Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Europa muss mehr in internationale Politik investieren

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Sabine Hackländer:

Frage: Die Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts scheint derzeit eine der besseren Nachrichten rund um das Bündnis zu sein. Würden Sie sagen, mit den mittlerweile 1,42 Prozent wird Deutschland seiner Verantwortung im Bündnis besser gerecht?

Lambsdorff: Wenn es so wäre, könnte man in der Tat froh sein. Dann würde der Druck aus Washington vielleicht etwas nachlassen. Aber die Finanzplanung von Olaf Scholz, die Finanzplanung dieser Bundesregierung zeigt ja, dass der Beitrag wieder sinken wird auf unter 1,25 Prozent. Und unsere Verbündeten sehen diese Finanzplanung natürlich auch. Insofern: Nein, da kann man leider keine Entwarnung geben.

Frage: Trotzdem, aber im Moment ist es ja fürs nächste Jahr eine Steigerung von 6,2 Prozent. Wird das nicht trotzdem auch ein bisschen, sagen wir mal so, versöhnlich wirken auf den US-Präsidenten, der ja auch schon mal mit Ausstieg aus der NATO gedroht hat?

Lambsdorff: Ja, Frau Hackländer, da haben Sie völlig recht. Den amerikanischen Präsidenten beeindruckt das in der Tat, denn ihm werden Zahlen vorgelegt, was die europäischen Verbündeten in absoluten Zahlen mehr leisten, seitdem er das Weiße Haus bezogen hat. Und das ist schon ganz beeindruckend, aber es ist natürlich noch weit entfernt von den zwei Prozent, die insgesamt in Wales auf dem NATO-Gipfel damals vereinbart worden sind.

Frage: Letztendlich scheint sich Donald Trump ja durchzusetzen mit diesem harten Druck. Hat er grundsätzlich recht mit seiner Kritik?

Lambsdorff: Wir dürfen eines nicht vergessen: Das Zwei-Prozent Ziel ist eben nicht eine Erfindung von Donald Trump, sondern zur Zeit, als das vereinbart wurde, war Barack Obama amerikanischer Präsident. Und jede Administration, gleich welcher Partei, hat immer gesagt, dass es nicht angehen könne, dass die Amerikaner so viel leisten finanziell und die Europäer so wenig. Und insofern: Ja, Trump hat hier mehr Erfolg als seine Vorgänger, weil er weniger diplomatisch ist. Aber Trump hat natürlich die Diskussionen dann auch sehr stark auf das Militärische verengt. Und wir haben ja hier in Deutschland eine Diskussion, ob wir nicht insgesamt international mehr Verantwortung übernehmen sollten. Und da sagen wir als Freie Demokraten: Lasst uns doch über drei Prozent reden, lasst uns doch bitte mal Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit auch in den Blick nehmen. Und wenn wir dann insgesamt auf drei Prozent kommen, dann ist es gar nicht so wichtig, ob wir nun bei 1,8 bei der Verteidigung landen. Hauptsache, die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr im Bündnis ist gewährleistet. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz, aber der ist natürlich schwieriger zu erklären.

Frage: Also, der Streit ums Geld scheint sich zumindest kurzfristig zu entschärfen. Anders sieht es aus, wenn es um inhaltliche Fragen geht. Die Bemerkung des französischen Präsidenten Macron von der „hirntoten NATO“ hat so gut wie alle Mitgliedsländer tief verärgert. Gehört der französische Präsidenten dafür abgewatscht? Oder hat er nicht doch recht, gerade mit Blick auf die unkoordinierten Aktionen in Nordsyrien?

Lambsdorff: In gewisser Weise beides. Auf der einen Seite weiß Emmanuel Macron natürlich ganz genau, wenn er so einen Begriff in die Welt setzt, dann gibt es solche Reaktionen wie die, die gekommen sind, nämlich eine ablehnende Reaktion. Denn es stimmt ja auch nicht: Die NATO ist ja nicht hirntot. Auf der anderen Seite, wenn man sich das Interview insgesamt anguckt, dann stellt man fest, dass er nicht gesagt hat, die NATO sei bereits hirntot, sondern er fürchte den Hirntod der NATO. Und er meine eben, Europa müsse erheblich mehr tun, weil es eben unklar sei, wie die Amerikaner sich in den nächsten Jahren verhalten würden. Und ich glaube, dieser Appell an Europa, mehr zu tun, mehr Verantwortung zu übernehmen, mehr in internationale Politik zu investieren, dieser Appell, dass Europa eben auch handlungsfähig wird, auch mal ohne die USA, der ist richtig und dafür müsste er eigentlich gelobt werden.

Frage: Macron hat ja auch im gleichen Interview noch eine Wende in der Russlandpolitik der NATO eingefordert, hin zu einer Annäherung an Russland. Wie schätzen Sie diese, ebenfalls offenbar völlig unabgesprochene Initiative des französischen Präsidenten ein?

Lambsdorff: Ja, die wird im Bündnis natürlich sehr unterschiedlich gesehen. Unsere osteuropäischen Nachbarn, die Polen, die Balten, sehen das kritisch. Aber auch die Briten beispielsweise sehen überhaupt keine Veranlassung, sich Russland anzunähern. Ich war nun gerade in Moskau und habe auch mit russischen Duma-Abgeordnete gesprochen. Ich finde den Dialog mit Russland wichtig. Wir sagen als FDP ja auch, es wäre gut, Russland könnte wieder zu G7, G8 dazustoßen, um Gespräche zu führen. Das heißt aber nicht, dass man den Russen ihre völkerrechtswidrige Annexion der Krim jetzt einfach durchgehen lässt oder ihre negative Rolle in der Ostukraine, wo ja immer noch die Spannungen groß sind. Also, mit anderen Worten: Was Macron da vorgeschlagen hat, ist unabgestimmt, es ist teilweise richtig, aber es wäre besser, es wäre eingebettet in einen Gesamtansatz des Bündnisses.

Frage: Es ist ja eigentlich auffällig, wie sehr Macron auch in der europäischen Verteidigungspolitik auf eine französische Führungsrolle besteht. Welche Motivation vermuten Sie dahinter?

Lambsdorff: Na ja, das ist nicht Motivation, sondern Analyse. Wenn Großbritannien aus der Europäischen Union ausgeschieden sein wird, wann auch immer das ist, wird Frankreich das einzig verbliebene Land in der Europäischen Union mit Nuklearwaffen sein und das einzig verbliebene Land mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Gleichzeitig sieht er, wie alle anderen ja auch, dass sich die Kanzlerschaft von Angela Merkel dem Ende zuneigt. Die Nachfolgedebatte ist bereits im Gange. International genießt die Kanzlerin zwar Respekt, aber sie gilt natürlich schon auch als „Lame Duck“, wie man das unhöflich im internationalen Sprachgebrauch so sagt. Und insofern sieht er, dass die Macht in Europa sich doch stärker in Paris konzentriert als in Berlin. Das ist eine Analyse, die wird von vielen geteilt, und insofern hat er auch keine Scheu, diese Führungsrolle dann eben mit Konzepten zu unterfüttern. Das Problem ist eben, dass er das zu oft alleine und zu oft ohne abgestimmt macht.

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