Fraktionsvorsitzender
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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Bei der Einkommensteuer entlasten wir um 15 Milliarden Euro

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem „Südkurier“ (Donnerstagsausgabe) und „suedkurier.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jann-Luca Künssberg. 

Frage: Herr Dürr, Sie sind bei Oldenburg in Niedersachsen zuhause, die Region leidet besonders unter den jüngsten Hochwassern. Ist Ihr Keller trocken geblieben?

Dürr: Glücklicherweise schon. Es sind aber viele Menschen bei mir im Landkreis betroffen, es ist nach wie vor eine sehr herausfordernde Situation.

Frage: Ihr Parteichef Christian Lindner hat beim Dreikönigstreffen in Stuttgart gerade gesagt: Wer unverschuldet in Not gerät, dem wird geholfen – auch abseits aller Haushaltsdiskussionen. Darin steckt aber auch eine Zukunftsfrage: Was, wenn in den kommenden Jahren mehr solcher Ereignisse passieren? Was, wenn Donald Trump Ende des Jahres wiedergewählt wird und Deutschland noch mehr Unterstützung für die Ukraine leisten muss? Wo soll dann das Geld herkommen?

Dürr: Die Frage ist: Kann man auf unerwartete Situationen reagieren? Ja, das lässt die Schuldenbremse zu. Aber auf Situationen, die unter Umständen erwartbar sind, muss sich die Politik rechtzeitig einstellen. Ein Irrglaube dabei ist die Annahme, viel Geld hülfe viel. Wenn wir über Zukunftsfragen wie den Klimaschutz nachdenken, dann ist die kluge Investition der Privatwirtschaft oftmals besser als die staatliche Subvention. Da braucht es nicht einfach nur mehr staatliches Geld, sondern manchmal einfach bessere Politik.

Frage: Aber Nothilfen im Katastrophenfall und Militärunterstützung für die Ukraine sind in jedem Fall Staatsausgaben.

Dürr: Die Ukraine fragt aktuell ja nicht nach Geld, sondern nach Wehrmaterial...

Frage: ...das auch bezahlt werden muss.

Dürr: Manche, die eine Aufweichung der Schuldenbremse fordern, scheinen zu glauben, dieses Geld müsste nicht zurückgezahlt werden. Die Wahrheit aber ist: Wenn wir mehr Schulden machen, wird ein Posten im Haushalt immer größer – nämlich die Zinsausgaben. Und dann können wir weniger in die Zukunft investieren. Wenn es ein neues Normal ist, dass die geopolitischen Herausforderungen wachsen, müssen wir uns darauf einstellen. Umso wichtiger ist dann, dass wir wirtschaftlich stark sind. Denn die geopolitische Stärke Deutschlands ist auch jetzt während des Krieges in der Ukraine seine wirtschaftliche Substanz und Solidität.

Frage: In Haushaltsdiskussionen heißt es von der FDP immer, der Staat müsse mit den Steuern auskommen, die er von den Bürgern einnehmen kann. Das suggeriert ja, das gegenwärtige Steuersystem wäre ein Naturgesetz. Dabei kann man das politisch ändern. Ist es nicht mal an der Zeit für eine große Steuerreform?

Dürr: Für Reformen bin ich immer offen. Aber Reform darf nicht Erhöhung heißen, sondern Entlastung. Wenn wir steuerlich entlasten, hilft das der Wirtschaft und führt dazu, dass die Einnahmen auch wieder steigen. Übrigens tun wir genau das gerade bei der Einkommensteuer. Allein in diesem Jahr ist das eine Entlastung von 15 Milliarden Euro.

Frage: Unbedingt. Man könnte ja zum Beispiel Einkommen von der Steuer befreien und nur noch Vermögen besteuern.

Dürr: Da wird immer so getan, bei den Vermögen ginge es um Bargeld. Das allermeiste Vermögen in Deutschland ist aber investiert – und zwar in Jobs. Das heißt: Ich teile nicht die Auffassung, mehr Steuergerechtigkeit darüber herzustellen, in dem man Betriebsvermögen stärker belastet. Sondern so, wie wir es jetzt machen: Wir schauen mehr auf die Leistungsfähigkeit – damit die, die echt was leisten, fair besteuert werden.

Frage: Die FDP setzt sich für qualifizierte Einwanderung ein. Mögliche Kandidaten entscheiden sich oft für andere Länder, weil die Einkommen hier hoch besteuert werden. Vermögen bringen Einwanderer ja kaum mit.

Dürr: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht allen alles versprechen. Geht es um eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, müssen wir schauen: Wer zahlt den eigentlich? Heute trifft es schon jene, die etwa das Anderthalbfache vom Durchschnitt verdienen, dass sie auf den nächsten Euro Spitzensteuersatz zahlen. Das heißt, es trifft ganz normale Arbeitnehmer in der Mitte. In den 1960er Jahren musste man noch das 18-fache verdienen, um an den Spitzensteuersatz heranzukommen.

Frage: Da war der Spitzensteuersatz aber auch höher.

