Fraktionsvorsitzender
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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Man muss Prioritäten setzen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „web.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Fabian Hartmann und Fabian Busch.

Frage: Herr Dürr, zerbricht die Ampel am Bundeshaushalt?

Dürr: Nein. Wir haben jetzt dreimal bewiesen, dass wir auch unter schwierigen Bedingungen einen Haushalt aufstellen können. Vor allem halten wir die Schuldenbremse seit letztem Jahr wieder ein. Das hat die Große Koalition am Ende ihrer Regierungszeit nicht mehr geschafft.

Frage: Das Land steht vor großen Herausforderungen, die Infrastruktur ist teilweise marode. Warum hält die FDP trotzdem so eisern am Sparkurs fest?

Dürr: Es ist ein bisschen wie zu Hause: Geld ist nie im Überfluss da. Man muss Prioritäten setzen. Für den Bund sind das äußere und innere Sicherheit, Verteidigung, Bildung und Infrastruktur. Aber es ist nicht mehr für jede Subvention Geld da.

Frage: Sparen und investieren – geht beides gleichzeitig?

Dürr: Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, in denen die Staatsverschuldung zurückgeht: von 70 Prozent auf jetzt unter 65 Prozent der Wirtschaftsleistung. Gleichzeitig ist der Anteil der Investitionen im Bundeshaushalt gestiegen: Er ist um 50 Prozent höher als der letzte reguläre Haushalt der Großen Koalition. Das zeigt: Man kann auch mit weniger steuerlicher Belastung und weniger Schulden mehr investieren, nämlich indem man unsinnige Ausgaben kürzt. Wir müssen weg von der Denkweise aus Zeiten der Großen Koalition. Die hat Probleme mit viel Steuerzahlergeld zugeschüttet – in der Hoffnung, dass die Probleme damit weggehen. Das ist einfach Quatsch.

Frage: Mit ihrer Haltung zur Schuldenbremse steht die FDP aber zunehmend allein da. Die Wirtschaftsweisen, der Internationale Währungsfonds, auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten: Alle sprechen sich für eine Reform der Regel aus, wonach die Neuverschuldung des Bundes nur 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen darf.

Dürr: Im politischen Raum steht die FDP bei der Schuldenbremse relativ allein da, das stimmt. Aber die Mehrheit der Menschen in Deutschland will die Schuldenbremse. Es muss eine Partei geben, die diese von vielen Menschen geteilte Position vertritt – auch wenn das im politischen Raum unbequem ist. Ohne die Freien Demokraten gäbe es die Schuldenbremse schon lange nicht mehr.

Frage: Es geht vielen ja gar nicht um eine Abschaffung der Schuldenbremse. Sondern um eine Reform, die die Regel zumindest ein bisschen flexibler gestalten würde.

Dürr: Die Schuldenbremse ist bereits ein relativ flexibles Instrument. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass sie für besondere Situationen Ausnahmen zulässt.

Frage: Die FDP versucht offenbar, ihre Linie zu 100 Prozent durchzusetzen. Politik funktioniert doch nur, wenn man bereit ist, Kompromisse einzugehen.

Dürr: Diese Art Politik ist von gestern, wenn ich das so deutlich sagen darf. Es kommt nicht so sehr darauf an, ob etwas Gutes herauskommt – aber Hauptsache alle Parteien sind zufrieden? Das halte ich für falsch. Wir sehen in der Bevölkerung eine Mehrheit für die Einhaltung der Schuldenbremse und auch für unsere Haltung zur Migration: Wir brauchen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, aber weniger irreguläre Migration in die sozialen Sicherungssysteme.

Frage: Bei SPD und Grünen kommt das nicht immer gut an.

Dürr: Die Mehrheit der Menschen sieht es aber auch so. Und dann ist es unser Job, das in der Regierung durchzusetzen. Wie kompromissfähig wir trotzdem sind, zeigt die Tatsache, dass wir seit zweieinhalb Jahren in der Ampel regieren. Das Bündnis ist eine inhaltliche Herausforderung, aber vielleicht lässt sich eine klare FDP-Position dort manchmal sogar besser durchsetzen.

