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LAMBSDORFF-Interview: Ein Wochenende reicht nicht, um die Welt zu retten
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Ludwig:
Frage: Was sind Ihre Erwartungen an die Konferenz?
Lambsdorff: Natürlich reicht ein Wochenende im Bayrischen Hof nicht, um die Welt zu retten. Dennoch ist das Treffen wichtig, denn die Themen sind schwierig genug: Wie gehen wir damit um, dass sich westliche Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft nicht überall durchsetzen? Warum gelingt es China und Russland, sich als unfreie Alternativen zu Europa oder Amerika zu präsentieren? Und innerhalb des westlichen Bündnisses bereitet uns ja allen Kopfzerbrechen, wie wir als Europäer, Kanadier, Japaner oder Australier mit Donald Trump umgehen sollen.
Frage: Müssen wir uns um Europas Sicherheit sorgen?
Lambsdorff: Ich halte nichts von Panikmache. Dennoch muss die Sicherheit Europas ganz oben auf der Agenda stehen. Wobei aus Sicht der FDP Sicherheit nicht zwingend mehr Soldaten bedeutet. Aus unserer Sicht ist es überfällig, das chronisch unterfinanzierte Auswärtige Amt zu stärken – wenn Diplomaten erfolgreich sind, müssen wir Soldaten gar nicht erst entsenden.
Frage: 2014 hat Frank-Walter Steinmeier als Außenminister in München gefordert, Deutschland müsse sicherheitspolitisch entschiedener aufzutreten. Nun eröffnet er als Bundespräsident die Konferenz ...
Lambsdorff: Der Bundespräsident hat als Außenminister 2014 mit seiner Rede zum Konsens beigetragen, das war wichtig. Heute ist dieser Konsens aber verschwunden, denn Außenminister und Verteidigungsministerin liegen sich ständig in den Haaren, und vom Entwicklungsminister ist so gut wie nichts zu hören. Wenn die Rede des Bundespräsidenten hilft, die Bundesregierung in Richtung einer aktiven und abgestimmten Außenpolitik zu bringen, wäre das allein die Konferenz schon wert.
Frage: Es gibt die Forderung, Europa müsse sicherheitspolitisch unabhängiger von den USA werden. Machen wir uns da nicht etwas vor?
Lambsdorff: Frankreichs Präsident Macron hat verstanden, dass die EU eine gemeinsame europäische Verteidigungs- und Außenpolitik braucht. Leider werden seine Ideen von der Bundesregierung ignoriert. Für mich ist klar, dass die EU mehr in ihre Sicherheit investieren muss – nicht als Konkurrenz zur Nato, sondern als ihre tragende europäische Säule. Wir würden uns als Europäer tatsächlich etwas vormachen, wenn wir glaubten, wir könnten die USA ersetzen – es sei denn, wir wollen das Drei- oder Vierfache für unser Militär ausgeben.
Frage: Kritiker monieren, die MSC sei ein Netzwerk für Rüstungslobbyisten und Autokraten, denen dort eine Bühne geboten werde ...
Lambsdorff: Nein, das stimmt nicht. Diplomatie erfordert es, mit allen zu sprechen, vor allem mit denjenigen, mit deren Verhalten wir eben nicht einverstanden sind. Und dass die Bundeswehr ohne eine funktionierende Verteidigungsindustrie nicht funktionieren kann, ist auch klar. Die Diffamierung dieser Branche mache ich daher nicht mit.
Frage: Malt die Sicherheitskonferenz die weltpolitische Sicherheitslage nicht immer besonders schwarz, um Rüstung zu rechtfertigen?
Lambsdorff: Der Eindruck trügt definitiv, und das sage ich als jemand, der seit vielen Jahren zur Konferenz fährt. Klar stehen da die Krisenherde und Gefahren für die Sicherheitslage im Vordergrund – aber sollen wir über Holland reden oder Portugal? Es sind Themen wie Afrika, Klima und Sicherheit oder neue Entwicklungen im Cyberraum, über die wir auf einer solchen Konferenz reden müssen, so wie über Wege zu mehr und besserer Rüstungskontrolle. Das alles geschieht auch, deshalb geht die Kritik an der MSC fehl.
Frage: Wer ist das größte sicherheitspolitische Risiko: China, Russland, gar die USA?
Lambsdorff: Die USA gehören nicht in diese Aufzählung, bei aller Irritation über Trump. China und Russland sind Länder, in denen es keine freien Wahlen, keine unabhängigen Gerichte und keine kritische Presse gibt. Das gibt es alles in den USA, deswegen ist es auch falsch, wegen Kritik an Trump die deutsch-amerikanischen Beziehungen insgesamt infrage zu stellen. Außenpolitisch sehen wir außerdem, dass Russland auf der Krim und China im Südchinesischen Meer schwere Konflikte mit den Nachbarn haben.