Dürr: Der war etwas höher, aber es hat nur ganz wenige getroffen. Insofern ist es zu einfach zu sagen: Wir entlasten kleine Einkommen und andere Einkommen werden mehr belastet.

Frage: Mitte Dezember haben sich die Ampelspitzen nach langem Ringen auf einen Sparkompromiss für den Haushalt geeinigt, darunter Maßnahmen, gegen die Landwirte nun heftig protestieren. Bei denen war die Stimmung schon in den letzten Jahren nicht gut, außerdem ist ihr Mobilisierungspotenzial bekannt. Von außen stellte sich da die Frage: Wie schlecht ist die Regierung eigentlich beraten?

Dürr: Erstens hat Demokratie anders als Autokratie die Fähigkeit, sich zu revidieren. Hier geht es nicht um eine gesetzgeberische Entscheidung, sondern um einen Vorschlag, der jetzt geändert wurde. Zweitens, konkret zu den Landwirten: Das waren ja Vorschläge, die das Bundeslandwirtschaftsministerium schon mal zur Konsolidierung gemacht hatte. Und bei näherer Prüfung wurde festgestellt, dass es so nicht funktioniert.

Frage: Dabei entsteht wieder der Eindruck von Uneinigkeit. Versuchen wir es aber mal mit einer anderen Deutung: Der Zeitgeist ist harmoniebedürftig und in der Regierung sind drei sehr unterschiedliche Parteien, die die Konfliktlagen innerhalb der Gesellschaft repräsentieren und sie für alle sichtbar und also nachvollziehbar austragen. Oder wäre das dann doch zu gutmütig?

Dürr: Ich denke nicht, dass das zu gutmütig ist. Demokratie muss Streit aushalten. Der darf aber nicht unter die Gürtellinie gehen, nicht persönlich herablassend sein. Wer sich jetzt die AfD in Verantwortung wünscht, dem sei gesagt: Das bezahlen am Ende diejenigen, die hart ranklotzen, mit ihren Freiheitsrechten und mit wirtschaftlichen Einschränkungen.

Frage: Eigentlich sieht es doch auch gar nicht so schlecht aus: Im EU-Vergleich geringe Arbeitslosigkeit und hohe Beschäftigungsquote, dem DAX geht es gut, viele Unternehmen schreiben Rekordumsätze. Warum ist die Stimmung so schlecht? 

Dürr: Ja, auch die Kapitalmärkte sind zu Jahresbeginn relativ euphorisch. Ich glaube, in dieser Zeit mit vielen Veränderungen und Stressfaktoren hat da eine gewisse Mentalität eingesetzt. Corona, Krieg – das löst Bedrohungsgefühle aus, Menschen haben nachvollziehbar Angst. Mein Aufruf auch an die Union ist, diese Ängste nicht auszunutzen. Denn einfach nur zu sagen, alles sei schlecht, das ist keine Antwort, um die Zukunft zu gewinnen.

Frage: Ein anderes Thema, das gerade viele umtreibt, ist das Bürgergeld. Daten der Agentur für Arbeit zeigen, dass die meisten Langzeitarbeitslosen Geringqualifizierte sind, für die es in Deutschland immer weniger Jobs gibt. Gleichzeitig wird viel über das Fordern gesprochen, obwohl hier doch offensichtlich mehr Fördern nötig wäre, oder?

Dürr: Wir fördern ja durchaus mit Qualifikationsmaßnahmen. Und, das ist mir wichtig zu sagen: Mit der Einführung des Bürgergelds haben wir die Gehaltsgrenzen für Auszubildende geändert, damit die jungen Menschen mehr von ihrer Vergütung behalten können. Wenn man nämlich aus einer Familie kam, die Hartz IV bezog, musste man große Teile des selbstverdienten Geldes abgeben. Da gab es Menschen, die statt einer Ausbildung lieber einen Hilfsjob angefangen haben, weil da mehr für sie übrig blieb. Das haben wir geändert, und das ist ja eine Art der Förderung. Das Bürgergeld ist viel besser als sein Ruf.

Frage: In der Migrationsdebatte fordert die FDP – wie auch die Union – Asylverfahren in sicheren Drittstaaten, das sogenannte Ruanda-Modell. Eine Frage bleibt dabei aber bislang immer unbeantwortet: Wer führt diese Asylverfahren durch? Müssen dann deutsche Verwaltungsfachangestellte in Ruanda arbeiten? Sollen die Konsulate das machen?

Dürr: Das wäre denkbar. Der Arbeitsaufwand ist aber noch zu groß, unsere Konsulate sind nicht ausreichend digitalisiert. Eine erste Prüfung wäre auf dem Weg vielleicht möglich, oder mit gemeinsamem europäischem Personal. Das muss man dann sehen.

Frage: Gibt es schon konkrete Pläne, die Konsulate zu digitalisieren?

Dürr: Die Bundesaußenministerin sagt, dass sie da dran ist – ich habe eine entsprechende Erwartungshaltung.

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