Arbeitsanreize verbessern kann.

Frage: Herr Dürr, Stichwort Prioritäten. 2023 hat die überwiegend nicht geregelte Migration nach Deutschland rund 50 Milliarden Euro Kosten verursacht. Das ist etwa so viel wie der Etat der Bundeswehr. Was folgt daraus?

Dürr: Daraus folgt mehr Ordnung in der Migrationspolitik. Und auch da haben wir ja bereits umgesteuert. Denken Sie an das Rückführungspaket. Denken Sie an das Einwanderungsrecht, was jetzt darauf ausgerichtet ist, dass Menschen, die kommen, in den Arbeitsmarkt kommen und eben weniger in die sozialen Sicherungssysteme. Denken Sie daran, dass wir die Bundesregierung sind, die die gemeinsame europäische Asylpolitik ermöglicht hat. Vorgängerregierungen sind daran gescheitert. Ich will alles zusammenfassen. Reichen tut das noch nicht, und wir müssen mehr machen. Ich erwarte beispielsweise, dass die neue Europäische Kommission diese Wende in der Asylpolitik, die wir im Bund bereits machen, dass das auch auf europäischer Ebene passiert. Asyl und Flüchtlingspolitik ist ein Schiff, das sehr langsam gesteuert wird, es ist ein großer Tanker. Aber jetzt geht es darum, wieder Ordnung ins System zu bringen. Denn Menschen erwarten zu Recht, dass da Ordnung herrscht. Denn ich glaube, viele Menschen Deutschland sind offen für die Einwanderung in den Arbeitsmarkt, da wo es um Leistung geht; dass Leute, dass Menschen aus anderen Teilen der Welt ihren Beitrag leisten. Aber es kann keine irreguläre Migration in die sozialen Sicherungssysteme geben. Und das müssen wir stoppen.

Frage: Herr Dürr, Sie haben Europa angesprochen. Im weiteren Sinne im Zusammenhang mit Haushalt und Finanzen, berichtete die Welt am Sonntag an diesem Wochenende, dass Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron als Bedingung für seine Zustimmung für eine zweite Amtszeit von EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen milliardenschweren, gemeinsam finanzierten Schuldenfonds verlange. Wird die Bundesregierung solche EU-Schulden mittragen?

Dürr: Nein, weil wir solche zusätzlichen Schulden für falsch halten. Und das war ja bereits im Europawahlkampf ein Thema. Frau von der Leyen von der CDU hat ja solche europäischen Schulden gefordert. Die Freien Demokraten, das wissen Sie, sind sehr klar aufgestellt. Wir wollen uns nicht nur in Berlin an die Schuldenbremse halten, sondern auch an das europäische Recht, das solche Schulden eben nicht vorsieht. Also kurzum: Wer glaubt, dass man die Zukunft gewinnen kann, indem man heute einfach nur sich Hals über Kopf verschuldet, der liegt falsch. Sondern wir müssen jetzt Rahmenbedingungen schaffen. Und deswegen erwarte ich auch eine andere Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene – Rahmenbedingungen schaffen, die dazu führen, dass Unternehmen investieren, dass Jobs geschaffen werden, dass Wachstum geschaffen wird. Das kann man nicht auf Pump, sonst muss man anderen Rahmenbedingungen schaffen. Und das Thema Bürokratieabbau, was wir in Berlin jetzt bearbeiten, davon erwarte ich mir auch in Brüssel mehr. Da kann man noch eine Menge kostenloses Konjunkturprogramm machen, indem man Bürokratie reduziert, damit mehr investiert wird.

Frage: Was erwarten Sie bei den Haushaltsverhandlungen vom Bundeskanzler?

Dürr: Also der Bundeskanzler hat sich ja sehr eindeutig bekannt, schon vor einigen Wochen. Nicht nur zur Schuldenbremse, sondern auch dazu, dass das, was im Plan für diesen Haushalt im letzten Dezember verabschiedet worden ist, dass das jetzt auch umgesetzt wird. Insofern erwarte ich, dass wir uns an das halten, alle gemeinsam, was wir uns vorgenommen haben. Mir ist bewusst, Haushaltsberatungen sind nie einfach. Aber wir dürfen doch nicht die Fehler der CDU-geführten Vorgängerregierung wiederholen und einfach sagen 'Wir haben politische Herausforderungen und wir schütten das dann mit dem Geld der Steuerzahler zu'. Das kann nicht die Antwort sein. Da hat sich diese Bundesregierung vorgenommen, sorgsam mit dem Geld umzugehen. Und das sollten wir auch für den Haushalt 2025 tun.

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