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LINDNER/LAMBSDORFF-Statement: Trump provoziert einen Verfassungskonflikt
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner und der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gaben zur US-Wahl folgendes Statement ab:
LINDNER: „[...] Es ist offen, wer am Ende das Rennen macht, Herr Trump oder Herr Biden. Was uns an diesem Morgen allerdings bestürzt, ist, dass der amerikanische Präsident offenbar das Wahlergebnis schon jetzt nicht akzeptieren will. Der Amtsinhaber will gerichtlich die Auszählung von Stimmen untersagen. In der Demokratie muss aber jede Stimme zählen. Das Wahlrecht und die Wahlverfahren müssen von allen Demokraten geachtet werden. [...] Gegen diesen Grundkonsens verstößt der amerikanische Präsident jetzt und das ist für uns bestürzend. In der Entscheidung von Herrn Trump, in seinen Äußerungen liegt die Gefahr einer vertieften Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, einer weiter sich vertiefenden Spaltung der amerikanischen Gesellschaft. Donald Trump provoziert einen Rechts- und Verfassungskonflikt, der sehr nachhaltig die Stabilität der USA, aber auch die Stabilität der Welt insgesamt gefährden kann. Deshalb appellieren wir nicht nur an die beiden Kandidaten in den USA und insbesondere Herrn Trump, sondern auch an die sie tragenden Parteien, insbesondere die Republikanische Partei, die Integrität des Wahlvorgangs nicht infrage zu stellen. Wer gewinnt oder wer verliert in der Demokratie, das entscheidet das Volk, und das entscheiden Bewerber nicht selbst. Unabhängig davon, wer am Ende im Weißen Haus Politik machen wird, ist der Wahlausgang für uns ein Anlass, eine Neuausrichtung unserer USA-Politik anzuregen. Wir brauchen mehr Dialog mit den Vereinigten Staaten auch über die Ebene der Regierung, der Administration hinaus. Wir können uns nicht nur auf einen amerikanischen Präsidenten stützen, sondern wir brauchen zivilgesellschaftliche Initiativen, einen zivilgesellschaftlichen Dialog. [...] Und nicht zuletzt: Wir müssen als Europäerinnen und Europäer erkennen, dass wir auf der Weltbühne selbst unseren Platz reklamieren müssen. Egal, wer im Weißen Haus Politik macht, an grundlegenden Interessenunterschieden wird sich nichts ändern. Von einem Machtwechsel in den USA können wir höchstens einen anderen Stil erwarten, aber etwa die Frage der Lastenverteilung in unserem westlichen Verteidigungsbündnis, der NATO, das wird eine Konfliktfrage bleiben. Es wird eine weitergehende Politik der USA sein, egal, wer dort im Weißen Haus ist, dass die USA ihre wirtschaftlichen Interessen zunächst einmal bei sich selbst wahren wollen. Und auch die Orientierung in den pazifischen Raum, also nach Asien, ist keine Erfindung von Herrn Trump, sondern das gab es schon unter Barack Obama. Und darauf müssen wir uns als Europäerinnen und Europäer einstellen […]“
LAMBSDORFF: „Wir sind bestürzt über die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, der sich noch während der Auszählung zum Sieger ausruft. Präsident Trump hat erklärt, er wolle die Integrität des Wahlvorgangs schützen. Integrität heißt Vollständigkeit und Korrektheit. Vollständig und korrekt ist diese Wahl erst, wenn alle gültigen Stimmen ausgezählt worden sind. Und wir dürfen nicht vergessen: In manchen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten sind die Briefwahlstimmen mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Zweitens: Das knappe Wahlergebnis zeigt, dass Präsident Trump nach wie vor Rückhalt in der amerikanischen Gesellschaft hat. Es fällt uns in Europa manchmal schwer, das zu verstehen. Deswegen ist es so wichtig, den Dialog mit Amerika zu verbreitern und zu vertiefen. Wir schlagen daher vor, mehr zu tun im deutsch-amerikanischen, im europäisch-amerikanischen Dialog. Ganz konkret würden wir vorschlagen, mehr Goethe-Institute in den Regionen aufzubauen, in denen die Anhänger von Donald Trump sitzen, und ein Konsulat im Mittleren Westen einzurichten, das unsere bisherige Präsenz, die hauptsächlich an den Küsten der Vereinigten Staaten ist, ergänzt. Letzter Punkt: Egal, wer diese Wahl am Ende gewinnen wird, wie Gerichte entscheiden, ob die Wählerinnen und Wähler tatsächlich das letzte Wort haben: Europa muss global selbstbewusster mit einer Stimme sprechen und auftreten. Und dazu ist es absolut nötig, dass von dieser Stadt, von Berlin aus, endlich darauf eingegangen wird, was Emmanuel Macron an Vorschlägen zur Entwicklung der Europäischen Union, zur Stärkung Europas gemacht hat. Das dröhnende Schweigen aus der Bundesregierung in Sachen Weiterentwicklung der Europäischen Union muss ein Ende haben. […]“