DÜRR-Interview: Mehr Markt- statt Planwirtschaft beim Klimaschutz
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab den Nürnberger Nachrichten (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Stephan Sohr und Alexander Jungkunz.
Frage: Herr Dürr, wir erleben permanenten Streit in der Ampel. Viele haben den Eindruck, FDP und Grüne arbeiten eher gegen- als miteinander.
Dürr: Zwei Anmerkungen. Erstens: Dieses Land hat unfassbar viel aufzuholen und zu entscheiden. Eine Koalition, die Reformen anstoßen will, verursacht damit natürlich Debatten. Aber mir ist lieber, wenn man da streitig diskutiert, als wenn man nichts entscheidet – wie in der Großen Koalition. Zweitens: Mich hat nach der Sommerpause schon geärgert, dass die Familienministerin ein Gesetz blockiert, das ganz Deutschland jetzt braucht – nämlich mehr Wachstum. Das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Lindner wird den Standort voranbringen. Auch da ist in den letzten Jahren zu wenig passiert. Wenn man sich die Liste der Entscheidungen der letzten anderthalb Wochen anschaut, dann passiert da eine ganze Menge.
Frage: Wo liegen denn die Fronten beim Streit zwischen Paus und Lindner?
Dürr: Es ist in Wahrheit ein Streit innerhalb der Grünen, nicht zwischen den Koalitionspartnern. Der Wirtschaftsminister war dafür, der Finanzminister, der Kanzler – nur einzelne bei den Grünen nicht.
Frage: Wie läuft denn der Umgang miteinander?
Dürr: Wir diskutieren – auch sehr hart in der Sache, denken Sie ans Heizungsgesetz, das wir um 180 Grad geändert haben. Da gibt es natürlich Debatten. Wer das Land nach vorne bringen will, muss über den besten Weg streiten.
Frage: Experten sagen: Die Menschen im Land sind erschöpft durch die vielen Krisen. Überfordert die Ampel sie mit ihrem Trommelfeuer an Änderungen?
Dürr: Das Gegenteil ist richtig. Die Menschen erwarten eine Regierung, die handelt. Wir haben nun die Planungsbeschleunigung durchgesetzt, sodass Autobahnen und Schienen schneller gebaut werden. In der Migrationsfrage haben die unionsgeführten Regierungen Dutzende Fehler gemacht, das korrigieren wir nun mit dem Staatsangehörigkeitsrecht. Vor allem diejenigen sollen eingebürgert werden, die von ihrer Arbeit leben können. Das war bisher teils nicht der Fall. Jetzt die Hände in den Schoß zu legen wäre grundfalsch. Wir müssen Reformen aufholen, die unter CDU und CSU verpasst wurden.
Frage: In der Gesellschaftspolitik ist sich die Ampel schneller einig als bei Wirtschaftsthemen – siehe das Selbstbestimmungsgesetz, das nun kommt. Die CSU sieht darin ein „Gesetz aus dem Tollhaus“ ...
Dürr: Wir haben auch wirtschaftlich einiges geändert – bessere Chancen für Start-ups, das Migrationsthema zum Beispiel. Beim Selbstbestimmungsrecht setzen wir ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um, dazu sind wir verpflichtet. Wir lassen die Menschen selbst entscheiden, nicht den Staat. Sie wissen selbst besser, was gut für sie ist. Wenn Alexander Dobrindt meint, der Staat wisse es besser als die Menschen selbst, hat er eine grundsätzlich andere Einstellung.
Frage: Wenn die Ampel so oft streitet – wäre es dann nicht besser, das Experiment zu beenden? Das fragen sich manche.
Dürr: Deutschland ist aus der Merkel-Ära gewohnt, dass nichts entschieden wird. Wir entscheiden viel, wir ändern auch vieles. Die Alternative wäre, so weiterzumachen wie die Große Koalition. Das wäre grundfalsch. Da, wo gehobelt wird, fallen Späne. Aber wir sind in der Ampel die Partei, die für einen starken Wirtschaftsstandort steht. Da ist zu wenig passiert, deswegen scheue ich da die Auseinandersetzung auch mit den Grünen nicht.
Frage: Woran liegt es, dass Deutschland als einzige Industrienation schrumpft? Die Union sieht hausgemachte Fehler …
Dürr: Ja, leider Fehler aus Zeiten der unionsgeführten Bundesregierung. Die Union betrieb eine zu riskante Energiepolitik, stieg aus zu vielen Quellen aus – Kernkraft, Aus für den Verbrenner ... Wir sagen: Wir müssen auch wieder in Technologien einsteigen. Nicht der Verbrenner ist das Problem, sondern der Brennstoff. Nicht die Ölheizung ist das Problem, sondern fossiles Öl – synthetisches Öl nicht. Jetzt will die Union auf einmal alles besser wissen. Das spricht schon Bände.
Frage: Der Expertenrat hat der Ampel bei den Klimazielen ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Was läuft da schief?
Dürr: Einige im Expertenrat glauben, dass der Staat alles regeln kann. Aber Klimaschutz ist eine Frage von Innovation, von neuen Technologien. Wir haben Ende des Jahrzehnts erste Kernfusionsreaktoren in den USA, die Strom liefern. Die sollten auch in Deutschland gebaut werden können.
Frage: Sind die Ziele beim Klima falsch gesetzt?
Dürr: Sie sind teils planwirtschaftlich gesetzt worden. Die sektorale Betrachtung macht keinen Sinn, die Bereiche sind miteinander vernetzt. Klimaschutz mit Planwirtschaft – das ist gescheitert. Stattdessen machen wir das mit Innovationen. Mit Markt- statt Planwirtschaft.
Frage: Ein Signal wäre ein Tempolimit. Die FDP verhindert es. Warum?
Dürr: Auch da denkt man wieder daran, was der Staat repressiv machen kann. Die Einsparung wäre nicht so groß, eine Studie ging davon aus, dass nach einem Tempolimit mehr Verkehr von der Autobahn auf die Landstraßen wechselt, das kann es doch auch nicht sein.
Frage: Was setzen Sie dagegen?
Dürr: Die Ampel wird durchsetzen, dass synthetische Kraftstoffe in Deutschland auf den Markt kommen. Die alte Koalition hatte sie verboten.
Frage: Wo sollen die Treibstoffe herkommen?
Dürr: Wir wollen sie importieren, etliche Länder sind bereit, zu liefern. Wir müssen wegkommen davon, alles auf Elektrifizierung zu setzen. Denn: Woher soll der ganze Strom denn kommen? Wenn wir den Verbrennungsmotor klimaneutral machen können, dann werden wir unsere Klimaziele leichter erreichen.
Frage: Was kostet synthetischer Diesel?
Dürr: Das kommt auf die Nachfrage an. Und ob es steuerlich attraktiv ist – wir wollen die Gleichstellung mit anderen klimaneutralen Mobilitätsangeboten.