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THOMAE-Interview: Zahlen sprechen nur die halbe Wahrheit
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:
Frage: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder feiert die Ankerzentren für Asylbewerber ein Jahr nach dem Streit als großen Erfolg. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Thomae: Vorsichtig optimistisch. Ich konnte mir erst kürzlich einen persönlichen Eindruck vor Ort verschaffen. Anfangsschwierigkeiten wurden an vielen Stellen ausgemerzt. Wir haben große Sympathie, alle mit dem Asylverfahren befassten Behörden unter einem Dach einzubinden, um einen Schutzanspruch schnell zu prüfen und anerkannte Flüchtlinge schnell auf die Kommunen zu verteilen. Die Residenzpflicht spielt dabei eine wichtige Rolle. Um Frustrationen vorzubeugen, sollte man über eine Anhebung der Vergütung für Hilfsarbeiten nachdenken. Als problematisch sehe ich außerdem die Größenordnung der Ankerzentren. Wenn über 700 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht werden, steigt auch das Potenzial für Eskalationen, wie wir sie im baden-württembergischen Ellwangen erleben konnten. Auch scheint die Sozialasylbetreuung noch verbesserungsfähig zu sein, wie mir berichtet wurde. Hier fehlt es an ausreichend Personal für die zum Teil traumatisierten Menschen.
Frage: Die Asylverfahren sollen in den zentralen Einrichtungen effizienter und schneller geworden sein.
Thomae: Die Zahlen sprechen nur die halbe Wahrheit. Zwar scheinen die meisten Asylverfahren innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen zu werden. Mir sind aber auch Fälle bekannt, bei denen es zu einem Aufenthalt von mehr als einem Jahr gekommen ist. Ebenso wenig sollten die Ankerzentren als Lösung aller Probleme betrachtet werden. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wählen andere erfolgreiche Ansätze. Es ist deshalb völlig unerheblich, was auf dem Türschild steht. Wichtiger ist es, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Damit dies gelingt, braucht es einen bundesweiten Migrationskonsens. Bund, Länder und Kommunen sollten sich deshalb zu einem Migrationsgipfel zusammenfinden.
Frage: Anerkannte Flüchtlinge, die wirklich Schutz brauchen, profitieren durch kürzere Aufenthaltszeiten. Ist das nicht schon ein Erfolg an sich?
Thomae: Je schneller Rechtsklarheit darüber herrscht, ob Schutz gewährt wird oder nicht, desto besser.