Dr. Marco Buschmann
Pressemitteilung

BUSCHMANN-Interview: Wir brauchen eine Debatte über Exit-Strategien

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Rudolph:

Frage: Lassen Sie uns mal mit Zitaten beginnen: „Der schlimme Teil kommt noch“, „Wir erleben gerade die Ruhe vor dem Sturm“. Herr Buschmann, was empfinden Sie, wenn Sie über diese Worte von Gesundheitsminister Spahn nachdenken?

Buschmann: Also, das ist das Szenario, mit dem wir rechnen müssen. Wir kennen die Bilder aus Italien. Und deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten, damit im besten Falle diese Dinge nicht eintreten und im schlimmsten Falle wir ausreichende medizinische Versorgung gewährleisten können, wenn eine große Welle schwerer Infektionen über uns hereinbricht.

Frage: Herr Buschmann, aber um das mal zu verstehen, was drückt man damit aus? Heißt es, es kommt am Ende alles so schlimm, dass die Wahrheit schwer zu ertragen ist? Gibt es also so eine Art Geheimwissen, das man zum Schutz der Öffentlichkeit nicht teilt? Oder hat man schlicht keine Ahnung, wie hart die Pandemie Deutschland am Ende trifft?

Buschmann: Also, die Zukunft kennt niemand. Uns fehlt in Teilen sicheres Wissen über das Virus. Aber wir wissen, dass unter bestimmten Umständen die Folgen eben sehr schwer sein können. Das zeigen ja die Bilder aus Italien und Spanien. Deshalb muss man sich vorbereiten. Deshalb muss man Vorkehrungen treffen. In welcher Sprache man das formuliert, ist ein Stückweit Geschmackssache, aber …

Frage: Finden Sie die Sprache, die der Gesundheitsminister wählt, denn richtig? Ist die angemessen?

Buschmann: Ich finde, wir sollten jetzt nicht über Geschmacksfragen diskutieren, sondern um die Frage, ob die Maßnahmen richtig, angemessen und verhältnismäßig sind. Und darauf sollte die Kraft der Debatte gerichtet sein.

Frage: Ja, weil man eben nicht weiß, was kommt. Einher geht auch die Diskussion über Kontaktbeschränkungen im lahmgelegten Deutschland. Kann man, muss man sagen, diese Debatte wird tabuisiert?

Buschmann: Die Bundeskanzlerin bemüht sich ja ein Stückweit darum. Ich will ihr da keine bösen Absichten unterstellen. Sie hat offenbar die Sorge, dass wenn man darüber diskutiert, dass das die Akzeptanz der jetzigen Maßnahmen untergräbt. Ich glaube, es ist genau umgekehrt. Demokratie braucht transparente Debatte. Dadurch können wir möglicherweise auch kluge, abgewogene Exit-Strategien finden und ich glaube daran und ich sehe das auch, dass die Menschen reif, sehr reif mit der Situation umgehen. Deshalb brauchen wir auch eine Debatte über Exit-Strategien. Denn wenn die Menschen keine Perspektive haben, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass der jetzige Ausnahmezustand quasi unbegrenzt fortgesetzt wird, dann werden sie das auf Dauer nicht akzeptieren.

Frage: Herr Buschmann, um das aus Ihrer Sicht nochmal nachzuvollziehen: Sie sagen, das Nichtreden über eine Exit-Strategie, das Tabuisieren ist falsch?

Buschmann: Das ist falsch. Damit sage ich ja nicht, dass wir jetzt überstürzt und vorzeitig und unter Inkaufnahme inakzeptabler Risiken einfach alles lockern sollten. Das ist nicht meine Aussage. Aber meine Aussage ist: Wir müssen über den Punkt und über die Kriterien eine öffentliche Debatte führen, ab wann es eben verantwortbar ist, zu lockern, damit wir auch wieder aus diesem Ausnahmezustand herauskommen.

Frage: Als eine Möglichkeit, Ausgangsbeschränkungen wieder zu lockern, wird von einigen ja der Einsatz einer Corona-App angesehen. Sie könnte Kontaktpersonen von Infizierten schnell identifizieren und knapp die Hälfte der Deutschen würde diese App laut ARD-Deutschlandtrend auch nutzen. Wie stehen Sie denn dazu?

Buschmann: Also, erst mal alles, was einen Beitrag leistet, um Infektionswege zu unterbrechen, um Infektionsketten nachzuvollziehen, ist erst mal gut. Bei dieser Handy-App gibt es ja eine Vorgeschichte. Am Anfang wollte man Mobilfunkdaten auslesen, gegen den Willen der Menschen. Da hat man Gott sei Dank von Abstand genommen. Dann gab es eine Debatte über GPS-Daten, die sind aber zu ungenau für diese Infektionsanwendung. Mittlerweile gibt es aber gute Ideen, zum Beispiel die Bluetooth-Schnittstellen zu nutzen, und wenn man das auf freiwilliger Basis macht und die Menschen darüber schnell informiert, dass für sie ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, dann ist das eine sinnvolle Ergänzung zu den anderen Maßnahmen.

Frage: Ich frage jetzt noch einmal ganz konkret: Einsatz der App, auf freiwilliger Basis – mit der FDP machbar?

Buschmann: Absolut. Auf freiwilliger Basis ist das eine gute Ergänzung zu vielen anderen Maßnahmen, um sich gegen Infektionen zu schützen.

Frage: Sie haben die Funkzellenabfrage ja schon angesprochen. Ist Zeit vergeudet worden, auch vom Gesundheitsminister, weil man da zu lange darüber diskutiert hat?

Buschmann: Also, ich bin nicht der Meinung, dass wir in so einer Ausnahmesituation jeden Vorschlag mit rhetorischer Härte überziehen sollen, auch wenn wir ihn für falsch halten. Also, ich halte diesen Weg für falsch, ist auch technisch nicht geeignet. Aber in einer Ausnahmesituation muss man mal über alle Optionen sprechen und sie war dann ja auch Gott sei Dank schnell vom Tisch, nachdem wir das auch intensiv kritisiert haben.

Frage: Herr Buschmann, letzte Frage mit der Bitte um eine schnelle Antwort. Wie schnell, glauben Sie, kann der Motor Deutschland denn überhaupt wieder angeworfen werden?

Buschmann: Das hängt davon ab, wie lange wir ihn ausgeschaltet lassen. Das Bild des Motors zeigt ja, wenn sie ein Auto zu lange in der Garage lassen, dann rosten die Dinge auch ein. Aber wir müssen eines immer wieder sagen: Oberste Priorität hat der Gesundheitsschutz. Wir können das nicht medizinisch unverantwortbar lockern. Aber wir müssen darüber sprechen, wann und wie wir die Dinge lockern können. Denn eine gute medizinische Versorgung muss auch finanziert werden können und dafür brauchen wir auch eine starke Wirtschaft.

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