Frage: Auf den Kanzler nimmt inzwischen auch der Druck in der eigenen Fraktion zu. Alle SPD-Flügel wollen mehr Schulden. Haben Sie Sorge, dass Olaf Scholz umkippt?

Dürr: Nein, der Bundeskanzler hat eines klar gesagt: Wir müssen mit dem Geld auskommen, das zur Verfügung steht. Ein kluger Satz. Im SPD-Papier lese ich vom „Dogma der Schwarzen Null“. Darum geht es aber gar nicht. Auch die Schuldenbremse lässt neue Kredite zu. Wir müssen nur klug agieren und die richtigen Schwerpunkte setzen. Dann kommen wir auch zu einem Bundeshaushalt, mit dem alle Koalitionspartner leben können – und der gut für das Land ist.

Frage: Trotzdem: Je näher der nächste Wahltermin rückt, desto mehr muss der Kanzler auch wieder die Nähe seiner Fraktion suchen – und sozialdemokratische Politik pur vertreten.

Dürr: Als Freidemokrat will ich mich nicht einmischen, aber: Es ist nicht sozialdemokratische Politik, Menschen in Arbeitslosigkeit verharren zu lassen oder Subventionen zulasten der hart arbeitenden Mitte zu verteilen. Es braucht eine Trendwende. Und darum geht es im Bundeshaushalt: Akzente setzen für wirtschaftliche Dynamik, mehr Jobs, mehr Wohlstand für alle. 

Frage: Olaf Scholz hat im Bundestag von der Bedeutung von Wirtschaftswachstum gesprochen. Auch die FDP fordert die Wirtschaftswende. Was dürfen wir erwarten?

Dürr: Sehen Sie es mir nach, dass ich nicht den Verhandlungen in der Koalition vorgreife. Eines aber ist klar: Unser Wachstumspotential – also das, was unter Vollauslastung möglich wäre – ist zu gering. Es ist unsere Verantwortung, das zu ändern. Manche deutsche Mittelständler gehen in die USA, investieren dort. Das müssen wir ändern – auch, indem wir endlich Bürokratie abbauen.

Frage: Ihre Partei beklagt mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig stimmen die FDP-Minister im Kabinett für ein Rentenpaket, das zu steigenden Beiträgen für die arbeitende Mitte führt.

Dürr: Zunächst: Wir haben das Generationenkapital beschlossen. Das ist historisch. Erstmals legt der Staat am Kapitalmarkt Geld an, wovon die Beitragszahler in Zukunft profitieren – und die Renten gesichert werden. Das ist auch der FDP wichtig. Und trotzdem müssen wir über weitere Schritte nachdenken: mehr Flexibilität beim Renteneintritt und ja, auch das Generationenkapital kann nur ein erster Schritt sein. Es braucht mehr Kapitaldeckung.

Frage: Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Die Ampel ist mit ihrer Streiterei inzwischen selbst ein Standortrisiko.

Dürr: Diese Koalition hat unfassbar viel zu bewältigen – vom Umgang mit der Energiekrise über einen Krieg in Europa bis hin zu den wirtschaftlichen Problemen, die wir geerbt haben. Aber ich muss selbstkritisch sagen: Manche Auseinandersetzung hätte so nicht sein müssen. In der Sache bleibt es aber richtig, dass wir uns dafür entschieden haben, Probleme nicht immer nur mit mehr Geld zuzuschütten. Das war jahrelang die Politik der Großen Koalition – und das war falsch. 

Frage: Am 17. Juli soll der Bundeshaushalt final stehen. Was ist, wenn die Ampel sich nicht einigt?

Dürr: Der Bundeshaushalt wird Ende November, Anfang Dezember erst vom Parlament beschlossen. Wir sind also sehr gut im Zeitplan. Ich halte auch nichts davon, um ein Datum herumzutänzeln. Am Ende muss das Gesamtpaket stimmen. Und das ist ein Bundeshaushalt im Rahmen der Schuldenbremse.

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