DÜRR-Interview: Keine Zeit für Wahlgeschenke
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Rudolph:
Frage: Ja, wir hören, dass Finanzminister Scholz auch in diesem Jahr mit ein paar unverplanten Milliarden rechnen kann. Erwartet wird, das berichtet zumindest das Handelsblatt, ein Überschuss knapp unter 10 Milliarden. Sind die fetten Jahre also doch noch nicht ganz vorbei?
Dürr: Na, sie laufen sozusagen aus. Ich meine, wir hatten Jahre der Hochkonjunktur, fantastische Steuereinnahmen, Arbeitsmarkt hat sich gut entwickelt, dadurch auch weniger Ausgabenlast in Teilen und, das darf man nicht vergessen, die EZB hat ja nicht nur die Sparer geärgert mit niedrigen Zinsen, sondern auch dem Bundesfinanzminister kräftig geholfen, also bei der Schuldenlast wird immer umgeschuldet, sind immer weniger Zinslasten entstanden. Diese Sondereffekte muss man im Kopf haben, wenn man die Steuerschätzung jetzt betrachtet. Das wird nicht auf Dauer sein.
Frage: Wo Sie das gerade ansprechen, die Zinslasten, vor allem bei den Zinsausgaben, da wird im Haus Scholz ja gern großzügig geplant, um so einen Puffer im Haushalt zu schaffen. Ist das eigentlich sinnvoll?
Dürr: Ne, das ist nicht sinnvoll. Ein Haushalt, da spricht man von Klarheit und Wahrheit, das heißt, es muss das abgebildet werden, was erwartbar ist, und da legt sich Olaf Scholz, sein Vorgänger hat es auch gemacht, Herr Schäuble, immer so ein kleines Polster zurecht, um nachher zu glänzen. Am Ende muss man sagen, ist das nicht das sozusagen phantastische Verhalten des Finanzministers, sondern erstens gute Steuereinnahmen und zweitens eben diese Nullzinspolitik, von der ja die privaten Haushalte gerade nicht profitieren, also die Sparer zahlen da kräftig drauf, wir reden ja schon über Minuszinsen für Konten. Also, das belastet die privaten Haushalte, der Finanzminister freut sich.
Frage: Ja, und so entsteht auf jeden Fall erst mal der Eindruck, es geht ja doch noch ganz gut, die Steuereinnahmen sprudeln. Das schafft natürlich Begehrlichkeiten, neue. Was wünscht sich denn die FDP?
Dürr: Na, ich wünsche mir vor allen Dingen, dass nicht neue Projekte kommen, die zusätzlich quasi als Wahlgeschenke auch jetzt im SPD-internen Wahlkampf, Herr Scholz ist ja im Rennen als SPD-Vorsitzender und er macht ja kräftig Druck beim Thema Grundrente, von dem alle Experten sagen, dass das nicht zielgenau ist, dass es nicht den Richtigen hilft, die wirklich im Alter vor einer Armutsfalle stehen. Also, diese Projekte werden unfassbar teuer, die werden auch den Haushalt auf Dauer belasten, davon rate ich dringend ab und hoffe, dass Olaf Scholz das Geld der Steuerzahler dafür nicht benutzt. Was unsere Forderung ist, ist ganz klar, nämlich sich an die Verfassung zu halten und zum 01.01.2020, wie es versprochen war, den Solidaritätszuschlag vollständig für alle abzuschaffen, auch für die kleinen Familienbetriebe, die ihn ja weiterzahlen sollen in Zukunft nach dem Willen der Großen Koalition. Also, jetzt ist gerade vor dem Hintergrund, dass die Konjunktur etwas schwächelt, die Zeit der Entlastung, um der Konjunktur auch über diese Delle zu helfen. Das, was der Bund am einfachsten machen kann, braucht er kein Bundesrat für, keine Landesregierung fragen, das ist die Abschaffung des Soli.
Frage: Herr Dürr, aber Beschäftigung und Konsum sind weiter hoch, sind da Steuersenkungen wirklich vorrangig?
