LINDNER-Interview: Wir brauchen ein Digitalministerium
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab dem „RBB Inforadio“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Alexander Schmidt-Hirschfelder:
Frage: Ist Deutschland für den digitalen Wandel gerüstet?
Lindner: Nein, leider sind wir für den digitalen Wandel nicht hinreichend gerüstet. Es ist eine fundamentale Veränderung des Lebens, des Wirtschaftens, des Arbeitens und darauf muss die Politik reagieren. Wir haben bei der Infrastruktur nicht den Stand, den wir brauchen, damit beispielsweise durch Glasfaser man auch im ländlichen Raum die neuen Märkte und Foren der Meinungsbildung erreicht. Wir haben bei der öffentlichen Verwaltung noch nicht hinreichend die Prozesse so digitalisiert, dass wir wertvolle Lebenszeit und Geld sparen. Und nicht zuletzt fehlt es an gutem Recht, dass uns, unsere Privatheit schützt. Und das dafür sorgt, dass mächtige Plattformen wie Google oder Apple oder Facebook nicht selbstherrlich über die Markt- und Lebenschancen anderer herrschen. Dafür brauchen wir neue Regeln, damit der Wettbewerb offenbleibt und nicht einzelne zu mächtig werden. Daran fehlt‘s.
Frage: Die Große Koalition hat immerhin Staatsministerin berufen, die sich um Digitales kümmern soll. Man geht also mit der Zeit.
Lindner: Die Staatsministerin selbst ist eine kluge, kompetente Frau, aber ihr fehlt der Einfluss, ihr fehlt die Personalausstattung, ihr fehlen die Finanzen, um wirklich etwas bewirken zu können. Ich mach mal ein Beispiel…
Frage: Bräuchte man also ein Digitalminister, Herr Lindner?
Lindner: Ja, man müsste das Ganze mit politischen Einfluss ausstatten. An anderer Stelle hat es die Große Koalition das ja gemacht. Es gibt einen Heimatsminister, der alle Kompetenzen bündelt, wo es um den ländlichen Raum und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse geht. Da sagte man, das muss in eine Hand, damit wir bei der Frage Tempo aufnehmen. Beim Digitalministerium mit den gleichen Argumenten macht man es nicht, anders als etwa Macron in Frankreich. Und ich finde, Digitalministerium wäre wichtiger als Heimatsministerium. Im Zweifel, wie im schwarz-gelb regiert Nordrhein-Westfalen, macht man dann eben beides, aber nicht statt Digitalministerium Heimatmuseum. Ein falsches Signal.
Frage: Die Staatsministerin sagt mit Blick auf den Nachwuchs, mehr brauche der eigentlich in der Schule nicht als Tablet, Pausenbrot und Sportsachen. Denkt sie da in die richtige Richtung, wenn es um die digitalisierte Schule geht?
Lindner: Ich bin etwas skeptisch, denn zur Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen gehört auch, das Tablet mal zu Seite zu legen und kritisch darüber zu reflektieren. Ich glaube auch nicht, dass wir in den Schulen zuerst mehr WLAN brauchen, sondern Investitionen beispielsweise in die Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Aber gleichwohl, das ist jetzt eine Bereitschaft gibt, auch beim Bildungsföderalismus etwas zu verändern, dass der Bund auch in die digitale Ausstattung der Schulen investieren kann: Einverstanden und gut. Mindestens genauso wichtig wäre aber, dass die Bundesregierung sich um die Weiterbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kümmert. Wir brauchen ein lebensbegleitendes Bildungssystem. Durch die Digitalisierung werden Arbeitsplätze wegfallen, das ist so, aber uns wird die Arbeit nicht ausgehen. Wir brauchen aber für die neuen Jobs auch Menschen, die über diese Qualifikation verfügen und das geht nur, wenn man auch in der Mitte des Lebens gelegentlich neue Module lernt, vielleicht noch Sprachkenntnisse verbessert, sich neu mit Informationstechnik beschäftigt etc. Und das ist ein eine große Aufgabe, dafür zu sorgen, dass keine Biografie eine Sackgasse wird.
Frage: Das ist ein interessanter Punkt, den Sie ansprechen, Herr Lindner. Dieses lebenslange Weiterbilden, was Digitales angeht. Sie haben es schon ein bisschen angedeutet, vielleicht noch etwas konkreter: Was kann ich dann als Arbeitnehmer tun, um mich besser auf den digitalen Wandel vorzubereiten? Für weitere Kurse habe ich ja vielleicht gar nicht mal so die Zeit.
Lindner: Ja, und genau an der Stelle wäre dann anzusetzen. Also ich stelle mir vor, dass der Bund in diesem ganzen Weiterbildungsmarkt, den wir haben, ich glaube 30 Milliarden Euro werden jedes Jahr für Weiterbildungen ausgegeben von privaten und öffentlichen Stellen. Das bedeutet zunächst einmal eine Vergleichbarkeit der Angebote zu schaffen, eine Art Zertifizierung. Ich wünsche mir, dass der Bund vielleicht im Steuerrecht stärker fördert, wenn Menschen etwas zur Seite legen, weil sie sagen, so ich werde irgendwann demnächst eine Weiterqualifikation machen. Vielleicht schaffen wir so etwas auch wie ein BAföG für die Mitte des Lebens. Wenn jemand mit 45 sagt: Ich will jetzt gerne zwei Jahre beruflich in Teilzeit gehen und die frei gewordene Arbeitszeit nutzen, um etwas zu lernen. Damit das geht und ich den Einkommensausfall kompensieren kann, warum gibt es da nicht eine Art BAföG, wie wir das bei Studierenden oder Schülern haben? Warum nicht auch für Menschen, die sich weiterbilden wollen in der Mitte des Lebens? Also, viel Kreativität und Konzeptionsarbeit ist da nötig für dieses zweite lebenslange, lebensbegleitende Bildungssystem. Wir brauchen es aber, weil wir jetzt noch gar nicht absehen können, wie sich der Arbeitsmarkt im Jahr 2030 darstellt.