Fraktionsvorsitzender
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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Ich bin sehr offen für eine deutliche Senkung der Stromsteuer

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwochsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Friederike Haupt.

Frage: Herr Fraktionsvorsitzender, die FDP regiert seit bald zwei Jahren zusammen mit den Grünen. Haben Sie über diese etwas gelernt, das Sie vorher noch nicht wussten?

Dürr: Ich habe gelernt, dass die Grünen großen Wert auf interne Abstimmung legen. Dadurch brauchen Dinge oft ein bisschen länger – und ich bin manchmal ein etwas ungeduldiger Mensch. Das Wichtigste ist aber, dass man zu vernünftigen Ergebnissen kommt. Wir hatten uns viel vorgenommen. Wenn ich jetzt Zwischenbilanz ziehe, sehe ich, dass wir zum ersten Mal wirklich Planungsbeschleunigung in Deutschland haben, dass wir ein Einwanderungsrecht haben, das sich am Arbeitsmarkt orientiert, dass wir in der schwierigen Phase der Energiekrise reagiert haben. Unterm Strich würde ich sagen, dass wir das Land wirklich vorangebracht haben. Wenn Sie mich vor Regierungseintritt gefragt hätten, ob es beispielsweise mit den Grünen möglich ist, ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven zu bauen, wäre ich sehr skeptisch gewesen. Jetzt muss ich sagen: Das hat geklappt.

Frage: Die Grünen können Sie also auch positiv überraschen.

Dürr: Na ja, ich will kein Geheimnis daraus machen, dass mich beispielsweise Frau Paus' Veto beim Wachstumschancengesetz irritiert hat – so wie alle Beteiligten. Im Nachhinein hat ja sogar Robert Habeck gesagt, das sei kein Glanzstück gewesen. Das will ich unterstreichen. Aber gleichzeitig führen die intensiven Diskussionen in der Koalition zu Ergebnissen. Denken Sie an die Debatte übers Heizungsgesetz, das wir um 180 Grad gedreht haben. Das waren keine leichten Debatten, und manchmal hätte ich mir gewünscht, dass sie mehr intern geführt werden als öffentlich. Aber in einem Dreierbündnis muss man eben viel diskutieren. Man muss wenig diskutieren, wenn man wenig entscheiden will. Man kann sich es auch leicht machen. Das war der Modus in Deutschland in den letzten 16 Jahren unter Führung der CDU.

Frage: Sie haben den Unterschied angesprochen zwischen konstruktivem Streit und öffentlichem Hickhack. Aber auch die FDP-Fraktion beteiligt sich am Hickhack. Am Montag zum Beispiel kommentierte Ihr Fraktionskollege Schäffler die Einigung zur Kindergrundsicherung auf der Plattform X (früher Twitter) mit der Bemerkung, es müsse jetzt auch mal wieder um etwas anderes gehen als „Sozialklimbim“. Können Sie nachvollziehen, dass Bürger abgestoßen sind von solcher Herablassung?

Dürr: Wir formulieren immer sehr präzise, wo wir Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehen. Ich glaube, ein Fehler war, dass sehr viel über die Ausweitung des Sozialstaates in Deutschland gesprochen worden ist. Da machen wir ein Stoppzeichen. Wir werden in Deutschland keine weiteren Sozialleistungen beschließen können; zuerst muss jetzt der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes kommen. Und wenn andere dann vom Aussetzen der Schuldenbremse reden oder von weiteren sozialen Wohltaten, dann muss ich sagen, nein, wir wollen klare und sortierte öffentliche Finanzen, und wir wollen wirtschaftlichen Erfolg fürs Land.

Frage: Das erklärt doch nicht, warum aus der FDP heraus Unterstützung für arme Kinder als „Sozialklimbim“ denunziert wird.

Dürr: Auf Twitter wird ja meistens etwas zugespitzt formuliert. Da könnte man auch ganz viele Zitate aus anderen Fraktionen finden, die auch sehr zugespitzt waren. Das will ich nicht gegeneinander aufrechnen. Mein Ziel ist, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten. Aber die FDP wird immer dort, wo sie eine sehr klare Position hat, auch sehr deutlich öffentlich sagen, dass diese unverrückbar für uns ist.

Frage: Das tun Sie, seit Sie regieren. Trotzdem äußern in Umfragen immer mehr Bürger, unzufrieden mit der Bundesregierung zu sein, zuletzt waren es drei Viertel der Deutschen. Warum?

Dürr: Entscheidend ist die Bilanz nach vier Jahren Regierungsverantwortung. Es ist nicht leicht, in einer Dreierkonstellation immer harmonisch zu erscheinen. Aber ich glaube, wir regieren mit Parteien, die anders sind als wir, und schaffen es gleichzeitig bei den wichtigen Punkten, uns als FDP durchzusetzen. Das ist mein Fokus. Was ich als Fraktionsvorsitzender nicht machen kann und wir als Partei auch nicht wollen, ist, inhaltlich zurückzustecken um der Harmonie willen.