Dürr: Na ja, was wir wissen, ist, dass die Unternehmensbesteuerung in Deutschland in Europa am höchsten ist. Wir tragen die rote Laterne mittlerweile, die letzte große Steuerreform geht auf die Zeit von Gerhard Schröder zurück. Würde mich freuen, wenn sich die SPD daran erinnert, dass das ja dann die Konjunktur, die Hochkonjunktur erst geschafft hat. Also, müssen wir jetzt aufpassen, dass wir beim Steuerwettbewerb nicht hinten liegen. Die Vereinigten Staaten, kann man kritisch zu stehen, aber die haben alle eine Unternehmenssteuerreform gemacht, das heißt, unsere Unternehmen sind besonders hoch belastet, haben viel Bürokratie auszuhalten und gerade wenn sich die Weltkonjunktur abschwächt, dann muss man im Steuerwettbewerb gut dastehen, damit der Mittelstand auch mithalten kann. Und deswegen ist eine Unternehmenssteuerreform sinnvoll und übrigens zahlen ja auch Unternehmen den Soli, das heißt, dass wäre als kurzfristige Maßnahme würde sofort helfen. Alle reden davon in Berlin, aber keiner macht was. Unsere Forderung ist da beim Soli als erstes ranzugehen.
Frage: Herr Dürr, nun gehen die Steuerschätzer in ihrer Prognose ja immer ein paar Jahre weiter als nur bis ins nächste Jahr und da drohen dann ganz andere Unsicherheiten: Umbrüche in der Automobilbranche, ein schwächeres Wachstum. Wie reagieren wir denn darauf?
Dürr: Na ja, vor allen Dingen auf eine immer schwieriger werdende demografische Situation. Das wird ja ein bisschen verniedlicht das Thema, aber der Bundeshaushalt zahlt in diesem Jahr, wir müssen ja nicht nur die Einnahmen-, sondern auch die Ausgabeentwicklung betrachten, zum ersten Mal über 100 Milliarden Euro als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung, also nur der Zuschuss, nicht die Beitragsgelder, nur der Zuschuss. Das wird sich erhöhen im Laufe der kommenden Jahre auf ein Drittel des Bundeshaushalts. Also, insofern wird es immer schwieriger und Sie haben zurecht gesagt, die Steuerschätzer schauen ja auch in die Zukunft und da zeichnet sich ab, dass die Steuereinnahmen eher brüchig werden. Insofern ist es umso wichtiger, jetzt nicht Versprechungen zu machen, die in Zukunft noch mehr Geld kosten wie bei der Grundrente beispielsweise. Das würde den Haushalt in Zukunft in eine krasse Schieflage, auch wenn sie heute noch nicht so anfühlt, aber in Zukunft in eine ganz schwierige Situation bringen.
Frage: Herr Dürr, muss die schwarze Null denn, wenn es hart kommt, um jeden Preis verteidigt werden?
Dürr: Na, die schwarze Null ist zunächst mal auch ein politisches Symbol, das gebe ich gerne zu. Im Grundgesetz gibt es ja die Schuldenbremse, die halte ich für noch wichtiger. Richtig aber ist, dass die schwarze Null uns zumindest dazu angehalten hat, mittlerweile bei der Neuverschuldung nicht noch draufzusatteln. In der Vergangenheit hatten wir ja teilweise Jahre, da waren gute Steuereinnahmen und der Staat und die Politik hat trotzdem noch mehr Schulden gemacht. Jetzt halten wir so langsam das Maastricht-Kriterium von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein. Also, wir kommen langsam wieder in die gute Zone, aber ich halte nichts davon, zu hoffen, dass man sich sozusagen eine gute Konjunktur erkaufen kann durch Schulden. Entlastung ist angesagt, beim Soli sogar verfassungsrechtlich geboten, sagen uns alle Juristen. Da kann man was machen, aber jetzt nicht neue Schulden aufnehmen, das belastet nur zukünftige Generationen und ich habe vorhin von Demografie gesprochen, die belastet es doppelt, weil die natürlich auch mehr ältere Menschen zu versorgen haben. Also, da muss man aufpassen, dass wir es unseren Kindern nicht aufbürden.
Frage: Letzte Frage, bitte um eine kurze Antwort: Von allen Seiten kommen Forderungen an Deutschland, mehr Geld in die Hand zu nehmen: der IWF, die EU-Kommission. Tun wir zu wenig? Bitte kurz antworten.
Dürr: Nein, wir tun nicht zu wenig, wir müssen es nur für das Richtige ausgeben. Mehr für Bildung insbesondere, da kürzt die Bundesregierung in diesem Haushalt, kann ich gar nicht verstehen, 80 Millionen weniger, also in die Zukunft investieren. Bildung und Digitalisierung, da einen Schwerpunkt setzen, das wäre die Forderung.