LINDNER-Interview: Finanzbehörden bei Umsetzung der Hilfen nutzen
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab dem „ARD-Morgenmagazin“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Marion von Haaren:
Frage: Herr Lindner, riesige Hilfspakete der Regierung, dazu Kreditgarantien. Wie groß ist für Sie die Gefahr der Mitnahmeeffekte durch die Wirtschaft?
Lindner: Es wird einzelne Mitnahmeeffekte geben, das heißt wo Hilfen gezahlt werden, die vielleicht im Einzelnen nicht nötig gewesen wären. Ich halte das aber eher für eine Ausnahme und, um es klar zu sagen, in der Situation, in der wir sind, auch für verantwortbar. Im Gegenteil, meine Sorge ist, dass die jetzt gewährten Hilfen gar nicht zielgerichtet genug sind, gar nicht schnell genug gewährt werden, noch zu bürokratisch sind. Und deshalb ist der konkrete Vorschlag, die Bitte an Herrn Scholz, soll er doch die leistungsfähige Verwaltung, die wir in Deutschland haben, die Finanzbehörden, auch mit nutzen. Bei einem Einsatzeinbruch sollten Unternehmen aller Größen einen Antrag stellen können, dass gezahlte Steuern zurückerstattet werden. Später kann man dann genau abrechnen. Das wäre also sogar noch treffsicherer als ein Zuschuss. Aber vor allen Dingen wäre es schneller. Und, lassen Sie mich das anfügen, ich halte die Grenze von zehn Beschäftigten, wo jetzt eine Bar-Soforthilfe ausgezahlt wird, für zu niedrig. In Nordrhein-Westfalen liegt die Grenze bei 50 und 25 000 Euro. Das sollte sich der Bund zu eigen machen. Ich glaube, dass wir jetzt in der Fläche Arbeitsplätze und wirtschaftliche Aktivität erhalten müssen.
Frage: Bleiben wir noch mal bei den Mitnahmeeffekten und wenn es auch nur moralische sind. Adidas, der Schuhhändler Deichmann und die Bekleidungskette H&M, auch C&A kündigen an, ab 1. April vorerst keine Mieten mehr zu bezahlen. Ist das eine richtige Maßnahme, sollte man das der Wirtschaft allgemein empfehlen, ist das so eine Art Sofortprogramm oder ist das eine Ausnutzung eines sehr großzügigen Gesetzes, was die Regierung jetzt geschaffen hat?
Lindner: Ich kenne die wirtschaftliche Situation dieser Unternehmen im Einzelnen nicht, aber klar ist doch …
Frage: … Recht gut. Also 1,9 Milliarden bei Adidas.
Lindner: Bei C&A bin ich mir unsicher. Aber ich will es generell beantworten. Wer Hilfe jetzt nicht braucht, der sollte sie nicht in Anspruch nehmen. Und wer in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, der sollte das tun. Das betrifft übrigens auch die privaten Mieter wie die gewerblichen Mieter. Wer jetzt gegenwärtig in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, sollte es tun, denn wir dürfen ja keine Kettenreaktion auslösen. Bei einem Unternehmen wie Adidas hatte ich kein Verständnis für die zwischenzeitliche Entscheidung. Gerade die Unternehmen, die in Normalzeiten besonders ethisch und grün auftreten, müssen dann in Krisenzeiten sich an diesen Maßstäben auch messen lassen.
Frage: Was wäre denn Ihr Rezept, wer soll danach eigentlich für die Kosten der Krise einstehen?
Lindner: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden das. Der Staat agiert mit dem Geld von Ihnen und mir, dem Geld der Menschen im Land und deshalb werden wir über viele Jahre gemeinsam diese Lasten schultern müssen.
Frage: Einige besonders stark?
Lindner: Die breiten Schultern tragen auch jetzt, trugen auch vor der Krise bereits überproportional zum gesamtstaatlichen Steueraufkommen bei. Und um es klar zu sagen: Ich finde es absurd, dass in der Situation, wo wir versuchen, Betriebe zu retten, in der gleichen Sekunde wieder zukünftige Belastungen angekündigt werden. Ich halte das Gegenteil für richtig. Wir werden jetzt nach dieser akuten Krise Wiederaufbauarbeit in unserer mittelständischen Wirtschaftsstruktur leisten müssen und da wird es eher um Entlastung gehen, damit auch wieder Eigenkapital, also sozusagen Speck, aufgebaut werden kann.
Frage: Kurze Frage zum Schluss: US-Präsident Präsident Trump befiehlt dem Autohersteller GM, jetzt Beatmungsgeräte herzustellen. Würden Sie das auch für Deutschland für eine richtige Maßnahme halten?
Lindner: Wir haben eine andere Wirtschaftsstruktur. Wir haben mittelständische Betriebe, die zu 99 Prozent sehr loyal sind zu ihren Belegschaften, zum Standort, die eine hohe ethische Verantwortung tragen. Die sollen jetzt mal zeigen, was wir können. Im Wettbewerb zu den Vereinigten Staaten und China haben wir ein freiheitliches Wirtschaftsmodell, mittelständisch geprägt, und ich wäre überglücklich, wenn diese Wirtschaftsstruktur jetzt zeigt, was in ihr steckt, indem wir schnell, zielgerichtet die Produktion anpassen auf Schutzkleidung und Beatmungsgeräte und alles andere, was benötigt wird.