Frage: Aktuell trifft sich die Koalition in Meseberg. Sie will die Wirtschaft ankurbeln, nach Ansicht von SPD und Grünen gern mit subventioniertem Strom für bestimmte Unternehmen. Auch da gibt es Streit. Gerade warf SPD-Ministerpräsident Stephan Weil Ihrem Parteivorsitzenden Christian Lindner vor, er solle seinen „ordnungspolitischen Kreuzzug“ beenden.

Dürr: Das Gebot der Stunde ist es, die wirtschaftliche Basis unseres Landes zu stärken, also die Wettbewerbsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Es geht darum, zu entlasten. Deswegen das Wachstumschancengesetz. Und ich will ganz offen sagen: Ich bin auch sehr offen dafür, im Strombereich etwas zu machen, zum Beispiel durch eine deutliche Senkung der Stromsteuer. Es ist doch wesentlich sinnvoller, Betriebe steuerlich zu entlasten, als die Belastung hoch zu halten und dann mit Steuerzahlergeld zu subventionieren.

Frage: Sie meinen eine Senkung der Stromsteuer von jetzt 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf das EU-Minimum von 0,05 Cent?

Dürr: Ja, ich bin sehr dafür, genau darüber innerhalb der Koalition zu sprechen. Damit würden wir das Problem bei der Wurzel packen. Das würde alle Unternehmen entlasten, nicht nur die energieintensiven. Denn auch für Mittelständler sind die hohen Strompreise eine Herausforderung. Dass jetzt im Konzept der SPD, wie es momentan vorliegt, vor allem der Mittelstand und die privaten Haushalte, vielleicht der Bundeshaushalt dafür zahlen sollen, dass die Industrie subventioniert wird, halte ich für falsch. Übrigens sieht es anscheinend auch der Bundeskanzler eher so wie die FDP.

Frage: Welche konkreten Entlastungen können Sie sich noch vorstellen, außer der Senkung der Stromsteuer?

Dürr: Man könnte an die Unternehmensteuer rangehen. Beispielsweise zahlen Kapitalgesellschaften nach wie vor den Solidaritätszuschlag. Das belastet zurzeit den Standort. Es ist zuletzt ein bisschen der Eindruck entstanden, den Soli würden nur noch einige wenige Wohlhabende zahlen. Nein! Den zahlen vor allem Unternehmen in Deutschland. Im ersten Schritt ist jetzt wichtig, das Wachstumschancengesetz auf den Weg zu bringen und die Energiepreise zu senken. Neben niedrigeren Steuern muss die Politik natürlich auch das Stromangebot ausweiten. Wir müssen über neue Formen der Energiegewinnung neben den Erneuerbaren nachdenken. Deswegen ist die FDP offen für Kernfusion. Wir werden in Zukunft im Mobilitätssektor nicht nur auf Strom setzen können, das belastet ja wieder den Strompreis, sondern beispielsweise auf synthetische Kraftstoffe. Auch da gilt: Wenn Sie mich vor zwei Jahren gefragt hätten, ob es uns mit den Grünen gelingt, den Verbrennungsmotor auf europäischer Ebene zu erhalten, wäre ich vielleicht skeptisch gewesen. Aber es ist der FDP in dieser Regierung gelungen, das zu tun.

Frage: Ihren Koalitionspartnern schweben andere Ideen vor, um Bürger zu entlasten. Die SPD will Mietern helfen, indem sie die Mietpreise für die nächsten Jahre einfriert.

Dürr: Das ist genau falsch herum gedacht. Die Mieten sind hoch, weil das Wohnungsangebot zu knapp ist. Also müssen wir mehr Angebot schaffen. Das ist wie bei der Energie. Wir brauchen mehr Angebot, damit Preise dauerhaft sinken können. Ich würde mir wünschen, dass wir bei den Baukosten ansetzen. Wir müssen die Vorschriften reduzieren, damit günstiger und schneller gebaut werden kann. Das senkt die Mieten. Wenn man einfach nur den Preis deckelt, das wissen wir aus der Planwirtschaft, dann wird es weniger Angebot geben. Menschen werden noch mehr als heute unheimliche Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Wohnung zu finden. Und ich habe die Bundesbauministerin auch so verstanden, dass sie wie die FDP auch großes Interesse daran hat, dass die Baukosten runtergehen. Wer einfach nur verspricht, dass Mieten eingefroren werden, verspricht das Blaue vom Himmel.

Frage: Wenn die Klausur in Meseberg vorbei ist, geht es gleich weiter – mit der FDP-Fraktionsklausur in Dresden. Was wollen Sie besprechen?

Dürr: Wir werden in Dresden über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen – wie mehr erwirtschaftet werden kann, wie wir auf die Erfolgsspur zurückkommen in Deutschland, wie wir wettbewerbsfähiger werden, wie sich Investitionen lohnen. Die Themen werden ja in Meseberg nicht abgeräumt, sondern erst anschließend richtig angepackt.

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