LINDNER-Gastbeitrag: Das Klima retten wir nur global
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner schrieb für die „Wirtschaftswoche“ den folgenden Gastbeitrag:
Die Begrenzung der Erderwärmung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie ist aber nicht die einzige Herausforderung. Politische Trittbrettfahrer nutzen die Sorge über den Klimawandel, um Marktwirtschaft und Wachstum generell infrage zu stellen. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir unser Klima nur schützen können, wenn wir zwei Dinge tun: einen klaren C02-Deckel gemäß der Pariser Ziele per Emissionshandel festschreiben und die Innovationskraft des Marktes nutzen.
Erneuerbare Energien sind die Basis für eine klimaneutrale Energieversorgung. Es wird aber nicht allein reichen, Strom aus Wind und Sonne zu produzieren und weite Teile unserer Energieversorgung – vom Verkehr bis hin zu Wärmerzeugung – zu elektrifizieren. Hier stoßen wir an praktische Grenzen. Das merken wir schon jetzt – zum Beispiel beim Ladenetz für Elektroautos. Deshalb werden wir unseren Energiebedarf zunehmend auch aus C02-neutralen Kraft- und Brennstoffen decken müssen.
Hier bieten sich große Chancen für einen echten und internationalen Quantensprung beim Klimaschutz. Warum denken wir klein und verzetteln uns in nationale Debatten über Flugscham, Tempolimits und SUVs? Warum denken wir nicht größer und globaler? Warum investieren wir nicht in riesige Solarparks dort, wo sie wirklich das ganze Jahr über Strom produzieren, zum Beispiel in Afrika? Die Vorstellung, Deutschland könne sich autark versorgen, ist ohnehin gestrig. Eine funktionierende internationale Arbeitsteilung schafft Wohlstandsgewinne auf allen Seiten.
Deutschland importiert heute rund drei Viertel seines Energieaufkommens. Betrachtet man zudem den Energieverbrauch über alle Sektoren, liegt der Erneuerbaren-Anteil bei nur rund 15 Prozent. Deren Ausbau wird sich nicht endlos fortsetzen lassen. Auch der Verkehrs- und Gebäudesektor wird nicht allein durch eine Elektrifizierung auf Basis von deutschem Ökostrom klimaneutral werden können. Wir bleiben angewiesen auf Importe.
Hier kommen grüner Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe ins Spiel. Sie binden bei der Herstellung so viel C02 wie sie bei der Verbrennung ausstoßen. Gasförmige oder flüssige Energieträger sind leichter zu speichern als der volatil anfallende Strom aus Erneuerbaren. Sie können in der vorhandenen Infrastruktur, zum Beispiel über Tankstellen und Gasnetze, genutzt werden. Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer könnten schon heute die notwendige Technologie für die Herstellung liefern. Hier kann Deutschland als Ingenieurnation ganz vorne mitspielen.
Für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe benötigt man große Mengen sauberen Strom. Das macht sie derzeit noch teuer im Vergleich zu herkömmlichem Diesel oder Benzin. In sonnenreichen Regionen könnte man den Strom aber zu niedrigen Kosten in riesigen Fotovoltaikanlagen gewinnen. Vor einigen Jahren scheiterte das Desertec-Projekt, das Solarstrom aus der Sahara über Gleichstromleitungen nach Europa bringen wollte. Wir sollten diese Idee neu beleben und weiterentwickeln. Statt den Strom nach Europa zu schicken, kann er in Anlagen vor Ort zur Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen genutzt werden.
Aber auch Waldschutz und Aufforstungen bieten weltweit ein enormes und vergleichsweise kostengünstiges Potenzial, um C02 zu speichern. Am effizientesten sind Aufforstungen in den tropischen Regenwaldgebieten. Wir sollten international daraufhinwirken, dass der Erhalt von Regenwald sich künftig wirtschaftlich lohnt – zum Beispiel, indem jede dort gebundene Tonne C02 mit Emissionszertifikaten belohnt wird.
Um eine C02-Kreislaufwirtschaft in den notwendigen industriellen Größenordnungen zu realisieren, müssen wir marktwirtschaftliche Anreize setzen. Ein verlässlicher Emissionshandel kann das auf den Weg bringen. Der Marktpreis für Emissionen macht die Verbrennung von fossilen Energieträgern unattraktiv und die C02-Kreislaufwirtschaft zum Geschäftsmodell. Je umfassender der Emissionshandel und je mehr Länder sich an ihm beteiligen, umso größer sind die Anreize. Deshalb muss es uns gelingen, einen internationalen Durchbruch für dieses Instrument zu erreichen.
Eine stärker global ausgerichtete Klimapolitik ist die eine Seite. Mindestens genauso wichtig ist es, für den richtigen Resonanzboden zu sorgen. Schlechte Rahmenbedingungen bei Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlicher Freiheit und Infrastruktur sind noch immer die Hauptgründe, warum Investitionen in afrikanischen Staaten oft als zu riskant bewertet werden. Hier muss der Bund seine Bemühungen verstärken. Mit mehr Handel und Investitionen kann eine nachhaltige Entwicklung Afrikas ebenfalls vorangetrieben werden. Positiver Nebeneffekt wäre die Bekämpfung von Fluchtursachen. War das 20. Jahrhundert für die Staaten am Persischen Golf ein goldenes Ölzeitalter, so könnte sich im 21. Jahrhundert etwas Ähnliches in sonnenreichen Staaten wiederholen.
Für uns steht außer Frage: Wirtschaftliche Entwicklung und freiheitliche Lebensweise lassen sich mit Klimaschutz verbinden, sie müssen es sogar. Wir gewinnen nichts, wenn wir dem Kampf gegen den Klimawandel unseren Wohlstand opfern. Im Gegenteil: Intelligenter Klimaschutz gibt aufstrebenden Nationen eine Chance auf Entwicklung. Und wir haben das technische Potenzial, das zu ermöglichen – für Wohlstand und Klimaschutz.