Dr. Marco Buschmann
Pressemitteilung

BUSCHMANN-Gastbeitrag: Unwürdige Debatte um Größe des Parlaments muss durch konstruktive Lösung beendet werden

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann schrieb für die „Welt“ (Donnerstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Vierhundertzehn Abgeordnete gehörten dem ersten Deutschen Bundestag im Jahr 1949 an. Heute sind es 709. Und wäre das Parlament damit nicht schon groß genug, könnte die Zahl nach der nächsten Bundestagswahl auf mehr als 800 anwachsen. Niemand kann das wollen. Denn eine so große Volksvertretung ist schwerfällig, kaum arbeitsfähig und überdies noch teuer. Ursache für diese Abgeordneteninflation sind Überhangmandate. Sie entstehen, wenn eine Partei mehr Wahlkreismandate gewinnt, als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen zustehen. Dadurch wird der urdemokratische Grundsatz „one man, one vote“ verfälscht. Ein winziger Stimmenvorsprung in wenigen Wahlkreisen kann die Stärke der Fraktionen im Parlament so verzerren, dass sie nicht mehr dem für die Sitzverteilung maßgeblichen Verhältnis der Zweitstimmen entspricht.

Das Bundesverfassungsgericht besteht daher zu Recht darauf, Überhangmandate weitgehend auszugleichen. Die verfassungswidrig unterrepräsentierten Parteien erhalten daher Ausgleichsmandate, bis die Zusammensetzung des Bundestages dem Verhältnis der Zweitstimmen entspricht. Als Union und SPD beide noch viele Direktmandate gewonnen und auch gute Zweitstimmenergebnisse erlangt haben, kam es nur zu wenigen Überhangmandaten. Die Parteienlandschaft hat sich jedoch drastisch verändert. Die Union hat bei der letzten Bundestagswahl 77 Prozent der Wahlkreise gewonnen. Zugleich stehen ihr aber nach dem Ergebnis der Zweitstimmen nur gut ein Drittel der Sitze zu. Das hat zu einer massiven Steigerung der Ausgleichsmandate geführt. Darauf muss das Wahlrecht reagieren, wenn es eine Explosion der Mandatszahl verhindern will. Das macht eine Konsequenz quasi mathematisch unausweichlich: Die Zahl der Wahlkreise muss sinken. Der Kern des Lösungsvorschlags der Freien Demokraten ist daher eine Reduzierung von 299 auf 250. Gleichzeitig soll die Sollgröße des Bundestages bei 630 liegen. So würde die Wahrscheinlichkeit von Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten drastisch verringert. Das ist auch fair. Denn der Vorschlag trägt streng dem Wählerwillen Rechnung: Weder wird einem Wahlkreissieger das Mandat versagt, weil seine Fraktion sonst überproportional groß wäre, noch wird das Zweitstimmenergebnis verzerrt. Es bleibt bei „one man, one vote“.

Für diese Idee gibt es breite Zustimmung im Parlament. Freilich leistet die Union erbitterten Widerstand. Ihr Gegenvorschlag lautet, Überhangmandate teilweise einfach nicht auszugleichen. Die Motivation ist klar: blanker Eigennutz. Denn das ist nichts anderes als ein Unionsbonus. Faktisch erhalten damit nämlich Parteien mit vielen Überhangmandaten einen Mandatsbonus. Das käme auf absehbare Zeit nur der Union zugute. Ein Mandat einer anderen Partei würde dann in Zukunft mit mehr Zweitstimmen gewählt werden müssen. Eine klare Verletzung von „one man, one vote“. Dieser pure Eigennutz wird freilich in ein staatspolitisches Deckmäntelchen gekleidet: Die Zahl der Wahlkreise dürfe nicht reduziert werden, weil Wahlkreismandate demokratisch besonders legitimiert seien. Unsere Verfassung sieht dies aber nicht so. Denn das Grundgesetz kennt kein Zwei-Klassen-System unter Abgeordneten. Im Gegenteil: Das würde den in der Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten verletzen. Zudem legen auch Listenabgeordnete auf eine Verankerung im Wahlkreis großen Wert und gehen dort ihrer Transmissionsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft nach.

Wenn die Union sich nicht bewegt, muss sich das Parlament eine Mehrheit jenseits der Union suchen. Die Freien Demokraten haben gemeinsam mit den Grünen einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, dessen Kern von anderen Fraktionen geteilt wird. Zusammen mit Linken und SPD könnte eine Reform des Wahlrechts auch ohne die Union beschlossen werden.

Wir sollten jetzt zur Tat schreiten. Die unwürdige Debatte um die Größe des Parlaments muss durch eine konstruktive Lösung beendet werden. Wenn sich hier in Kürze nichts bewegt, dann sollte die Mehrheit zur Tat schreiten.

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